Doch ich stimme Dir da (größtenteils) zu. (Ich bringe mal die Begriffe Innovation und Iteration* mit ein, auch wenn du davon jetzt nicht explizit sprichst)
Aber natürlich findet man im Indie Sektor auch nur vereinzelt Diversität oder Innovation. Denke an die vielen 2D/2.5D (Puzzle-)Plattformer und Rogue-lites/likes, die (gefühlt) jeden Tag rauskommen und sich stark ähneln. Das und ähnliche sind tatsächlich die Mehrheit der Spiele aus der Indie Branche. Aber wir sehen oft nur die absoluten Top-Indie-Titel.
Die Speerspitze oder potentielle Speerspitze der Indie-Entwickler haut halt die Innovationen raus (oder bringen vergessenes zurück, ich nenne das mal „Reinnovation“) und pendeln sich dann oft mit Iterationen irgendwann auch auf ihr Erfolgskonzept ein, was auch nicht schlecht ist.
Ich meine das absolut Wertneutral und halte Iteration für kaum wegdenkbar in der Spiele-Entwicklung und auch für etwas positives. Das Problem ist halt die Balance: nur (schlechte) Iteration ohne Innovation oder Reinnovation vs. nur Innovation ohne Iteration. Die beiden extreme für sich, sind nicht gut. Um das Bildlich zu beschreiben: du magst einen Diamanten (Innovation) gefunden haben, aber ohne den Schliff (Iteration) ist er quasi wertlos. Es gibt nur sehr wenige Entwickler, die konstant Innovation oder Reinnovation in ihren Spielen suchen und damit erfolgreich sind (vielleicht Davey Wreden oder Lucas Pope, aber auch die iterieren). Es benötigt halt viele gute Iterationen, um etwas weiter zu entwickeln. Daraus kann dann auch wieder etwas vollkommen neues entstehen. Selbst ein viel gelobtes Spiel, wie Dark Souls (<3) oder selbst der Vorgänger Demon’s Souls (<3) wären ohne Iterationen undenkbar.
Ein weiteres Beispiel. Hotline Miami und dessen Iteration: Hotline Miami 2. Beides großartige Spiele, und man geht mit den paar Änderungen von 1 zu 2 sicherlich größere Risiken ein, als ein AAA-Entwickler das tun würde, aber der 2. Teil ist eine Iteration des 1. Teils. Wahrscheinlich sogar eine gute.
Der AAA-Bereich ist sehr starr. AAA-Titel können auf Grund ihrer hohen Budgets (aus meiner Sicht geht es so ab ~50 Millionen Dollar ohne Marketing los), die sie ja wieder rein bekommen müssen, und des Iterationscharakters ihres Marktes, keine großen Risiken eingehen. Deshalb schauen sie was es so an Innovation gibt, z.B. was die Indies oder ihre Konkurrenz so machen und borgen sich ein paar erfolgreiche Ideen aus.
Die potentiell größte Gelegenheit für AAA-Titel zu etwas neuem ist eine neue IP. Sobald eine Zahl dahinter steht, wird meist nur noch iteriert, bis die Leute satt von der Formel sind, dann wird etwas neues ausprobiert (Relaunch/Reboot oder Zäsur) - ich stelle es mal sehr drastisch dar.
Gutes Beispiel: Titanfall (Reinnovation der Movment Mechaniken von alten Arena Shootern, wie z.B. Beben ) → Call of Duty: Advanced Warfare (-> Call of Duty: Infinite Warfare).
Wir haben zur Zeit das Glück, dass AAA Konzerne etwas unter Druck geraten sind (zu viele Iterationen in zu kurzer Zeit (deshalb geht die Frequenz einiger Serien zurück), verkaufte Einheiten gehen leicht zurück, technische Probleme bei Release stimmen Kunden unzufrieden, Erwartungen werden nicht erfüllt, etc), wir „neue“ Konsolen vor der Tür stehen haben, die gepusht werden wollen (PS4 Pro, Xbox Scorpio + das Mysterium NX) und sich VR in die Branche reingemogelt hat, wodurch wir vermehrt neue IPs und auch Zäsuren in den Iterationsprozessen sehen. Dazu funktioniert der Indie Markt sehr gut und bringt immer wieder neue Impulse. Ich würde sagen, es wird in naher Zukunft etwas abwechslungsreicher - für AAA Markt Verhältnisse. Dennoch wird weiter iteriert werden. Wir sehen es ja auch jetzt schon, neues CoD, neues BF, neues Titanfall, neues FF, neues Gears of War, neues Fifa, neues Mafia, neues Dishonored, etc. Die Frage ist dann immer, ob es gute Iterationen sind. Da sehe ich aber hier und da Potential.
Ja, der AAA-Markt war lange starr in schlechten Iterationen verfallen, aber es besteht die Möglichkeit, dass die aktuellen Entwicklungen das ganze auflockern werden, besonders weil sonst einige Spiele-Serien oder auch Publisher irgendwann einfach große Probleme bekommen werden und sich dann verkleinern müssten oder geschluckt werden. Den Indie Markt betrifft das weniger, außer dass sie die entstandenen Löcher füllen und davon profitieren könnten.
–
*Iteration ~ Damit meine ich in diesem Zusammenhang: immer die gleichen Spiele (nach einer bestimmten Formel) entwickeln und kleine Änderungen einstreuen, mit der Hoffnung das Grundlegende Spielprinzip etwas zu verbessern (das ist eine gute Iteration). Es geht aber auch bis hin zu: tatsächlich immer das gleiche Spiel zu machen ohne etwas am Grundprinzip zu verbessern (das ist für mich dann eine schlechte Iteration).