Die Befürchtung, dass es zu Overblocking kommen könnte, ist meiner Meinung nach nicht unbegründet. Es stimmt zwar, dass Nutzer mit der Umsetzung von Artikel 13 nun das Recht hätten, gegen die fehlerhafte Blockierung von erlaubten Nutzungen fremder Werke vorzugehen (z.B. bei Zitaten, Parodien, Kritiken, Reviews). Hierbei sehe ich aber mehrere Risiken, die man in Artikel 13 besser hätte berücksichtigen sollen:
Automatische Filter (die zum Beispiel mit einer Datenbank von perceptual hashes vergleichen) sind nicht in der Lage, solche erlaubten Ausnahmen des Urheberrechts zu erkennen. Selbst Menschen fallen solche Entscheidungen häufig schwer. Dadurch werden solche erlaubten Nutzungen vermutlich zunächst häufig blockiert werden.
Erst auf Antrag wird es einem möglich sein, urheberrechtlich unproblematische Werke auf entsprechenden Platformen zu veröffentlichen. Obwohl man per se überhaupt nichts falsch gemacht hat. Ich kann mir vorstellen, dass Nutzer deswegen davon abgeschreckt werden, solche Werke zu veröffentlichen oder gar zu erstellen (“chilling effects”).
In Art. 13 Abs. 8 heißt es zwar:
This Directive shall in no way affect legitimate uses, such as uses under exceptions and limitations provided for in Union law […]
Das ist meiner Auffassung nach aber nicht realistisch erreichbar, wie ich oben geschrieben habe. Das würde eine einwandfreie Unterscheidung in erlaubte und nicht erlaubte Nutzungen erfordern, die selbst Menschen bei z.B. Parodien schwer fällt.
Zudem könnte es genauso gut dazu kommen, dass die Platformen erklären, die Sperrung wäre aus anderen Gründen als Urheberrechtsverletzungen erfolgt. Die Platformen können natürlich weiterhin gemäß ihrer AGB selbst entscheiden, welche Werke sie veröffentlichen wollen und welche nicht. Das wäre für Platformen sicher der einfachste Weg, solchen Beschwerden zu entgehen. Es würde mich nicht wundern, wenn kleinere Platformen diesen Weg wählten.
Mich würde außerdem interessieren, wie schnell große Platformen wie Youtube solchen Beschwerden nachkommen würden. Wenn es hier um Tage geht, wäre die Einschränkung dadurch natürlich deutlich größer als wenn es um Stunden geht. Man kennt es ja auch von RBTV, wie sehr es sowohl den Nutzer nerven kann, wenn ein VoD mal länger braucht. Aber es würde sicher auch RBTV stören, wenn es nicht an ihnen läge, dass sich ein VoD verzögert.
Besonders bei Streaming-Platformen wie Twitch dürfte sich selbst eine fehlerhafte Sperrung für wenige Stunden deutlich negativ auswirken.
Eine Chance allerdings bestünde hier darin, dass Nutzer auf alternative Platformen als zum Beispiel Youtube ausweichen würden (vielleicht auch solche, die nicht von Artikel 13 betroffen wären, z.B. eigene Platformen). Das würde zu einer wünschenswerten Dezentralisierung des Internets führen. Das ist aktuell aber reines Wunschdenken, denn es ist soweit ich weiß nicht die Absicht des Gesetzgebers.