Pinocchio (2022):
Der Zeichentrickfilm von Disney ist definitiv nicht perfekt und hat eine Menge Raum für Verbesserungen. Alternativ könnte man die Geschichte aber auch wirklich neu aufwickeln, wie es die italienische Version von 2019 gemacht hat.
Aber wie Disney halt ist hat man sich entschieden sehr, sehr, seeeeeeehr nahe an ihrer eigenen Version dran zu bleiben… und diese Sturheit ist ein Albatros welcher dem Film die ganze Zeit um den Hals hängt.
Das fängt bereits mit dem Design von Pinocchio an. Wir haben eine „real life“ Version… und dennoch entschieden sich die Macher, das Design an den Animierten, comichaften Look des Zeichentrickfilmes zu orientieren… was als Resultat hat, dass der „hölzerne“ Junge zu keiner Zeit aussieht, als sei er aus Holz gemacht. Er wirkt wie eine Hartplastikpuppe! Ich verstehe schon, dass man auch hölzerne Puppen mit der richtigen Verarbeitung so glatt und sauber machen kann… aber ist die Idee nicht, dass Geppetto das Ding selber geschnitzt hat? Sorry, das Ding sieht nicht handgemacht aus, nicht annähernd, und das ist ein solches Versäumniss! Und ich bin sicher, dass ist nicht passiert, weil die Macher dachten, das sei das beste Design für eine Realverfilmung. Dieses Design wurde gewählt, weil die Schlippsträger bei Disney wollten, dass das Ding so aussieht wie in der 1940 Version.
Des weiteren leidet der Film auch darunter, dass er sich nicht zu sehr von der alten Version entfernen darf, was der Inhalt angeht. Es müssen die gleichen Szenen in der gleichen Reihenfolge sein, hier mal ein bisschen länger, hier mal etwas kürzer, aber bloss nichts an der Struktur selber ändern!
Was für sich nicht unbedingt ein Problem ist… ein Problem wird es erst dann, wenn man versucht gewissen Charakteren (wie Jiminy oder Geppetto) mehr Persönlichkeit und Hintergrundgeschichte geben zu wollen. Denn dann hat man plötzlich die Situation, wo du das nur erreichen kannst, indem du einfach Expositionsdialoge an die bereits etablierten Szenen klebst. Ein echtes Problem, welches vor allem im ersten Drittel EXTREM auffällt (was auch die Phase ist wo es einige GRAUSAME In-Joke-Referenzen zu anderen Disney-Properties gibt… aber da kann man sich wohl inzwischen nicht mehr darüber aufregen, wenn man diese Film schaut).
Und dann kommt noch dazu, dass die „Moral“ der Geschichte auch nicht wirklich aufgewertet oder verbessert wird. Um ehrlich zu sein, dass war am Original immer schon etwas ein Problem gewesen: Der Film tut so als erzähle er eine Geschichte, wie Pinocchio seine „menschliche“ Seite findet, indem er selber ein Gewissen entwickelt… aber irgendwie passiert das während der Geschichte nicht. Pinocchio macht eine Menge Dinge die „falsch“ sind, und die ihn dann in Schwierigkeiten bringt, aber warum diese Dinge „falsch“ sind, warum man sich moralisch verhalten sollte… darauf wird nicht eingegangen.
Ok, man sollte sich nicht leichten Vergnügen ergeben weil es schlechte Konsequenzen hat? Ok… nur sind die Konsequenzen nie eine direkte Folge dessen, was sie tun, und die „leichten Vergnügen“ scheinen auch nie wirklich „falsch“ zu sein… abgesehen von der Tatsache, dass das halt nicht das ist, was Pinocchio Geppetto versprochen hat. Das würde mehr drin liegen und da hätte man jetzt die Chance gehabt das besser aufzuarbeiten.
Und stattdessen… naja, macht man nichts wirklich draus. Die Moral der einzelnen Kapitel ist immer noch extrem verwässert, noch mehr als in der 1940 Version sogar, da in diesem Film Pinocchio oft mehr durch die Taten anderer in die ungemütlichen Situationen kam, als durch seinen eigenen Antrieb.
Eine Handvoll guter Verbesserungen gab es dann zum Glück schon. Die Idee zum Beispiel, dass die „Vergnügungsinsel“ eine Konsequenz von Pinocchios Nachgibigkeit zum Gruppendruck ist, anstatt einfach einer verspielten Neugierde… ehrlich, dass ist eine nette Neuerung und hat wesentlich mehr mit dem Thema des „Gewissens“ zu tun, als die meisten anderer Elemente beider Disney-Versionen. Pinocchio weiss, was das richtige wäre… aber er hört nicht auf sein Gewissen, weil der Gruppendruck das überschreibt. Nette Reflektion über das Thema, und ziemlich gut gemacht.
Und ehrlich, ich mag auch das Ende ganz gut. Eine interessante Variation zu der Version die man sonst kennt (nicht, dass Pinocchio heilende Tränen hat, das ist ziemlich dumm. Aber dass beide Charaktere es zum Schluss nicht mehr für nötig empfinden, dass Pinocchio etwas anderes werden muss, um sich selber akzeptieren zu können).
Und Tom Hanks ist eine perfekte Wahl für Geppetto.
Also, wie man sieht: Ich habe an dem Film durchaus Elemente gefunden, die mir gefielen. Ehrlich gesagt, mir gefiel an dem Film genug, um nicht ganz verstehen zu können, warum DIESES Disney-Remake dasjenige ist, welches so eine Menge Hass erhält.
Ich meine… ist unnötig, etwas seelenlos und halt einfach als Produkt rausgehauen. Aber das waren all diese Remakes, und diese Version ist ehrlich gesagt, in meinen Augen, eine der besseren. Also… ehrlich, nicht ganz so schlecht wie man denken könnte.
Ein letzter Kritikpunkt muss ich aber schon geben und das bezieht sich auf die visuelle Umsetzung: WTF ist in diesem Film mit der Bildumsetzung passiert?!
Gewisse Szenen sind so dunkel, dass man kaum was erkennen kann… was aber vermutlich gut ist, denn wenn der Film hell ist, dann erkennt man sofort, wie extrem halbgar viele der Spezialeffekte sind!
Meine Güte, ich meine… derart schlecht animierte und simulierte Interaktionen mit Flüssigkeiten wie in diesem Film habe ich schon ewigs nicht mehr gesehen! Nichts wirkt real, nichts wirkt als habe es irgendwie Gewicht. Dieser Film ist absolut nicht auf einem Stand, der ein solcher Film im Jahre 2022 haben sollte!
Immerhin Monstrum sah cool aus. Aber sonst… Oh Boy!
Fazit: Visuell schwächer als ein Film von 1940, und definitiv dadurch zurückgehalten, dass er sich zu sehr an der 1940 Version orientieren muss. Aber dennoch keine völlige Katastrophe und noch eher einer der guten Disney-Remakes.