Bye-bye UK. Der Brexit ist da

Sorry, Wall of Text incomming. Wer es nicht lesen will - nicht rummosern, einfach weiterscrollen. Politik ist kompliziert, jeder der da nur 2-3 Sätze Meinung abzusetzen hat, der kann diese Worte auch gleich auf dem Klo lassen.

Der Krieg in Syrien ist viel zu vertrackt, um zu sagen „die sind schuld“ oder „die müssen dort weg“ - dass in Syrien jetzt erst überhaupt etwas passiert, kreiden auch viele an.
Es ist über Jahre nichts passiert (übrigens auch, da Russland sowie China das Waffenembargo & die Flugverbotszone aktiv blockierten) und jetzt haben wir den heißesten Krieg in Nahost seit… keine Ahnung wann.

Und wo ziehen wir da jetzt eine Linie?
Interveniert „der Westen“ nicht, brennt es.
Interveniert „der Westen“, ist er an allen negativen Konsequenzen schuld.
1a Dilemma.

[quote=„anon12989251, post:668, topic:6586, full:true“]
Es geht nicht darum, ob es unumstritten ist, dass dürfte in Russland deren Außenpolitik auch nicht sein, sondern darum, dass die EU (meinetwegen auch Teile, leider gibt es eine Schnittmenge mit der NATO) aus genau den gleichen Gründen irgendwo interveniert.[/quote]

Das habe ich nicht so recht verstanden: aus welchen gleichen Gründen jetzt?

Dem könnte man zustimmen, wenn:

  • Russland nicht zuvor die Krim annektiert hätte (nein, das ist nicht diskutabel & auch nicht zu rechtfertigen)
  • sich russische Soldaten nicht zuvor in die Ukraine „verlaufen“ hätten (was Putin bereits zugab)
  • sich russisches Kriegsgerät nicht in die Ostukraine verirrt hätte (wofür es mehr als genug Beweise gibt)

Von diesem Standpunkt aus kann man Aktionen von russischer Seite nicht unvoreingenommen als humanitären Einsatz ansehen, selbst wenn es einer ist.
Man muss die Aktionen von Regierungen im Kontext ihrer vorherigen Taten oder wahrscheinlichen Absichten sehen, nichts anderes hat man doch auch mit den USA und den Ölfeldern im Irak getan („Öl für Blut“ war damals ein oft genannter Satz in den Medien, der sich übrigens nicht bestätigte, wie man heute weiß).
Das heute nicht mit Russland zu tun, ist einerseits unpraktisch und andererseits auch heuchlerisch, da man es mit den USA in jeder Hinsicht tut.

Alle Schüsse auf dem Maidan müssen aufgeklärt werden, ohne Frage. Dass es leider aufgrund der in der Ukraine immer noch extremen Korruption kaum möglich sein wird, darüber müssen wir uns leider aber im klaren sein.

Problem: der Nachweis, dass auch die Opposition Scharfschützen einsetzte fehlt bisher, der Nachweis dass es die damalige Regierung tat ist jedoch erbracht (Schweizer Scharfschützengewehre wurden nachweislicherweise an die Regierung geliefert und der Einsatz am Maidan ist ebenfalls dokumentiert).
Und das, was dieser Kanadier vor ein paar Monaten zwecks Beweisen gegen die Opposition in einer Studie lieferte, kann man in der Hinsicht kaum wirklich „Beweis“ nennen, da er wirklich krass unwissenschaftlich gearbeitet hat (viele Behauptungen ohne Nachweis, Thesen ohne Relevanz aufgestellt ohne später darauf zurückzugreifen usw. - selbst ich als nur angehender Akademiker greife mir bei dieser „Studie“ eigentlich nur noch an den Kopf). Könnte ich dir auch im einzelnen aufzeigen, aber dafür müsste ich das Ding kommentieren - wofür mir persönlich der Kopf für fehlt, noch dazu weiß ich nicht inwiefern du mit den Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vertraut bist.

Nun steht also die Frage im Raum: wer hat in diesem Bezug nun recht und wem glaubt man tendenziell mehr? Den aufgrund von Korruption nicht vertrauenswürdigen ukrainischen Behörden oder einer mehr als zweifelhaften Studie, die schon handwerklich mehr Fehler aufweist, als einem Studenten im 4. Semester in einer Hausarbeit zum Bestehen passieren dürfen, vom inhaltlichen mal ganz zu schweigen.
Beides keine prickelnde Alternative, da aber eine Seite stakatoartig zweifelhafte Theorien und offenkundige Lügen publiziert, die andere sich in dem Bezug bisher aber vergleichsweise bedeckt hält und sagt „es wird untersucht“, würde ich mein Geld eher auf zweitere Partei setzen - und das sind nun einmal die korrupten ukrainischen Behörden, nicht die der Separatisten oder die russischen.

Dass das medial so verfälscht wurde, ist absolut verwerflich, stimme ich dir komplett zu.
Aber es wurde vom Presserat gerügt und es folgte ein verdienter Shitstorm - das ist doch ein Zeichen für eine halbwegs gesunde Medienumwelt und kritische, mündige Leser, die ihren Medien nicht unwidersprochen alles glauben.
Eine perfekte Medienwelt ist nicht frei von Fehlern, sondern besitzt eben solche neutralen Kontrollorgane wie den Presserat.
Der Weg ist nicht, sich von den Medien abzuwenden und die pauschal als vorbelastet zu betrachten, sondern viele verschiedene zu konsumieren und das Quellenmaterial fundiert selbst zu prüfen, wenn das möglich ist. In dem Fall den du genannt hast, war das sehr einfach - sobald es aber um komplexe Themen geht, wird das deutlich schwerer.

[quote=„anon12989251, post:668, topic:6586, full:true“]
Kurz: Die Europäer sehen sich grundsätzlich bei Einsätzen im moralischen Recht, wenn ein anderer nach gleichen Maßstäben handelt, ist er ein Feind und böse.[/quote]

Das ist von 2 Seiten her grundlegend falsch bzw. zu kurz gedacht.

a) Sehen sich „die Europäer“ kaum allumfassend im moralischen Recht. Ich will hier mal auf den 2. Irakkrieg zurückgreifen, wo es sogar zu diplomatischen Spannungen zwischen den europäischen Staaten (allen voran Frankreich und Deutschland) und den USA gab, weil sich die meisten europäischen Nationen nicht an diesem Einsatz beteiligen wollten. Der Einsatz ist umstritten, war Grundlage zahlloser Demonstrationen und wird noch heute gesellschaftlich mit einer Vielzahl von Positionen völlig offen diskutiert. Gibt noch mehr Fälle.

b) „Der andere“ ist in dem speziellen Falle Russland, welches erstmals seit dem Ende des 2. Weltkrieges die territoriale Integrität eines anderen Landes zu seinen eigenen Gunsten verschoben hat und - nach allem was wir wissen - einen Krieg auf fremdem Territorium mit Soldaten und Kriegsgerät befördert.
Obendrein betreibt Russland aktuell eine beispiellose Militarisierung seiner Gesellschaft (>5% des BIP gehen in das Militär, nur China & Nordkorea geben mehr aus), eine Gleichschaltung der Presse (muss ich wohl nicht ausführen, die Anzahl der Zeitungen ins Russland die NICHT dem Kreml gehören kann ich an meiner linken Hand abzählen) und vernachlässigt gefährlich seine Wirtschaft (alles ist von Rohstoffpreisen abhängig) und damit auch seine innere Stabilität.

Der Beurteilungsmaßstab ist ein anderer, weil eine Partei einfach gerade mit dem Feuer neben dem Ölfass spielt. Und die andere Partei wird von allen anderen sowieso für Mist befunden, weil es egal ist, was sie tut - sie macht das falsche. Wieder Beispiel Syrien gibt es 2 Optionen:
1: Intervenieren. Reaktion: „Böser Westen, greift in fremde Konflikte ein und ergreift Partei für den falschen!“.
2: Nicht intervenieren. Reaktion: „Böser Westen, wie kann er das so eskalieren lassen!“

Beides(!) kann man als Kritik im Syrienkonflikt als Meinung vertreten, beides auch mit sehr guten Gründen, da es für beides gute Beispiele in der jüngeren Vergangenheit gibt und die Natur des Konfliktes bisher schwer vergleichbar ist.

Dazu später, ich muss los.

2 „Gefällt mir“

Wenn ich das richtig aus deinen Worte lese, hat also die EU einem bekannten Russlandfreund gesagt Entscheide dich zwischen uns und dem. Als er sich überraschender Weise dann für seinen Freund entschieden hat, kam der Bürgerkrieg.
Meine Frage ist jetzt: Warum musste er sich entscheiden? Er hätte doch auch mit beiden Geschäfte machen können. Aber wir mussten Russland unbedingt an Bein pinkeln.

Inwiefern? Russland hat sich seine geopolitischen Ziele gesteckt dun diese gesichert. Und unter uns gesagt, die sind recht klein, betrachtet man den globalen Anspruch von China und USA. Russland hatte hauptsächlich seinen Schwarzmeerhafen gesichert, den es bis dato gepachtet hatte, und nun nicht mehr sicher sein konnte, diese Pacht verlängern zu können. Kindliches Verhalten sieht für mich anders aus.[quote=„Cynaballe, post:670, topic:6586“]
Dem könnte man zustimmen, wenn:…
[/quote]

Ich spreche nicht von einem durchgängigen humanitären Akt, sondern von einem/zwei konkreten Lieferungskonvois, die bei uns gleich als russische Invasion aufgefasst wurde. All deine Punkte trafen im übrigen danach zu, der Konvoi war recht früh in der Krise. Diesbezüglich sei anzumerken, das unser Part des Eingreifens in der Unterstützung der Maidandemonstrationen lag (politisch wie finanziell haben wir da gut geholfen). Russlands Aktionen kamen meines Wissens erst nachdem das ganze so ausgeufert ist.

Bzgl. Schüssen: Die Regierung KANN geschossen habe, vielleicht war sie es auch nicht. Ist mir ehrlich gesagt wumpe. Mir ging es um unsere Presse zu der Zeit, die keinen Zweifel daran gelassen hat, dass das Regierungsauftrag sei. Wohl gemerkt weit bevor da irgendwas was untersucht wurde.
Grundsätzlich noch das hier:

Bei mir ging alles davon aus. Kriegsmache wird von den Medien betrieben und einigen Politikern seit einiger Zeit, inkl. Bundespräsidenten. Kurz gefasst scheinen alle irgendwie intervetionsgeil zu sein.
Ich sehe desweiteren auch keinen großen Unterscheid zwischen Staatsmacht stürzen/Grenzen verschieben und Krieg beginnen/beitreten.

Ferner sehe ich Russland zu keiner Zeit als die Guten an, beide Seiten haben verwerflich gehandelt, aber bei uns sehe ich hauptsächlich die Meinung vertreten, alles gegen die Russen ist gut, weil Russland böse ist. Dieses Denken scheint mir von vielen Redakteuren/Medienschreibern, was auch immer noch direkt aus dem kalten Krieg zu kommen. Völlig unreflektiert bzgl. der eigenen Handlungen. (Ging jetzt gegen die „Hetze“)

Die Militarisierung Russland ist im übrigen recht fragwürdig begründet. 5% des BIP, in einem Land mit recht geringen BiP. Die Militärausgaben der Nato sind 10x so hoch und steigen deutlich weiter. Und die Nato sieht sich ja offensichtlich bis heute als Gegenpart zu Russland, deswegen der Vergleich. Kurzer Vergleich Russland hat 2013, cih weiß etwas veraltet, rund 87 Mrd-$ ausgegeben. Absolut betrachtet 3. Platz weltweit. Deutschland steht an Platz 7 mit ca 48-Mrd, Frankreich und Britannien davor, heißt aber auch, dass allein die drei zusammen mind. 50% mehr für Militär ausgeben als Russland.
Quelle:Sipri

Prozentual gesehen natürlich weniger, wobei angemerkt werden muss, dass laut NATO-Richtlinien/Beschluss/Vertrag jedes Land zu mind. 5%-des BiP verpflichtet ist, hält sich nur kaum keiner dran. D.h. Russland hat die Quote, die wir vertraglich für notwendig gehalten haben, um uns zu verteidigen.

Und nochmal: es geht mir nicht darum Russland als den guten Burschen hinzustellen, es geht mir darum ihn nicht unreflektiert als den alleinig ewig Bösen hinzustellen. Und zur Reflektion gehört auch eine kritische Betrachtung von uns, und dazu gehört nicht zu sagen, dass von unserer Seite keine Kriegsmache und Aktionen ausgehen.

Woah, 2 mal an einem Tag so nen Text schreibe ich für gewöhnlich nur, wenn ich Hausarbeiten schreibe oder mich die Muse mal wieder küsst.

[quote=„anon12989251, post:671, topic:6586“]
Ich spreche nicht von einem durchgängigen humanitären Akt, sondern von einem/zwei konkreten Lieferungskonvois, die bei uns gleich als russische Invasion aufgefasst wurde. All deine Punkte trafen im übrigen danach zu, der Konvoi war recht früh in der Krise. [/quote]

Gut, dann mal ausführlich zu dem Konvoi:
Es konnte nur ein kleiner Teil des Konvois vom roten Kreuz inspiziert werden. Diese inspizierten Fahrzeuge enthielten angeblich aus „ladungstechnischen Gründen“ nur jeweils wenige Paletten Güter, das hätte man notfalls mit nem Sprinter transportieren können.

Nun stellt sich mir als Mensch mit logischem Denken dann folgende Fragen:
a) warum durften nicht alle LKW vom Roten Kreuz inspiziert werden, wenn sie nur Hilfsgüter enthielten?
b) warum wird auf einem LKW-Typ, der 12 mal (!) die Rallye Dakar gewonnen hat (Distanz, Gewicht und Terrain sind dabei deutlich anspruchsvoller als im vorliegenden Fall, wo es quasi nur auf der Straße geradeaus ging) nur wenige Paletten verladen? Noch dazu mit der mehr als eigenartigen Begründung, dass man diese Kapazität für den Fall eines „liegenbleibens“ von LKWs frei hält (wo jeder mit ein wenig Ahnung von Logistik anfängt mit lachen).
c) warum parkten diese LKW vor einer Maschinenfabrik, welche zufälligerweise auch essenzielle Teile für die russische Rüstungsindustrie produzierten?
d) warum wurde exakt diese Fabrik fast zur selben Zeit angeblich „unter Feindfeuer“ demontiert und nach Russland verschifft, obwohl in der Region keine Kampfhandlungen zu verzeichnen waren? (Das russische Staatsfernsehen hat dies urigerweise selbst dokumentiert - seltsamerweise aber nicht das Verladen & den Transport nach Russland)

Nach Einschätzung von anwesenden Journalisten, welche man übrigens nicht einmal in die Nähe des Parkplatzes besagter Fabrik ließ, waren die LKW beim Verlassen des Geländes beladen.
Warum sollten wir also glauben, dass es lediglich ein Hilfskonvoi war?

Sehen wir der wahrscheinlichsten Tatsache doch mal ins Auge:
Im besten Falle waren die Hilfsgüter dieses Konvois das Feigenblatt, das Putin mindestens für die Evakuierung ukrainischer Produktionsanlagen benötigt hat, weil Russland diese Fertigungsanlagen nicht selbst ohne ausländische Hilfe reproduzieren kann.
Im schlimmsten Falle waren in den nicht inspizierten LKW militärische Hilfsgüter UND man hat im Nachgang noch ukrainische Industrie demontiert.

Beide Optionen machen diesen Konvoi absolut verwerflich.

Auf was spielst du gerade hier an?
Dass politisch in den Verhandlungen mit der Ukraine Fehler begangen wurden, kann man nicht leugnen. Spielst du auf die 30mrd US-Subventionen an, die Nuland mal in einer Rede erwähnt hatte?

Du benutzt außerdem eine Täter/Opfer-Umkehr, indem du die russischen Aktionen direkt als Reaktionen rechtfertigst & du vernachlässigst jede Relation - auf handelspolitische Aktionen mit der Annektion von ukrainischem Territorium und dem losbrechen eines Krieges im Land zu reagieren ist so weit voneinander weg, dass das schon absurd wirkt.

[quote=„anon12989251, post:671, topic:6586“]
Inwiefern? Russland hat sich seine geopolitischen Ziele gesteckt dun diese gesichert. Und unter uns gesagt, die sind recht klein, betrachtet man den globalen Anspruch von China und USA. Russland hatte hauptsächlich seinen Schwarzmeerhafen gesichert, den es bis dato gepachtet hatte, und nun nicht mehr sicher sein konnte, diese Pacht verlängern zu können. Kindliches Verhalten sieht für mich anders aus.[/quote]

1.) der Hafen war bis 2047 rechtlich sicher gepachtet
2.) die Ukraine hätte sich ein Aufkündigen dieses Vertrages rein ökonomisch nicht leisten können und
3.) in Noworossijsk gibt es einen weiteren russischen Militärhafen.

Bitte, das Märchen vom angeblich „gefährdeten Schwarzmeerzugang“ kann ich echt mittlerweile nicht mehr hören, das ist einfach nicht haltbar.

Also geht es dir gar nicht um die Wahrheit, sondern nur darum, dass die Medien in diesem Falle etwas als denkbar bzw. Wahr bezeichnet haben, was sich erst im Nachgang zu 100% als Wahrheit herausgestellt hat?
Denn dass Maidan-Aktivisten aktiv den eigenen Leuten in den Rücken geschossen haben, das ist bisher nicht im Ansatz so klar belegt wie die Tatsache, dass Berkut-Einheiten auf Demonstranten geschossen haben.

Du begehst wieder einen massiven Fehler: du vergleichst absolute Zahlen.
Rüstungszahlen sind aber schon bewusst in Relation zum BIP gesetzt, da es nur so Sinn macht - denn für 5.000 USD bekommst du in den USA deutlich weniger an Rüstungseffekt als in Russland für dieselbe Menge USD.
Für 20.000€ (Schätzung) bekommst du in den USA & in D einen einzigen Soldaten ausgestattet, in Russland vielleicht 5 (Zahl aus der Luft gegriffen, keine Gewähr). Also stellt Russland mit 20 Mio USD vielleicht schon eine ganze Staffel an Soldaten zusammen, während du mit dieser Zahl in Deutschland vielleicht noch einen kleinen Zug ausgebildet bekommst.

Daher sind die Rüstungsausgaben in Relation zum BIP das einzige wirklich zuverlässige Vergleichsmittel, da sie nur damit vergleichbar sind - ansonsten nimmst du an, dass eine sogenannte „Kaufkraftparität“ vorliegt, die man in der Realität kaum vorfindet.
Beispiel: in Russland beträgt die durchschnittliche Rente was um die 8.000 Rubel, das sind in Deutschland etwas mehr als 120€. Und ich weiß nicht wie es dir geht, aber davon kann man in Deutschland vielleicht einen Monat lang mit Müh und Not das Essen für 2 Personen bezahlen, aber keine Miete, keinen Strom, kein Wasser, kein Fernsehen, keine Kleidung… verstehst du, was ich meine?

[quote=„anon12989251, post:671, topic:6586“]
Und nochmal: es geht mir nicht darum Russland als den guten Burschen hinzustellen, es geht mir darum ihn nicht unreflektiert als den alleinig ewig Bösen hinzustellen. Und zur Reflektion gehört auch eine kritische Betrachtung von uns, und dazu gehört nicht zu sagen, dass von unserer Seite keine Kriegsmache und Aktionen ausgehen.[/quote]

Sicher gibt es aggressive Stimmen in der EU - sehen wir nach Polen mit der PiS, überlegen wie viele Zivilisten durch einen von einem deutschen Oberst angeordneten Luftschlag in Afghnanistan 2010 herum umgekommen sind, kritisieren völlig zurecht deutsche Waffenexporte, betrachten britische Militäreinsätze im Irakkrieg kritisch und bringen völlig zurecht ein vermukstes Freihandelsabkommen zu Fall, das aller Wahrscheinlichkeit in seiner derzeitigen Form keinen breiten Wohlstandszuwachs gebracht hätte.

Wir müssen aber in jeder(!) Richtung kritisch sein.
Und Russland gehört als europäischer Staat dazu, muss in jeder Hinsicht berücksichtigt und einbezogen werden. Das steht außer Frage, ich bin dafür mit Russland zu reden, anstatt es zu isolieren. In dieser Hinsicht mag ich Angela Merkels Pragmatismus wirklich sehr - und ich bin beileibe kein CDU-Wähler.

ABER: Russland hat Probleme, die es externalisiert (sprich: nach außen trägt). Und es ist zu 100% von Rohstoffpreisen abhängig (die sog. „Ressourcenfalle“ - der oft genannte „Verdienst“ von Putin ist kein Verdienst, sondern ein krasses Versagen, da es lediglich auf dem Preis für Ressourcen basiert, der die letzten 10 Jahre sehr hoch war, jetzt die letzten Jahre eingebrochen ist und auf absehbare Zeit nicht über die Deckungsgrenze der Russen steigen wird).

Der korrekte Umgang mit diesem Problem wäre eine Modernisierung der Industrie, aktive Bekämpfung der staatlichen Korruption und breite Zusammenarbeit mit allen anderen Ländern. Russland könnte wirtschaftlich heute deutlich größer sein als Deutschland und GB zusammen, krebst aber auf dem Niveau von Italien herum - nicht weil es nicht mehr könnte oder die Leute in Russland irgendwie dumm wären. Nein, sondern weil einfach jede Investition in der Korruption versumpft und zusätzlich extreme Probleme wie die Demografie einfach massiv vernachlässigt werden.

Von dieser Korruption profitiert Putin und jeder seiner Oligarchen jedoch massiv. Und damit diese Cashcow noch weiter bestehen kann, wird die Presse gleichgeschaltet, politische Widersacher ermordet oder eingeknastet, das Militär ausgebaut und das eigene Geld ins Ausland geschafft. Zugleich kann man übrigens einen extremen Braindrain beobachten, denn Akademiker verlassen in Scharen das Land, die russischen Universitäten forschen nur noch bestenfalls auf Sandkastenniveau, selbst zu Sowjetzeiten waren diese noch teilweise weltweit angesehen.
Und Schuld an einer wirtschaftlichen Krise ist immer der andere: der „böse Westen“.

Wenn du gut genug englisch kannst, dann kann ich dir einen Text von Dr. Yakow Mirkin, der das IMEMO (ein russisches Forschungsinstitut) leitet, empfehlen:

http://eng.globalaffairs.ru/number/Foreign-Policy-Locked-in-Economic-Nutshell-17885

Der Mann weist in Russland schon seit vielen vielen Jahren auf die Einseitigkeit der russischen Wirtschaft hin und dass es so einfach nicht weitergehen kann. Das sind keine irgendwie „gekauften“ Worte westlicher NGOs, wie es so oft kritisiert wird - der Mann ist Russe und führt ein vom russischen Staat finanziertes Institut. Versuche, es inhaltlich zu kritisieren - es wird dir nicht gelingen, weil es schlichtweg die Wahrheit ist.

Russland driftet aktuell krass in eine selbstverschuldete Krise - und das würde „den Westen“ wohl kaum kümmern, wenn da nicht wären:

  • Ukraine (ein Konflikt, den Russland eröffnet hat, obwohl sie diesen mit Diplomatie hätten lösen können)
  • Georgien (ein Konflikt, den sie nicht verursacht haben, aber bei Bedarf weiter befeuern, sobald Georgien sich der EU zuwendet)
  • Atomwaffen (von denen Russland nach wie vor die meisten weltweit besitzt)
  • Syrien (solange sie Assad halten, ist Frieden da unten nur ein schöner Traum)
  • das Festhalten an sowjetischen „Einflusssphären“ (incl. der damit verbundenen Negation der Souveränität dieser Länder)
  • unterstützen von EU-kritischen Stimmen wie dem Front National in Frankreich
    und und und, die Liste könnte ich noch bedeutend weiter führen.

Geht Russland krachen, kracht es auch bei uns - nicht weil wir wirtschaftlich so verbandelt sind, dass Europa ein so starkes Einbrechen des russischen Marktes nicht kompensieren könnten, sondern weil die externalisierten Faktoren der untergehenden russischen Oligarchie eine so starke Gefahr für Europa als ganzes darstellen.

Und Europa (also „wir“) können das nicht übersehen, vernachlässigen oder durchgehen lassen - wir können nicht zulassen, dass die alten Sowjetzeiten wieder aufleben, incl. Vasallenstaaten und Drohgebärden, auch wenn man in Russland diese mangels historischer Aufarbeitung dieser Zeit gerne wiederhaben wollen würde.

Denn wenn wir das weiterdenken, haben wir dann wieder eine zweigeteilte Welt, keine geeinte.

Schlusswort von mir dazu, um den Kreis mal zu zu machen (den Kram zu schrieben dauert schließlich deutlich länger, als wenn ich es aussprechen würde):
Die Welt ist nicht schwarz/weiß, aber manche Dinge wie der Brexit oder die russische Politik (außen- wie innenpolitisch) sind rational gesehen kompletter Irrsinn. Es hat einen Grund, dass so viele Menschen auf der Welt nach Europa wollen - wir sind im weltweiten vergleich einfach fucking reich, haben keinen Krieg und kein unmittelbares Konfliktpotenzial außer das, was wir uns selber schaffen.
Und aktuell sind jene, die mit diesem Konfliktpotenzial Stimmung machen (völlig egal, ob wir da von Pegida-Rentnern, der AfD, Compact & dem Kopp-Verlag oder sogar Teilen der Linkspartei reden) auch die, die dieses Konfliktpotenzial schüren und damit auf Stimmenfang gehen. Das macht es übrigens auch so schwierig: man kann rechten Unsinn und linken Unsinn kaum noch auseinanderhalten.

PS: @anon12989251: ich werde maximal noch antworten, wenn etwas neues kommt. Ich habe weiß Gott genug von deinen Argumenten debunked, die man teilweise problemlos auch mittels Wikipedia hätte wiederlegen können.
Ich werde also nicht darüber diskutieren, ob die Krim nun annektiert wurde oder nicht, denn diese Tatsache ist - wie der Name schon sagt - ebenso eine Tatsache wie meine leere Kaffeetasse und damit indiskutabel.
Ich gehe mir also nen Kaffee holen, bis später. :stuck_out_tongue:

€dit: Post nummer 666 - bin ich jetzt Satanist oder was?

2 „Gefällt mir“

Nachtrag: Freihandel hat Gewinner und Verlierer, generiert allerdings in seiner grundlegenden Eigenschaft einen größeren Kuchen (VWLer sprechen von „größerer gesamter Wohlfahrt“). Verwerflich ist Freihandel nur dann, wenn die Verlierer nichts durch den größer werdenden Kuchen zumindest mit ihrer vorherigen Situation gleichgestellt werden und die Gewinner von ihrem größeren Stück nichts abgeben. In einem fairen Freihandelsabkommen hat theoretisch jeder mehr, da Ressourcen effizienter genutzt werden können.

Es ist also ein menschliches Problem, kein generelles Problem von Freihandel - afrikanische Ökonomen (und nahezu jeder, der eine fortgeschrittenere volkswirtschaftliche Bildung besitzt) drängt seit Jahrzehnten auf „less aid, more trade“, weil Afrika nur so eine Chance hat, endlich vom „Entwicklungskontinent“ zu einer halbwegs relevanten Wirtschaftszone aufzusteigen.

Ich geh mal von unten nach oben:
Du missverstehst mich deutlich. Wie ich bereits sagte, ich zweifel nicht daran, das Russland scheiße baut. Auch nicht daran, dass es seine Bevölkerung mundtot macht oder eine de-facto-Diktatur ist. Auch sehe jedewede Verletzung von anderen Souveränitäten als kritisch an. Dazu gehört die Krim, dazu gehört Georgien. Und schuld daran hat mitnichten der “böse Westen” sondern Russland.
Aber diese Beispiele greifen mir zu kurz, wenn man ein allgemeines Bild zeichnen will, wie es um die EU bestellt ist. Fakt ist, jede Seite hat Dreck am Stecken, da nützt auch deine Intervenierungsargumentation [quote=“Cynaballe, post:672, topic:6586”]
Und Europa (also “wir”) können das nicht übersehen, vernachlässigen oder durchgehen lassen - wir können nicht zulassen, dass die alten Sowjetzeiten wieder aufleben, incl. Vasallenstaaten und Drohgebärden
[/quote]

nichts. Wenn sich ein Land in den Fuß schießen will, bitte soll es das. Aber das ist keine Täter/Opfer -Verdrehung die du mir unterstellst, dass sind schlussenldich lediglich Täter und Opfer in einer Person, nicht jedes Opfer ist unschuldig, nicht jede Tat das pure Böse.

Drei Punkte noch weil sie mich explizit stören:

  1. [quote=“Cynaballe, post:672, topic:6586”]
    Du begehst wieder einen massiven Fehler: du vergleichst absolute Zahlen.
    [/quote]
    Das ist kein Fehler, das ist eine andere Betrachtung. Meine Betrachtung hat die Schwäche, mit der angesprochenen Kaufkraftparität, deine hat die Schwäche das sich %-Zahlen nur ungut vergleichen lassen, insb wenn es indirekte Zahlen sind. Im Grund geht es ja nicht um die Militärausgaben sondern um das Militär selbst. Deine Zahlen sagen schlicht nur aus, das Russland arm ist, weil eben schon kleine absolute Mengen hohe % ausmachen. Die USA z. B haben knapp 3-4%, aber wohl ein vielfaches an militärischer Schlagkraft. zum einen weil ihr BiP absurd viel höher ist zum anderen wegen der Kaufkraft. Ich sehe zumindest nicht wie ein Vergleich von prozentualen Angaben mit unterschiedlichen Basen etwas über den grad der Militarisierung aussagt. (Anmerkung: ich weiß, das die Russen militärgeil sind und ganz bestimmt nicht zu wenig davon besitzen) Aber wie gesagt zwei Betrachtungen. um die Militärausgaben wirklich vergleichen zu können müssten sie Kaufkraft bereinigt sein, bis sie das nicht sind, nützten auch Prozentangaben nicht, weil eben das BiP diese Bereinigung nicht in sich trägt

Punkt 2.

[quote=“Cynaballe, post:672, topic:6586”]
Russland driftet aktuell krass in eine selbstverschuldete Krise - und das würde “den Westen” wohl kaum kümmern, wenn da nicht wären:

  • Ukraine (ein Konflikt, den Russland eröffnet hat, obwohl sie diesen mit Diplomatie hätten lösen können)[/quote]

Wie ich bereits mehrfach sagte, der Konflikt ging meines Dafürhaltens vom europäischen Vertragsdruck aus. Sofern du nicht zufällig meinst, dass das auch die Russen zu verschulden haben, werden wir uns hier nicht einig

  • Georgien (ein Konflikt, den sie nicht verursacht haben, aber bei Bedarf weiter befeuern, sobald Georgien sich der EU zuwendet)

Gott sie dank haben wir noch noch Konflikt erhalten oder zu unserem Vorteil genutzt. Der komplette Nahe Osten ist Zeugnis, dass diese Annahme nicht stimmt. Um den Bundespräsidenten Köhler inhaltlich zu zititiren, wir führen Wirtschaftskriege, nicht mit ihr sondern für sie.

  • Atomwaffen (von denen Russland nach wie vor die meisten weltweit besitzt

Und? Soll sie das jetzt noch böser machen? Versteh das Argument nicht.

  • Syrien (solange sie Assad halten, ist Frieden da unten nur ein schöner Traum)

Unter Assad gab es lange Frieden.(auch wenn er Diktator ist) Wenns dir um die Politik mit einem Diktator geht, da hat unsere jüngste Geschichte natürlich auch kein Wissen von oder? Gadaffi, Hussein und Co waren gute Kunden, heute sind es Saudi-Arabien und China sowie mittlerweile die Türkei. Und gemessen an deiner eigenen Anschauung, die ich dir jetzt mal unterstelle, auch immernoch Russland.

  • das Festhalten an sowjetischen “Einflusssphären” (incl. der damit verbundenen Negation der Souveränität dieser Länder)

Da sind NATO-Staaten schon weiter, sie dehnen ihre alten Einflussphären aus, entgegen anders lautender Versprechen. Und ich weiß, das die NATO was anderes als die EU ist, leider sind die Schnittstellen so groß. Bei Russland ist das einfacher, da es nur sich selbst hat.

  • unterstützen von EU-kritischen Stimmen wie dem Front National in Frankreich
    und und und, die Liste könnte ich noch bedeutend weiter führen

Bis zu dem Zeitpunkt des Verbots selbiger Parteien und Organisationen in den entsprechenden Ländern steht es für mein Dafürhalten jedem frei zu unterstützen was er will. Auch wenn ich jeden entsprechenden Wähler für kurzsichtig und weltfremd halte, gestehe ich es ihm zu. genaugenommen ist so eine “Partnerschaft” (Parteienpolitik über Ländergrenzen hinweg) die Basis unseres Politiksystems in Europaparlament, schließlich unterstützen sich die linken, rechten, liberalen Parteien aller Länder gegenseitig.

Punkt 3:

Also geht es dir gar nicht um die Wahrheit, sondern nur darum, dass die Medien in diesem Falle etwas als denkbar bzw. Wahr bezeichnet haben, was sich erst im Nachgang zu 100% als Wahrheit herausgestellt hat?

Korrekt erkannt. Urteile bevor die Sachlage überhaupt ansatzweise überprüft wurde sind verwerflich. Ich verhau auch keinen, weil ich meine er hätte mich gestern beklaut. ich warte das Gerichtsverfahren. Die Medien haben gleich zugeschlagen. Dabei geht die Wahrheit doch gleich mitbaden. Gleiches gilt übrigens auch mit den Hilfslieferungen. Ich bin nie davon ausgegangen, das das reine oder auch nur hauptsächliche Hilfslieferungen waren, aber noch bevor die Sache überprüft war (und die Prüfung dauerte wirklich nicht lange), war der Russe schuldig.

Da ich aber eher das Gefühl habe wir reden aneinander vorbei auch hier mein Schlusswort: Es gibt auch in Europa (EU) Hetze und Kriegstreiberei. Es gibt offene und verdeckte Korruption. Es gibt Verletzungen der Souveränität anderer Länder. Das ist verwerflich.
Gleiches gibt es auch anderswo, dort ist es AUCH verwerflich und zwar in dem Maßen, wie es dort auftritt. Deswegen werde ich es nicht hinnehmen, das andere Länder für ihr verhalten an den Pranger gestellt werden, während gleiches Gebaren bei uns als moralisch richtig hingestellt wird.

Edit Freihandel: Theorie und Praxis. Gäbe es in Afrika den Freihandel ohne Einmischung der Staaten(Also eine Regulierung) kann dieser Kontinent sich gleich die Karten legen lassen, es wird aus der Armut kaum hervorkommen, weil die Big Player, es dermaßen in den Boden stampfen werden, das da keine Konkurrenz hervorkommt.
Meines Wissens ist man deshalb auch überall dazu übergegangen den Freihandel durch durch eine Art soziale Marktwirtschaft/ regulierten Handel zu ersetzen. Es gibt meines Wissens zu dazu keine Ausnahme, lasse mich aber gern belehren.
Anmerkung: Freihandel sehe ich als Begriff für absoluten freien Handel/Wettbewerb, also kein Eingreifen vom Staat.

Fall noch Gesprächsbedarf besteht, meine PN ist jederzeit offen.

nja das ständige provozieren der nato und anderer nationen vor allem über und an der ostsee ist für mich schon ziemlich kindisches und bockiges verhalten, genauso wie die weitere unterstützung der rebellen in der ostukraine. das kapitel krim ist ja von allen seiten eigentlich schon längst ad acta gelegt, aber die provokationen (von beiden seiten) halten an.

Es ist keine zu 100% perfekte Betrachtungsweise, aber so etwas findet man in der VWL generell eher selten.

Fakt ist aber, dass es der wohl einzige greifbare und für jeden ermittel- & verstehbare Wert ist, den man in dieser Diskussion überhaupt ansetzen kann und in jeder Hinsicht aussagefähiger als der absolute Wert ist. Das ist keine „andere Sichtweise“, jeder VWL-Dozent/Lehrer/Prof haut dir das schneller um die Ohren als du schauen kannst, wenn du absolute Zahlen und relative Zahlen beliebig je nach Sichtweise interpretierst - denn bei absoluten Zahlen kannst du genau das nicht tun, da dir schlicht jede Relation fehlt.

Ganz simples Beispiel:
Land 1 hat 250 Millionen Euro an Verteidigungsetat - 1 Mio pro Soldat macht 250 Soldaten.
Land 2 hat nur 50 Millionen Euro, bekommt aber 20 Soldaten aus 1 Mio - damit hat Land 2 also 1.000 Soldaten und somit 4 mal so viele Soldaten. Dasselbe gilt für Panzer, Flugzeuge, Waffen, Munition… und Waffentechnologie kann Russland ja herstellen, das ist einer der wenigen Bereiche in denen Russland stellenweise sogar Marktführer besitzt.

Es ist ein Täter/Opfer-Tausch, wenn du Russlands Aggressionen als bloße Reaktionen bezeichnest. Die Annexion der Krim ist eine Aggression, keine Reaktion. Eine Reaktion wären diplomatische Gespräche, wirtschaftliche Maßnahmen, maximal noch wirtschaftliche Sanktionen - aber keine Verletzung vertraglich garantierter Staatsgrenzen und dem Unterstützen von Separatisten mit Kriegsgerät und Truppen. Dass die EU Fehler in den Verhandlungen mit Janukowytsch gemacht hat ist eine Meinung, die auch ich vertrete. Aber die russische Reaktion war quasi das ziehen einer Feuerwaffe in einem einfachen Nachbarschaftsstreit um die Äpfel des Apfelbaumes, der genau an der Grenze steht - also völlig überzogen.

Von daher geht dieser Konflikt keineswegs auf das Konto der EU, sondern auf jenes von Russland. Denn es hätte genug Mittel und Wege gehabt, in dieser Sache eine zeitgemäße und diplomatische Lösung ohne Blutvergießen oder Annexion zu finden. Die Welt hat viele Grautöne - aber nur wenn die eine Seite zu hart verhandelt, darf die andere noch lange nicht zu den Waffen greifen und zuschlagen. Das hat man zur Zeit vor dem 1. Weltkrieg getan, als Krieg noch ein politisches Mittel zur Durchsetzung von Interessen aller Art war. Heute hat man die Grenzen seines Nachbarlandes zu akzeptieren und diese nicht gewaltsam zu verschieben.
In diesem Falle ist die deutlich grauere Seite auf der russischen Seite, das hat nichts mit irgendwelchen medialen Hasskampagnen oder dergleichen zu tun, diese krasse Distanz zwischen den Verhandlungsfehlern der EU und der Russischen Aggression sind unter heutigen Gesichtspunkten und heutigen internationalen Standards des Umgangs der Staaten untereinander eindeutig zu interpretieren: Russland hat trotz verfügbarer diplomatischer Alternativen ein Nachbarland angegriffen, einen Landesteil widerrechtlich besetzt und schürt einen Krieg in diesem Land.
Und da ist auch nichts zu diskutieren, nichts irgendwie schön zu reden mit „auch die EU hat schuld“, nein - Russland hat trotz unblutiger & erfolgversprechender Alternativen einen Krieg vom Zaun gebrochen.

[quote=„anon12989251, post:674, topic:6586“]
Und? Soll sie das jetzt noch böser machen? Versteh das Argument nicht.[/quote]

Nicht „böse“, sondern „instabil“.
Wenn Russland keine Kernwaffen, sondern nur konventionelle Waffen besitzen würde, würde ich mir deutlich weniger Sorgen machen.

Um mal ein Beispiel aus der Realität zu bringen:
glaubst du, dass die Südkoreaner sonderlich happy sind, direkte Nachbarn eines diktatorischen Regimes zu sein, von dem man ausgeht dass es in den nächsten 20 Jahren zusammenbricht und welches über eine unbekannte Zahl Atomsprengköpfe verfügt, die vermutlich hauptsächlich auf die Hauptstadt Seoul zeigen?

Und das ist es, wohin sich Russland unter Putin entwickelt: in eine unberechenbare Diktatur, von der niemand weiß wohin sie sich entwickeln wird, bei der aber quasi alle ökonomischen Zeichen auf Zusammenbruch stehen. Aktuell befeuert Putin die Radikalen und baut eine Musterdiktatur nach sowjetischem Vorbild, weil es ihm nützt und seinen Machtanspruch sichert - solange er da ist, wird da nix passieren, da bin ich mir recht sicher.

Aber wer soll folgen, wenn er irgendwann weg ist?
Schirinovski?
Dugin?
Ein noch radikalerer Politiker?

[quote=„anon12989251, post:674, topic:6586“]
Gott sie dank haben wir noch noch Konflikt erhalten oder zu unserem Vorteil genutzt. Der komplette Nahe Osten ist Zeugnis, dass diese Annahme nicht stimmt. Um den Bundespräsidenten Köhler inhaltlich zu zititiren, wir führen Wirtschaftskriege, nicht mit ihr sondern für sie.[/quote]

a) der Nahostkonflikt ist sehr viel komplexer als du ihn hier darzustellen versuchst und kaum mit dem Georgienkonflikt vergleichbar (in Georgien gibt es weniger Parteien, Religion spielt keine Rolle usw…)
b) kannst du mir sicherlich auch näher ausführen, in welchem Ausmaß der Nahostkonflikt von "dem Westen"™ zur Erhaltung von „Einflussphären“ o.ä. aktiv genutzt wurde.

[quote=„anon12989251, post:674, topic:6586“]
Da sind NATO-Staaten schon weiter, sie dehnen ihre alten Einflussphären aus, entgegen anders lautender Versprechen. Und ich weiß, das die NATO was anderes als die EU ist, leider sind die Schnittstellen so groß. Bei Russland ist das einfacher, da es nur sich selbst hat.[/quote]

Die NATO kann ihre Einflusssphäre gar nicht aktiv ausdehnen, da die Beitrittsinitiative von den beitrittswilligen Ländern ausgehen muss. Funny Story dazu: vor dem Ukrainekonflikt wollten die Ukrainer mehrheitlich keinen Beitritt zur NATO.
Guess what wie die heute dazu stehen.

Die NATO hat ihre Mitgliederschaft außerdem nie auf irgendwelche Ländergrenzen beschränkt. Worauf du anspielst ist diese angebliche Aussage von Genscher/Kohl/Bush/Baker, dass sich die Nato nicht nach Osten ausdehnen werde.

Wer diese Aussage tätigte, ist übrigens nach wie vor unklar, da es lediglich aus einem geheimen Vermerk hervorging, den man um 2010 herum fand - man geht davon aus, dass es Genscher war, da er ähnliche Positionen bereits in Reden vertrat.

Diese sogenannte „Tuzinger Formel“ interpretierst du allerdings grundlegend falsch.

Erstens:
Keiner der besagten Politiker - auch nicht alle zusammen - hatten eine Befugnis, etwas bindendes für die zukünftige Aufnahme von Staaten in die NATO zu versprechen. Auch logisch wäre das Irrsinn, oder wie würde es dir gefallen, wenn ein einzelner Politiker plötzlich Bündnissysteme von dutzenden Staaten auf einige Dekaden festsetzen würde?
Das ist so ziemlich das, was man als diktatorische Handlung bezeichnen würde.

Zweitens:
Genscher, Kohl, Bush und auch Gorbatschow und Baker haben alle gewusst, dass jedem(!) Staat, der die Schlussakte der KSZE-Konferenz von Helsinki 1976 unterzeichnet hatte, eine freue Bündniswahl zugestanden werden musste. Unterzeichner waren alle Staaten (so sie bereits existierten), die heute auch NATO-Staaten sind, also z.B. Polen, Tschechien, Ungarn, alle baltischen Staaten sowie Albanien und Kroatien (Liste möglicherweise nicht Vollständig, ich bin gerade zu Faul Wikipedia aufzumachen).

Drittens:
Diese Randnote ist kein Bestandteil eines Vertrags oder Abkommens. Wenn sie es gewesen wäre, hätte es einen Konflikt mit besagter Schlussakte gegeben, der spätestens mit der Wiedervereinigung & dem damit nach Osten verschobenen Grenze der BRD, allerspätestens aber automatisch 1998 mit dem Beitritt Polens thematisiert worden wäre.

Außerdem muss ich mir mal gerade massiv an den Kopf fassen… unter Assad Jr. ist Syrien etwas anders als unter seinem Vater.

Unter seinem Vater gab es Frieden, weil er zwar ein Diktator war, aber eine gewisse „Balance“ zwischen den Minderheiten und der sunnitischen Mehrheit wahren konnte.

Sein Sohn allerdings hatte dieses Gleichgewicht gekippt und hatte zugleich zusätzlich noch 2 Faktoren, die gegen ihn liefen:
1.) der arabische Frühling
2.) die bereits lange schwelende Enttäuschung über durch ihn versprochene Reformen, die er letztlich doch nicht umsetzte.

Weiterhin hatte er den Fehler gemacht, die alleinige Schuld an den Protesten von 2011 offen allgemein sunnitischen Islamisten zu geben, was bei der überwiegend sunnitischen Bevölkerung eher negativ ankam. Sein Vater hatte still und heimlich seinen säkularen Überwachungsstaat betrieben, sein Sohn setzte eine verallgemeinernde Beschuldigung gegenüber der Mehrheit seiner Bevölkerung in die Welt, befeuerte damit sogar noch die Proteste im eigenen Land und damit auch die Spaltung in der eigenen Bevölkerung.

Und jetzt mal kurz in eigener Sache, den Rest schenk ich mir einfach mal, weil es nicht besser wird:
Sorry, wenn das etwas patzig oder sogar arrogant rüberkommt, aber ich stelle mir gerade ganz ehrlich die frage, ob es allgemein noch etwas bringt hier großartig mit dir zu schreiben.

Grund:
Schon die Sache mit der Tuzinger Formel ist seit einer ganzen Weile schon geklärt, Assad Jr. unter den gegebenen Vorraussetzungen objektiv kaum als ein Friedensgarant zu bezeichnen und… ja, deine Ausführungen sind zu einem so großen Teil einfach so derbe allgemein, dass ich den Eindruck habe mit nem gerade so volljährigen Politikwissenschaftsstudenten im 1. Semester zu schreiben, der meint die Welt verstanden zu haben.

Ich will dir bei deinen Standpunkten nicht erst einmal die Hintergründe des ganzen Konfliktes erklären müssen, um dir aufzuzeigen dass du da gerade gedanklich in eine etwas seltsame, weil absolut unlogische Richtung tendierst, einfach weil dir Fakten fehlen. Zu dem Schluss kannst du auch kommen, wenn du dich mal auf Wikipedia beliest, zu manchen Themen auch mal frei zugänglichen discussion papers von Wissenschaftlern querliest oder auch ganz simpel in der nächsten Bibliothek mal ein Sachbuch zu internationalen Krisenbeziehungen ausleihst.
Ansonsten machst du dich in jeder Gesprächsrunde mit politisch interessierten & belesenen Personen doch komplett zum Obst, weil dein Standpunkt allein schon durch die Faktengrundlage umfällt. :sweat:

PS: Und nein, Freihandel ohne Eingreifen des Staates wäre so ziemlich worst-case und auch nicht im Sinne der Befürworter von Freihandel - Stichwort „Marktversagen“ ist ein völlig freier und unreglementierter Markt prädestiniert für Krisen, Ungleichheit und einen ganzen Sack von weiteren negativen Folgen, die in keiner Relation zum durch einen sinnvollen Freihandel erreichen Mehrwert stehen.

Danke und gute Nacht…

Großbritanniens Rückzahlung der Schulden von 25 Milliarden Euro wird nun zum entscheidenden Faktor für den EU-Austritt.

https://global.handelsblatt.com/breaking/exclusive-britain-has-a-e25-billion-e-u-bill-outstanding

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Oha.

Aus Sicht der Brexitgegner tendenziell ein Segen, wenn daraus die abgeleitete Strategie langfristig „bleiben statt zahlen“ und in der Folge „erneutes Votum in einigen Jahren“ lautet (von dem ich persönlich ausgehe, dass es anders enden würde - die negativen Auswirkungen des Brexitvotums sieht man schon jetzt, ohne dass überhaupt der Prozess in Gang gesetzt wurde) - 25 mrd. kann England wohl kaum aus der Portokasse zahlen, ohne woanders massiv einzusparen. Zahlen sie es aber nicht, bricht das Rating ein und man kann in London eigentlich nur noch das Licht ausmachen.

Aus Sicht der Brexit-Befürworter eine Blamage, für die mit Sicherheit wieder wahlweise „die EU“, „die Eliten“, „die Politiker“ oder eine Mischung aus allem daraus besteht. Eventuell sucht man sich aber auch einen Geldgeber (z.B. USA), mit dem man dann über die nächsten Jahre zu agieren gezwungen ist. Was wiederum dieses ganze herumgelüge der Brexiteers von wegen „british autonomy“ ad absurdum führen würde. :sweat:

Aber interessant, wie May das ganze behandeln wird. Ein direktes triggern von Art. 50 wird damit aber wohl nach wie vor direkter politischer Selbstmord sein, egal wer es macht - langfristig ist es das nicht-triggern aber auch, weil einem dann ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Bevölkerung aufs Dach steigt.

Ein Job, den ich aktuell nicht haben wollen würde: Premierminister von England.

Communitymanager bei den Rocketbeans. Wird garantiert schlimmer.

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Vor stalkenden Chadlurkern hätte ich weniger Angst als vor „besorgten Bürgern“ :smile:

Ich würde ihn nehmen, dann sind die Auswirkungen des Brexits für mich zumindest finanziell erträglicher

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Tja, etwas zu spät.

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Bleed kamma a sein.
Erst ein faules Ei legen, ausbrüten und dann sagen “Das Kind ist aber hässlich”. Muss man nicht verstehen.

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Das liest sich alles nicht wirklich so, als würde das Parlament dem Brexit-Vorschlag zustimmen :thinking:

Es ist sp absurd witzig und so tragisch zugleich. Da macht sich ein Land kaputt, weil die Mehrheit einer knappe Mehrheit der wählenden Bevölkerung auf Lügen von Konservativen/Rassisten rein gefallen sind. Nichtsdestotrotz haben die Torys es so verdient, dass die jetzt vor aller Augen untergehen. Nur blöd das Labour das nicht nutzt.

Naja. Wenn die Briten dann zurückgekrochen kommen, weil die zu nem failed state werden, können wir denen wenigstens ihr Pfund weg nehmen.

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Inwiefern? Labour ist doch momentan so stark wie lange nicht mehr in den Umfragen?

Labour hat keine wirklich klare Haltung zum Brexit. Ich denke, er meint nicht die Umfragen, sondern dass sich Labour klarer gegen die Brexit-Befürworter positionieren sollten.

Aktuelle Verteilung im Parlament:

Quelle

Sieht schlecht aus.

Exakt.