Mal wieder eine (nicht so) tolle Geschichte aus dem Berufsleben:
Seit ca. einem Jahr betreuen wir in unserer Wohngruppe eine 59-jährige Dame mit Korsakow-Syndrom .
Sie erfährt bisher Tagesstruktur und Beschäftigung in unserer hausinternen Werkstatt, die für Menschen jenseits den Rentenalters und all jene ausgelegt ist, die es warum auch immer nicht schaffen, das Mindestpensum in Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu schaffen.
Sie will aber unbedingt mehr und komplexer arbeiten, weshalb wir Ende letzten Jahres alles in die Wege geleitet haben, damit sie in einer WfMmB beschäftigt werden kann.
Es begann ein Hin und Her, da ihre gesetzliche Betreuerin notwendige Unterlagen nicht zeitnah bearbeitet hatte, irgendwann klar war, dass nicht das Arbeitsamt sondern die Rentenversicherung da zustimmen muss etc.
Und zuletzt bekam sie dann die Ablehnung durch die Rentenversicherung zugeschickt. Die Begründung: der Sachbearbeiter der Rentenversicherung hat aufgrund ihrer Diagnose entschieden, dass die Frau nicht in der Lage sei, ihre Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt noch auszubauen oder zu erhalten.
Scheißegal, was sie früher mal gemacht hat (Elektro-Installateurin, generell viel im Handwerk unterwegs gewesen), scheißegal, dass sie unbedingt arbeiten will (ohne Witz, sie ist da in unserer Einrichtung eher die Ausnahme), scheißegal, dass sie noch eine schöne Jahre beschäftigt werden und so ihre Rente aufstocken könnte.
Nö, wird nicht beachtet, sie hat die und die Erkrankung, ist schon 59 und vor allem: So eine Beschäftigung in einer WfMmB kostet dann die Rentenversicherung wieder richtig Geld.
Es ist manchmal echt nur affig, wie mit Menschen mit Behinderung umgegangen wird. Inklusion am Allerwertesten.
Aber! Wir haben der Betreuerin auf die Finger geklopft, damit sie rechtzeitig Widerspruch einlegt, mit der WfMmB Rücksprache gehalten, damit sie mit unserer Hilfe den Widerspruch argumentativ unterfütten und gestern kam dann ein Schreiben, dass die Rentenversicherung einem ärztlichen Gutachten zugestimmt hat.
Am 21.11. begleite ich die Dame nun zu einem Arzt in der Nähe, der dann hoffentlich feststellt, dass sie ruhig noch arbeiten gehen soll.
Mal abgesehen von dem immateriellen Gewinn, den solch eine Beschäftigung für die Dame hätte: ich hab schon aus Spaß gesagt, dass ich einfach ein paar ihrer Mitbewohner mitnehme zum Arzt, da diese deutlich weniger bzw. gar keine Arbeitsleistung zeigen in der Werkstatt (was ein Fakt ist, aber niemanden stört es, da sie trotzdem beschäftigt werden, Spaß haben und schon sind alle Seiten zufrieden). Und jemandem, der trotz des Korsakow-Syndroms sicherlich noch mehr leisten kann, wird nicht einmal eine Chance gegeben - nicht mal sowas wie ein Praktikum ist möglich. Hop oder Top heißt es und irgendein Sesselpupser entscheidet solch eine krasse Entscheidung. Manchmal frage ich mit echt, welche Gruppe wirklich in welche integriert werden muss…