Sorry, Wall of Text incomming. Wer es nicht lesen will - nicht rummosern, einfach weiterscrollen. Politik ist kompliziert, jeder der da nur 2-3 Sätze Meinung abzusetzen hat, der kann diese Worte auch gleich auf dem Klo lassen.
Der Krieg in Syrien ist viel zu vertrackt, um zu sagen „die sind schuld“ oder „die müssen dort weg“ - dass in Syrien jetzt erst überhaupt etwas passiert, kreiden auch viele an.
Es ist über Jahre nichts passiert (übrigens auch, da Russland sowie China das Waffenembargo & die Flugverbotszone aktiv blockierten) und jetzt haben wir den heißesten Krieg in Nahost seit… keine Ahnung wann.
Und wo ziehen wir da jetzt eine Linie?
Interveniert „der Westen“ nicht, brennt es.
Interveniert „der Westen“, ist er an allen negativen Konsequenzen schuld.
1a Dilemma.
[quote=„anon12989251, post:668, topic:6586, full:true“]
Es geht nicht darum, ob es unumstritten ist, dass dürfte in Russland deren Außenpolitik auch nicht sein, sondern darum, dass die EU (meinetwegen auch Teile, leider gibt es eine Schnittmenge mit der NATO) aus genau den gleichen Gründen irgendwo interveniert.[/quote]
Das habe ich nicht so recht verstanden: aus welchen gleichen Gründen jetzt?
Dem könnte man zustimmen, wenn:
- Russland nicht zuvor die Krim annektiert hätte (nein, das ist nicht diskutabel & auch nicht zu rechtfertigen)
- sich russische Soldaten nicht zuvor in die Ukraine „verlaufen“ hätten (was Putin bereits zugab)
- sich russisches Kriegsgerät nicht in die Ostukraine verirrt hätte (wofür es mehr als genug Beweise gibt)
Von diesem Standpunkt aus kann man Aktionen von russischer Seite nicht unvoreingenommen als humanitären Einsatz ansehen, selbst wenn es einer ist.
Man muss die Aktionen von Regierungen im Kontext ihrer vorherigen Taten oder wahrscheinlichen Absichten sehen, nichts anderes hat man doch auch mit den USA und den Ölfeldern im Irak getan („Öl für Blut“ war damals ein oft genannter Satz in den Medien, der sich übrigens nicht bestätigte, wie man heute weiß).
Das heute nicht mit Russland zu tun, ist einerseits unpraktisch und andererseits auch heuchlerisch, da man es mit den USA in jeder Hinsicht tut.
Alle Schüsse auf dem Maidan müssen aufgeklärt werden, ohne Frage. Dass es leider aufgrund der in der Ukraine immer noch extremen Korruption kaum möglich sein wird, darüber müssen wir uns leider aber im klaren sein.
Problem: der Nachweis, dass auch die Opposition Scharfschützen einsetzte fehlt bisher, der Nachweis dass es die damalige Regierung tat ist jedoch erbracht (Schweizer Scharfschützengewehre wurden nachweislicherweise an die Regierung geliefert und der Einsatz am Maidan ist ebenfalls dokumentiert).
Und das, was dieser Kanadier vor ein paar Monaten zwecks Beweisen gegen die Opposition in einer Studie lieferte, kann man in der Hinsicht kaum wirklich „Beweis“ nennen, da er wirklich krass unwissenschaftlich gearbeitet hat (viele Behauptungen ohne Nachweis, Thesen ohne Relevanz aufgestellt ohne später darauf zurückzugreifen usw. - selbst ich als nur angehender Akademiker greife mir bei dieser „Studie“ eigentlich nur noch an den Kopf). Könnte ich dir auch im einzelnen aufzeigen, aber dafür müsste ich das Ding kommentieren - wofür mir persönlich der Kopf für fehlt, noch dazu weiß ich nicht inwiefern du mit den Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vertraut bist.
Nun steht also die Frage im Raum: wer hat in diesem Bezug nun recht und wem glaubt man tendenziell mehr? Den aufgrund von Korruption nicht vertrauenswürdigen ukrainischen Behörden oder einer mehr als zweifelhaften Studie, die schon handwerklich mehr Fehler aufweist, als einem Studenten im 4. Semester in einer Hausarbeit zum Bestehen passieren dürfen, vom inhaltlichen mal ganz zu schweigen.
Beides keine prickelnde Alternative, da aber eine Seite stakatoartig zweifelhafte Theorien und offenkundige Lügen publiziert, die andere sich in dem Bezug bisher aber vergleichsweise bedeckt hält und sagt „es wird untersucht“, würde ich mein Geld eher auf zweitere Partei setzen - und das sind nun einmal die korrupten ukrainischen Behörden, nicht die der Separatisten oder die russischen.
Dass das medial so verfälscht wurde, ist absolut verwerflich, stimme ich dir komplett zu.
Aber es wurde vom Presserat gerügt und es folgte ein verdienter Shitstorm - das ist doch ein Zeichen für eine halbwegs gesunde Medienumwelt und kritische, mündige Leser, die ihren Medien nicht unwidersprochen alles glauben.
Eine perfekte Medienwelt ist nicht frei von Fehlern, sondern besitzt eben solche neutralen Kontrollorgane wie den Presserat.
Der Weg ist nicht, sich von den Medien abzuwenden und die pauschal als vorbelastet zu betrachten, sondern viele verschiedene zu konsumieren und das Quellenmaterial fundiert selbst zu prüfen, wenn das möglich ist. In dem Fall den du genannt hast, war das sehr einfach - sobald es aber um komplexe Themen geht, wird das deutlich schwerer.
[quote=„anon12989251, post:668, topic:6586, full:true“]
Kurz: Die Europäer sehen sich grundsätzlich bei Einsätzen im moralischen Recht, wenn ein anderer nach gleichen Maßstäben handelt, ist er ein Feind und böse.[/quote]
Das ist von 2 Seiten her grundlegend falsch bzw. zu kurz gedacht.
a) Sehen sich „die Europäer“ kaum allumfassend im moralischen Recht. Ich will hier mal auf den 2. Irakkrieg zurückgreifen, wo es sogar zu diplomatischen Spannungen zwischen den europäischen Staaten (allen voran Frankreich und Deutschland) und den USA gab, weil sich die meisten europäischen Nationen nicht an diesem Einsatz beteiligen wollten. Der Einsatz ist umstritten, war Grundlage zahlloser Demonstrationen und wird noch heute gesellschaftlich mit einer Vielzahl von Positionen völlig offen diskutiert. Gibt noch mehr Fälle.
b) „Der andere“ ist in dem speziellen Falle Russland, welches erstmals seit dem Ende des 2. Weltkrieges die territoriale Integrität eines anderen Landes zu seinen eigenen Gunsten verschoben hat und - nach allem was wir wissen - einen Krieg auf fremdem Territorium mit Soldaten und Kriegsgerät befördert.
Obendrein betreibt Russland aktuell eine beispiellose Militarisierung seiner Gesellschaft (>5% des BIP gehen in das Militär, nur China & Nordkorea geben mehr aus), eine Gleichschaltung der Presse (muss ich wohl nicht ausführen, die Anzahl der Zeitungen ins Russland die NICHT dem Kreml gehören kann ich an meiner linken Hand abzählen) und vernachlässigt gefährlich seine Wirtschaft (alles ist von Rohstoffpreisen abhängig) und damit auch seine innere Stabilität.
Der Beurteilungsmaßstab ist ein anderer, weil eine Partei einfach gerade mit dem Feuer neben dem Ölfass spielt. Und die andere Partei wird von allen anderen sowieso für Mist befunden, weil es egal ist, was sie tut - sie macht das falsche. Wieder Beispiel Syrien gibt es 2 Optionen:
1: Intervenieren. Reaktion: „Böser Westen, greift in fremde Konflikte ein und ergreift Partei für den falschen!“.
2: Nicht intervenieren. Reaktion: „Böser Westen, wie kann er das so eskalieren lassen!“
Beides(!) kann man als Kritik im Syrienkonflikt als Meinung vertreten, beides auch mit sehr guten Gründen, da es für beides gute Beispiele in der jüngeren Vergangenheit gibt und die Natur des Konfliktes bisher schwer vergleichbar ist.
Dazu später, ich muss los.