Zwei Jahre nach „Spider-Man: Far From Home“ ist die Fortsetzung nun endlich da und wir erfahren, wie die Geschichte rund um Peter Parker und seine Freunde weitergeht. Die Ausgangssituation ist für Peter nämlich keine einfache, denn Mysterio hat am Ende von „Far From Home“ der Welt verraten, wer hinter der Spider-Man-Maske steckt.
Die Geschichte von „No Way Home“ setzt genau da an, wo „Far From Home“ endete: mit der Entanonymisierung von Spider-Man. Peter Parker (gespielt von Tom Holland) wird von einem Tag auf den anderen zur berühmtesten und umstrittensten Person in den Vereinigten Staaten und muss sich, seine Familie und seine Freunde aus dem ungewollten Rampenlicht zerren. Das ist allerdings gar nicht so leicht, denn die Behörden ermitteln gegen ihn, die Presse folgt ihm auf Schritt und Tritt, seine Highschool ist mit der medialen Aufmerksamkeit überfordert und die Universitäten wollen von seinen Bewerbungen erstmal nichts wissen. Am meisten macht es Peter zu schaffen, dass seine Tante May (gespielt von Marisa Tomei) und seine besten Freunde MJ (gespielt von Zendaya) und Ned (gespielt von Jacob Batalon) in die Sache mit reingezogen wurden. Ihr Leben steht durch ihre Verbindung zu Spider-Man ebenfalls auf dem Kopf und so muss schnellstmöglich eine Lösung her. Glücklicherweise kennt Peter eine Person, die ihm weiterhelfen könnte: Dr. Stephen Strange (gespielt von Benedict Cumberbatch). Strange willigt ein und kreiert für Peter einen Zauber, der aber in letzter Sekunde verpfuscht wird und dadurch für schwerwiegende Konsequenzen sorgt. Es öffnen sich Brücken zu Paralleluniversen, über die mehrere Bösewichte aus anderen Spider-Man-Universen in Peters Welt eindringen und für eine Menge Chaos sorgen.
Es ist schwierig, über „No Way Home“ zu sprechen, ohne dabei große Teile des Films zu spoilern. Daher ist diese Kritik als Spoiler-Kritik gekennzeichnet. Nur so kann man über alle Elemente und SchauspielerInnen dieses Films sprechen und die Ereignisse offen analysieren. Eines sei dabei gleich erwähnt: „No Way Home“ ist eine Verbeugung vor den letzten sieben Spider-Man-Filmen, ein wahrgewordener Fan-Traum und ein Stück weit eine verfilmte Fanfiction, die sowohl herzerwärmende als auch schnulzige Momente hat.
Um die Katze aus dem Sack zu lassen: ja, wir sehen in diesem Film Andrew Garfield und Tobey Maguire und sie sind nicht nur Cameos, sondern richtige Bestandteile des Films. Auf der Seite der Bösewichte haben wir eine bunte Palette bestehend aus Dr. Octopus, Green Goblin, Electro, Sandman und Lizard. Es sind sehr viele Widersacher, denen sich in diesem Film aber zum Glück nicht nur ein Spider-Man stellt, sondern gleich drei. Hier und da wird die Action bei dermaßen vielen Akteuren etwas unübersichtlich, aber alles in allem geht die Rechnung auf. Besonders gut gefallen hat mir die Leistung von Alfred Molina und Willem Dafoe, die beide mit einem großen Spaß bei der Sache sind und eine starke Präsenz zeigen. Weniger überzeugend sind Electro und Lizard, die überflüssig erscheinen und auch schauspielerisch vergleichsweise stark absinken. Besonders schwierig finde ich die Leistung von Jamie Foxx, dem man wohl vergessen hat zu sagen, dass er Electro aus „The Amazing Spider-Man 2“ spielen soll und nicht sich selbst. J.K. Simmons als J. Jonah Jameson ist ebenfalls anstrengend und die Szenen mit ihm sind stets zwei Nummern drüber.
Der große Aha-Moment ist natürlich der, wenn Andrew Garfield und Tobey Maguire zum ersten Mal ihren Auftritt haben und die Herzen aller Spider-Man-Fans höher schlagen lassen. Das ist definitiv ein fantastischer Magic-Moment, den man als Fan nicht so schnell vergisst. Beide Schauspieler hatten damals in ihren Spider-Man-Filmen keine Chance auf einen Abschied - Maguire war nie in einem „Spider-Man 4“ von Sam Raimi zu sehen und für Garfield ging die Reise schon nach „The Amazing Spider-Man 2“ zu Ende. „No Way Home“ ist daher ein letztes großes Abenteuer und ein würdiger Abschied für die alten Spider-Mans.
Andrew Garfield kommt in „No Way Home“ aus dem Grinsen gar nicht mehr raus und umarmt alle paar Minuten alles und jeden, während Tobey Maguire deutlich reservierter daherkommt und eine Viertelstunde braucht, um aufzutauen. Tom Holland macht währenddessen einen super Job und manövriert sich bewusst in den Hintergrund, um Garfield und Maguire ihre Zeit einzuräumen. Dabei tänzelt er im ganzen Film dennoch geschickt zwischen unterschiedlichen Emotionen und gibt seine bisher beste Leistung als Spider-Man ab.
Machen wir also das große Fass namens Fanservice auf. Das wirklich Spannende an „No Way Home“ ist, dass dieser Film zur Hälfte von Fanservice, Nostalgiegefühlen und Meta-Verweisen lebt. Man wird belohnt, wenn man die Tobey Maguire und Andrew Garfield Spider-Man-Filme gesehen und gemocht hat und mit emotionaler Nüchternheit und Langeweile bestraft, wenn man es nicht getan hat. Dabei hat „No Way Home“ ein paar wirklich schöne Szenen für die Fans, die wie Öl runtergehen und heutzutage am ehesten als wholesome bezeichnet werden würden. Garfield hat in diesem Film einige witzige Momente und wirkt fast schon wie der große Bruder von Tom Hollands Spider-Man. Maguire fungiert währenddessen als der geerdete und reife Peter Parker, der vielleicht nicht so aufgeweckt ist wie die beiden anderen, aber hier und da die nötigen Weisheiten parat hat.
Das große Problem an dem Fanservice ist, wie dick dieser stellenweise aufgetragen wird. Garfield und Maguire bekommen viel Screen Time und die Kamera hält sehr lange auf ihre Gesichter, während sich die drei Spider-Men regelmäßig auf die Schulter klopfen, sich umarmen, sich anlächeln, sich den Rücken einrenken und sich sagen, wie lieb sie sich haben. So wholesome das anfänglich wirkt, so schnell wird es auch schnulzig. Jon Watts hat es mit der Nostalgie-Liebe und dem Fanservice hier und da zu gut gemeint und an manchen Stellen viel Butter auf zu wenig Brot verschmiert. Auf der Meta-Ebene macht das alles schon Spaß und man sitzt eine Stunde lang mit einem breiten Grinsen da, aber wie gesagt: das Wort „subtil“ stand anscheinend nicht im Drehbuch. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass „No Way Home“ die Hardcore-Spider-Man-Fans umhauen, ZuschauerInnen mit einer neutraleren Haltung aber stellenweise fast schon anöden wird. „No Way Home“ funktioniert genau dann am besten, wenn man sich auf diesen Fanservice komplett einlassen kann und die Story nicht weiter hinterfragt. Diese zerbröselt sonst schneller als ein Butterkeks unter einem Stapel Comics. 90% von dem, was in „No Way Home“ geschieht, geschieht nur, damit wir die Wow-Szenen im letzten Drittel bekommen. Koste es, was es wolle.
So erfrischend es auch ist, drei bekannte Spider-Mans auf der Leinwand zu sehen, so anstrengend ist es auch, all die Emotionen zu empfinden, die der Film bei mir triggern will. Die ganze Story rund um Tante May funktioniert nicht, weil dieser Charakter in den ersten beiden Filmen nur mit einem Augenzwinkern etabliert wurde und ich für diese Person auch in „No Way Home“ nichts empfinde. Was Happy Hogan (gespielt von Jon Favreau) mit der Filmreihe noch zu tun hat, verstehe ich auch nicht. Er spielt nicht gut und hat für „No Way Home“ praktisch keinen Mehrwert. Zendaya macht als MJ einen soliden Job, Jacob Batalon hat sein Pulver hingegen schon in den ersten beiden Filmen verschossen. Benedict Cumberbatch hat mir wiederum sehr gut gefallen und sein Kampf mit Spider-Man ist eines der Highlights des Films.
Man kann sich über „No Way Home“ sehr viele Gedanken machen, lange diskutieren und fast alles in diesem Film in Frage stellen. Das Drehbuch ist ein riesengroßes Kartenhaus, das von Tom Holland, Tobey Maguire und Andrew Garfield getragen wird. Es fällt sofort zusammen, wenn das Trio einem nichts gibt. Wenn man sich aber auf diese Fanfiction einlässt und einen großen Zug aus der Nostalgiepfeife nimmt, dann bekommt man ein sehr schönes Kinoerlebnis. „No Way Home“ erlaubt sich viel, aber ich verzeihe diesem Film gerne die eine oder andere Schwäche, da es mir so viel Spaß macht, die Actionszenen zu sehen sowie den Film auf einer Meta-Ebene zu erleben. Ich habe keine Ahnung, wie es mit Tom Hollands Spider-Man weitergehen soll, aber ich weiß, wie es mit Tobey Maguires und Andrew Garfields Spider-Man zu Ende gegangen ist. Und für mich als Fan der Spider-Man-Filme fühlt sich das gut an.