Morgen wird es wohl zur Entscheidung der Vizepräsidentschaftswahl kommen. Ich habe hier mal die Kandidaten zusammen gefasst, welche im Rennen sind und wo ich die Pros und Cons sehe.
Josh Shapiro
Plus:
Pennsylvania, Pennsylvania, Pennsylvania. Wie sehr ein Vizepräsident hilft, einen Staat zu gewinnen, das ist eine Diskussion die man in jedem Wahljahr hat. Aber man muss schon zugeben, dass ein Kandidat welcher aus Pennsylvania kommt und dort laut gewisser Umfragen ein 60% Approval Rating hat, nicht ein massiver Pluspunkt wäre. Der Mann ist im wichtigsten Swingstate des Präsidentschaftsrennen weit, weit über Wasser, das kann man nicht verneinen.
Ausserdem hat er inzwischen einfach extremes Name-Recognition, was man nicht ignorieren kann.
Minus:
Shapiro ist nicht sehr beliebt bei den sehr Progressiven Wählern der Linken. Je mehr er ins Rampenlicht kommt, desto mehr finden diese Wähler Dinge, welche sie nicht mögen in seiner Vergangenheit bezüglich seiner Politik. Sein grösster Angriffspunkt dürfte hier wohl die Isreal-Gaza Thematik sein. Durch seine Vergleiche von Pro-Palästina-Protesten mit dem KKK hat er sich absolut keine Freunde gemacht. Und wenn man bedenkt, dass die Pro-Palästina-Wähler bereits ein grosser Schwachpunkt für Bidens Wiederwahl wäre, muss man sich fragen ob es sinnvoll ist, diesen Flügel wieder zu erzürnen und diese Diskussion wieder aufs Neue zu entfachen. Faktisch muss man hier sagen, dass Shapiro nicht wirklich extremer zur Israel-Frage ist als viele andere Kandidaten, und durchaus für das Netanyahu-Regiem offen Kritik angebracht hat. Ein Teil der Kritik wird schlicht und einfach daher kommen, dass er selber Jude ist… was die übermässige Kritik an ihn durchaus unfair macht. Dennoch, die Realität ist dass seine Dämonisierung für Palästina-Demonstranten ihm nicht hilft UND dass seine Wahl einfach einen Unmut bei den Progressiven (welche sich eh schon oft von den Demokraten ignoriert sehen) Wählern aufreisst, den es jetzt einfach nicht braucht… nicht zu vergessen, dass dieser Unmut in Wisconsin und Michigan als ein erneuter Tritt gegen die „uncommited“ Wähler gesehen werden könnte, welche gegen Biden in den Primaries bereits massive Zeichen gesetzt hat.
Persönliches Fazit:
Josh Shapiro ist definitiv der Kandidat mit dem grössten Plus-Minus-Fenster. Er kann eine Bereicherung sein, ich persönlich habe aber Angst, dass der Backlash gegen ihn vom Progressiven Flügel mehr Probleme verursacht, als es Wert ist.
Mark Kelly
Plus:
Ein beliebter Senator aus Arizona. Und wenn die Harris Kampagne das Spielfeld vom Rustbelt in den Sunbelt erweitern will, dann kann es durchaus helfen, Kelly aus Arizona auf dem Ticket zu haben. Ausserdem wäre es extrem hilfreich jemanden aus einem Grenzstaat zu Mexiko zu haben, wenn man bedenkt, dass die Grenzkrise der Hauptangriffspunkt ist, mit dem Trump Harris angehen will (neben dem üblichen Rassismus und Sexismus). Und dann kommt noch das Ding, was mich etwas nervt, aber… man muss einfach zugeben, dass es sicher hilft: Was alle über ihn wissen ist, dass er in der Vergangenheit Astronaut war. Diese Art von Name-Recognition ist Gold wert.
Minus:
Die Demokraten wollen Arizona nicht im Senat riskieren. Ist einfach so. Wenn Kelly Vizepräsident wird, dann wird es dort eine Special Election geben… und man stelle sich mal vor man gewinnt das Weisse Haus UND den Senat… und dann verliert man den Senat ein Paar Wochen später gleich wieder, weil Kellys Nachfolger in Arizona die Wahl nicht gewinnt. Das wäre extrem ärgerlich.
Persönliches Fazit:
Meine persönliche Wahl. Wie wir in Georgia über die letzten Jahre gesehen haben, wenn die Demokraten in der Präsidentschaftswahl gut abschliessen, dann schliessen sie auch Wochen später in Senatorenwahlen gut ab, wenn das Momentum da ist. Ich denke Kellys Nachfolger würde den Sitz halten können und sonst ist er einfach ein Kandidat ohne wirkliche Negative.
Tim Walz
Plus:
Ein Kandidat, der von der Rechten vor allem für seine progressiven Werten angegriffen wird (Abtreibungsrechte im Staat zu sichern, staatliche Unterstützung für Mittagessen für Schulkinder, Unterstützung für trans Rechte…) wäre ein sehr, sehr solider Punkt um die Progressiven Wähler an die Urne zu holen. Und da Walz trotzdem einen Rustbelt-Appeal hat, könnte er die Progressiven überzeugen, ohne von der Politischen Mitte zu sehr als Risiko angesehen zu werden.
Minus:
Minnesota hilft Harris nicht wirklich, den Staat wird sie sowieso tragen. Ausserdem ist er (obwohl er nur ein Jahr älter ist als Harris) der Kandidat, der sehr nach „altem Politiker“ aussieht und sich deshalb am ehesten mit Harris Optik für „Wandel“ und „nächste Generation“ beisst.
Persönliches Fazit:
Der wohl klarste „do no harm“ Kandidat. Mit ihm wird man sicher gut fahren, aber ihm fehlt die Name Recognition um das Maximum aus seinem Progressive-Appeal rauszuholen und sonst hat er definitiv weniger Vorzüge als andere Kandidaten. Aber er hat auch nur wenig Angriffsfläche, welche Harris wirklich schaden könnte. Er ist vermutlich DER Geheimpick, anscheinend hat er im Hintergrund massiv Kampagne für sich als Vizepräsident geführt.
Andy Beshear
Plus:
Ähnlich wie Walz hat er sich einen Namen gemacht mit einigen Progressiven Dingen, die er in einem roten Staat (Kentucky) durchsetzen konnte. Dieser Rote Staat ist wohl die grösste Feder in seinem Hut. Er ist sehr, sehr beliebt in dem Staat, und das obwohl Kentucky absolut dunkelrot ist. Er wäre ein sehr starker Kandidat, wenn es darum gehen würde, Harris für Mitte, Mitte-Rechts Kandidaten ansprechender zu machen.
Minus:
Kentucky ist gleichzeitig auch Beshears grösste Schwäche. In der Abtreibungsdebatte fokusiert er sich gerne auf die „Extremfälle“ für die es Ausnahmen geben soll. Das sind in der Regel Talking-Points von Politikern, welchen es nicht wohl ist, wirklich über die Rechte der Frauen zu sprechen. Nicht wirklich gute Unterstützung für eine Kampagne, welche Abtreibungsrechte zentral machen wollen. Ausserdem: Wenn Beshear weg ist, dann wird Kentucky wohl sofort wieder einen Republikanischen Gouvernor haben. Ich sehe kein Szenario, wo die Special Election für Beshear für die Demokraten gut laufen wird. Ausserdem wird er Harris nicht helfen, Kentucky zu gewinnen. Kentucky ist Rot, Beshear hilft nicht wirklich, die Electoral Map zu öffnen.
Persönliches Fazit:
In meinen Augen kein starker Kandidat. Beshear wäre einer dieser Picks, der mir das Gefühl geben würde, dass das Harris-Team Angst hat „zu left“ rüber zu kommen. Und solche Selbstzweifel kann es nicht Moment nicht brauchen. Beshear als Wahl würde mich etwas nervös machen bezüglich der Zuversicht des Harris Teams.
Pete Buttigieg
Plus:
Ein bisschen der Online-Darling. Er ist charismatisch, er hält sich gut in Debatten, er geht in die Höhle des Löwen und kommt lächelnd wieder raus, mit ein Paar neuen Freunden. Wer würde nicht gerne eine Debatte zwischen Buttigieg und Vance sehen? Und wer hätte auch nur den geringsten Zweifel daran, dass Buttigieg als Sieger davon kommen würde? Und als junger, homosexueller Kandidat wäre er absolut ein Kandidat, der Harris zukunftsgerichtete Nachricht hervorragend tragen könnte.
Minus:
Er ist Teil der Biden-Administration. Mit ihm und Harris wäre es für die Republikaner wirklich sehr, sehr einfach das Ticket für alle Fehler der Biden-Regierung verantwortlich zu machen. Wie gut es aussehen würde, wenn das Ticket nur aus Leuten besteht, welche bereits „an der Macht“ sind… vielleicht nicht gerade die beste Wahl. Ausserdem ist es fraglich, ob optisch gesehen eine Asiatisch-Schwarze Frau und ein Homosexueller nicht ein Ticket kreieren, welche dann die Leute nervt, welche sich im Alltag bereits über „zu viel erzwungene Diversität“ aufregen. Ich würde gerne sagen, dass das keine Rolle spielt, oder dass all diese Leute eh bereits Trump wählen. Aber in der Realität gibt es leider auch genug Leute in der politischen Mitte, welche ab und zu so denken. Und ausserdem: Pete bringt der Electoral Map nichts. Habe eher das Gefühl, dass er und Harris zusammen Trump im Rustbelt wieder die „anti-Elite“-Schiene fahren lassen könnte, weil die beiden zusammen wirklich sehr nach einem elitären Päärchen aussähen.
Persönliches Fazit:
Kann nicht lügen, ich würde mich freuen, wenn es Pete wäre, einfach weil ich ihn gerne debattieren sähe und weil er und Harris wirklich ein charismatisches, energetisches Team wären. Aber strategisch gesehen ist er vermutlich wirklich nicht die beste Wahl.
Fazit:
Ist ein durchaus starkes Feld mit keinen wirklich „schlechten“ Kandidaten. Manche sind besser als andere, aber alle haben ihre Stärken. Das grösste Risiko geht Harris in meinen Augen mit Shapiro ein, der gleichzeitig auch der Kandidat ist, der dem Ticket mit Abstand am meisten nützen könnte. Wenn ich wählen könnte würde ich vermutlich Kelly nehmen.
Oder habe ich jemanden vergessen der noch im Rennen ist?