Habe mich schon häufig gefragt, ob es so etwas wie einen Antikriegsfilm gibt.
Geht es bei der Definition nur darum, dass der Film die Schrecken des Krieges zeigt, dann werden jedem hier sicherlich ein paar Beispiele einfallen. Auch wenn Filme wie z.B. Apocalypse Now (und vor allen Dingen Starship Troopers) eher die absurden Seiten des Krieges zeigen. Ich mein, sich aufzuregen, weil man nicht surfen kann, das ist schon ne Hausnummer.
Geht es allerdings darum, dass der Film ungenießbar wird, dann wird es schon schwieriger. Was einerseits damit zusammenhängt, dass der Zuschauer eine Distanz zum Film inne hat (bzw. im Notfall aufbauen kann), da es sich ja “nur” um einen Film handelt. Wenn gesichtsloses Soldaten wirklich gesichtslos geschossen werden, dann nimmt uns das weniger mit, als wenn ein Kind die Treppe herunterfällt und sich den Kopf aufschlägt.
Das ist allerdings vergleichbar mit der Realität. Berichte über Kriege und Menschen, die wir nicht kennen, bzw. sich weit weg befinden, werden realisiert, aber sind nicht wirklich emotionalisierend. Zumindest dann, wenn man sie nur konsumiert. Videos auf Liveleak als Beispiel. Es gibt genug Möglichkeiten, echte Menschen sterben zu sehen. Es kann also nicht nur ausreichen, den Krieg so zu zeigen, wie er ist.
Wir brauchen einen Ankerpunkt, der uns mitnimmt.
Doch dann verlassen wir wieder den Krieg an sich, sondern erfahren Mitgefühl am Beispiel weniger, bestimmter Menschen (darum funktioniert Titanic als Katastrophenfilm übrigens so gut).
So z.B. der bereits genannte Die letzten Glühwürmchen, der wenig vom Krieg an sich zeigt. Aber für mich gab es keinen Film über Krieg, der mich mehr mitgenommen hat. Allerdings empfinde ich es auch als unterhaltsam, wenn bei mir Trauer und Tränen provoziert werden, bzw. steht für mich eine Gefühlsregung jeglicher Art beim Filmgenuss im Vordergrund. Ich wollte nicht ausmachen, ich wollte die Geschichte der Kinder bis zum Schluss des Filmes miterleben.
Ob man irgendeinen Film als Antikriegsfilm ansieht, hängt nicht nur von der Definition, sondern auch davon ab aus welcher Sicht man das Geschehen betrachtet. Wenn in Dunkirk Franzosen oder Engländer sterben, dann ist es ein schreckliches Ereignis, denn sie sind in der historischen Betrachtung die Guten und werden im Film auch als solche dargestellt. Wenn hingegen Flieger der Achsenmächte abgeschossen werden, dann sind wir als Zuschauer froh, dass die “Helden” sich eines “Feindes” entledigen konnten. Obwohl es nach wie vor Krieg ist und ein Mensch getötet wurde, der zuhause wahrscheinlich Familie hatte. (Das Todesstern-Dilemma)
Wie soll man also Krieg darstellen, um als Anti-Kriegsfilm zu gelten, bzw. geht das überhaupt?
Hier finde ich schön, dass oben Haneke verlinkt wurde, denn so kann ich mich noch anschaulicher dem widmen, worüber es bei Kriegsfilmen geht: Gewalt. Und Haneke sagte einst, dass man Gewalt als das darstellen muss im Film, was sie ist, unkonsumierbar. Gewalt dürfe dem Zuschauer keinen Spaß bereiten.
Aus meiner Sicht scheitert er aber damit selbst in Funny Games, der zumindest bei mir einen gewissen Kultstatus erreicht hat, ob seiner Tricks, wie er die Gewalt eigentlich beklemmend und schrecklich darstellen wollte. Am Ende macht der Film Spaß und unterhält. Denn das ist ja der Grund, wieso wir uns Filme in erster Linie anschauen. Selbst so ein Brecheisen wie Dogtooth nimmt uns zwar mit und lässt uns Gewalt auf eine andere Art erleben als z.B. Phantom Kommando, aber dennoch ist er auf seine Art und Weise unterhaltsam und erzählt eine interessante Geschichte.
Mein Lieblingsbeispiel ist Django Unchained im Kontext Gewalt. Tarantino schafft es hier nämlich sowohl die überzeichnete Unterhaltungsgewalt zu zeigen (Körper fliegt nach Kugeleinschlag aus dem Zimmer), als auch die schreckliche, auf wahren Begebenheiten beruhende Gewalt (Mandingo-Kampf, Hunde). Und er schafft es sogar, dass man beides richtig einschätzen kann. Trotzdem ist es am Ende ein unterhaltsamer Film und niemand wird deswegen von Gewalt absehen.
So wie auch niemand von Krieg absehen wird, weil er a) einen Kriegsfilm sieht, oder b) echte Kriegsbilder sieht. Ein richtiger Anti-Kriegsfilm ist am Ende nur eines: selbst in den Krieg zu ziehen, seine Kameraden getötet werden sehen und die ersten Menschen erschießen (müssen). Wobei es auch hier aus verschiedenen Gründen Menschen geben wird, die daran gefallen finden, oder die Erfahrung wiederholen möchten.
Wir schauen Horrorfilme, um den Horror in einer sicheren Umgebung zu überleben, ohne wirklich in Gefahr gewesen zu sein. Mit Kriegsfilmen, sei es Propaganda oder Anti-Kriegsfilm ist es doch nicht so viel anders. Soldaten geilen sich in den Kasernen an der ersten Hälfte von Full Metal Jacket auf, aber sobald man selbst den Krieg als solchen miterlebt hat, wer braucht da noch die zweite Hälfte?
Edit: Hier noch ein weiterführender Link, wer sich für die (versuchte) Definition interessiert:
Interessant besonders die drei Zitate am Ende:
“Da aber menschliches Empfinden sehr individueller Natur ist, können identische filmische Szenarien gerade aufgrund der subjektiven Gefühle ganz unterschiedlich bewertet werden. [Das] […] entscheidet darüber, ob ein Film als Kriegs- oder Antikriegsfilm wahrgenommen wird.”
Quelle: Magdalena Kladzinski: Mediale Gestaltungsprinzipien. Wie der Krieg in Bildschirmmedien dargestellt wird. In: Christian Büttner/Joachim von Gottberg/Magdalena Kladzinski: Krieg in Bildschirmmedien, 2004, S. 38.
----> Das entspricht der Meinung, dass es nicht auf den Willen des Regisseurs ankommt, sondern auf das, was der Zuschauer wahrnimmt.
“Ich finde, […] um einen wirklichen Antikriegsfilm zu machen, dürfte er niemals in der Nähe von Schlachtfeldern und Kriegsschauplätzen spielen, sondern eher in menschlichen Umständen, die weit davon entfernt liegen.”
Quelle: Francis Ford Coppola, zitiert nach Lawrence Weschler: Walküren über dem Irak. In: Lettre International, Nr. 71, 2005, S. 102.
----> Das entspricht der Meinung, dass ein Anti-Kriegsfilm nicht den Krieg an sich zeigen darf, sondern sich damit beschäftigen muss, was der Krieg aus den Menschen macht. Stichwort: Kriegstraumata. Also in etwa das, was Rocky I von seinen Nachfolgern unterscheidet.
“[Einen Film gegen den Krieg zu schaffen,] bedeutet, den Krieg so langweilig, ekelhaft, sinnlos und zermürbend wie nur möglich zu zeigen und gleichzeitig zwei Stunden lang von nichts anderem zu erzählen.”"
Quelle: Andreas Kilb, zitiert nach Claudia Mikat: Krieg, Action und die Jugendlichen aus Sicht der Filmprüfung. In: tv diskurs, Nr. 26, 2003, S. 47.
-----> Das entspricht Schröcks Meinung, dass ein Anti-Kriegsfilm nicht unterhaltsam sein dürfe, um die wahren Schrecken des Krieges so darzustellen, wie sie in der Realität sind.
Es herrschen also nicht nur hier Diskussionen über das Thema.