Immer mal wieder gibt es in den allgemeinen Diskussions-Fäden ein Bedürfnis, über die kleinen und großen Fragen des Lebens zu sinnieren. Hier kann man das nach Herzenslust tun, ohne sich selbst wieder einfangen und auf ein ursprüngliches Sachthema zurück besinnen zu müssen.
Reflektion und Kritik zu den Philosophen der Geschichte soll dabei ebenso erwünscht sein wie eigene Positionen. Und niemals vergessen: Fragen zu stellen ist mindestens genau so wichtig wie Antworten zu finden.
Und als Aufschlag, weil das aus meiner eigenen Erfahrung jeder ein bisschen anders sieht:
Wie halten wir es mit der Natur der Welt? Besteht das Universum aus kausalen Zusammenhängen, die man mit den entsprechenden Mitteln aufdröseln und so theoretisch alle Zukunft vorhersagen könnte? Und wenn es hingegen unvorhersehbare Variablen gibt - wo kommen die her?
Ich selbst sehe mich als Materialisten - ich glaube, es gibt nichts jenseits der vorhandenen, im Kern physikalischen Zusammenhänge. Keinen Gott, und wohl auch keinen ‚freien Willen‘ im Sinne eines Funken, der keinen Auslöser braucht und einfach so aus sich entsteht (die Definition dessen ist dann aber auch schon wieder wieder ein neues Thema).
Ich halte aber auch die inneren Grenzen unserer Erkenntnis für zu eng, um das jemals stichfest überprüfen zu können. Vielleicht ist das auch gar nicht nötig und die Lektion über unsere eigenen Grenzen ist die eigentlich wichtige.
Ah sehr gut,
Glaube, auch ich habe öfter mal nach einem Philosophie-Thread geschrien.
Danke für die Umsetzung
Da stellst du letztlich ja die Frage nach (absolutem) Determinismus.
Und nach den Grenzen der (unserer) Erkenntnis.
Mit der Newtonschen Physik war natürlich alles einfach und im Grunde streng deterministisch… …das Universum als großer Billard-Tisch… …theoretisch und unter Kenntnis aller Telchenbewegungen ist jeder Zustand bis in alle Zukunft im Voraus berechenbar.
Nur ist das offenbar „nicht alles“ und „genügt nicht“.
Wir nennen es dann Quantenmechanik und Superposition und auf einmal ist die Zukunft nur noch eine Wahrscheinlichkeitsfunktion. Zumindest auf mikroskopischer Ebene.
Woher diese „Unsicherheit“ und ggf. letzte Chance des Freien Willens kommt…
…keine Ahnung.
Ich halte das für zu gut untersucht und erforscht alsdass man es auf Messtoleranzen/-ungenauigkeiten oder das Versagen unserer Instrumente im Kleinsten schieben könnte.
Es ist vermutlich eine tatsächliche Grenze unserer Erkenntnis.
Ein Vorhang, hinter dem der Funke des Freien Willen zünden könnte…
…oder hinter dem einfach nur ein weiterer (deterministischer) Mechanismus steckt, den wir nicht zu erkennen vermögen.
Wir werden es -vermutlich- nicht erfahren.
Ich glaube auch nicht an einen „Gott“ im engeren (religiösen) Sinne.
Aber was hinter dem (o.g.) „Vorhang“ steckt, können wir halt nicht wissen.
Wie wir das dann nennen, ist erstmal nur Konvention.
„Gott“ setzt für mich aber implizit eine denkende, bewusste und absichtsvolle Entität voraus.
Das lehne ich ebenso ab.
Jedoch: Wenn unser Universum sich unendlich erstecken sollte…
…also räumlich und zeitlich unbegrenzt ist (wie steht ihr dazu?)…
…sagt allein die Wahrscheinlichkeit, dass jede Konfiguration von Teilchen auch zwingend vorkommen wird… …so unwahrscheinlich sie auch statistisch ist… …der Multiplikator „+inf“ macht die Existenz zu 100% sicher.
Also auch (unendlich viele) Kopien dieser Galaxie, inkl. uns… …aber auch jeder denkbaren Abwandlung.
…und auch etwas, was wir, vielleicht „Gott“ nennen könnten… …oder zumindest „mächtiges Wesen“… …allein deshalb, weil im großen Würfelspiel der Teilchenkonfigurationen in der Unendlichkeit von Raum und Zeit zwingend mal der noch so unwahrscheinliche 6er-Pasch (mit 10^80 Würfeln) fallen muss.
Soviel erstmal zu meinen Gedanken.
Schöner Thread. Danke.
Und ich hoffe auf zahlreiche Beteiligungen von unseren Forenphilosophen, hier
Mein grundsätzliches Problem mit dem Determinismus ist ethischer Natur: Wenn es keinen freien Willen gibt, dann kann ich auch niemandem Verantwortung für seine Taten zuschreiben.
Metaphysische Fragen bilden allerdings keinesfalls den Schwerpunkt meines philosophischen Interesses. Da ist mir zu viel Spekulation dabei.
Ja. Bzw. macht es jedwede Betrachtung eines „Sinns“ oder „Unsinns“, „Gut“ oder „Böse“ per se unmöglich.
Es ist dann so wie es ist und es sein muss.
Inklusive dieser Sätze, die wir hier tippen.
Inklusive deiner Überlegungen nach „Schuld“ und „Verantwortung“
Inklusive des Ergebnisses deines Nachdenkens und deiner Schlussfolgerung, dass Determinismus deshalb für dich sehr problematisch ist. Das alles wäre ja auch determiniert.
Von vorn herein.
Vom Entstehen des Universums an wäre dieser Satz hier bereits „festgeschrieben“.
Ich selbst bin da Verfechter der Many-Worlds-Theory (Interpetation der QM), die zwar an sich einen Determinismus (in jedem einzelnen Universum) in Betracht zieht, in dem aber jedes mögliche Ergebnis einer jeden „Quanten-Superposition“ in einem eigenen „Paralleluniversum“ zur Realität wird.
Ja, das geht mir genau so.
Die Frage nach dem Ursprung des Willens und was ihn letztlich bewegt ist für mich auch in erster Linie eine Abstraktionsübung. Im Konkreten erfährt der Mensch jeden Tag, was für ihn jedenfalls erscheinen muss wie ein freier Wille und muss daran gemessen werden.
Ohne mir anmaßen zu wollen, Astrophysik zu verstehen - so wie ich das wahrnehme, weiß man doch ganz gut Bescheid über die räumliche Ausdehnung des Universums als Ganzes. Aber wenn das Universum ohnehin räumlich unbegrenzt wäre, wohin soll es sich dann ausdehnen?
Und wenn die Wahrscheinlichkeit gegen 1/inf läuft?
Die Beschreibung dessen, was passiert ist, ist schon ziemlich akkurat. Also, dass mal alles auf sehr kleinen Raum konzentriert war und sich dann mit Überlichtgeschwindigkeit ausgebreitet hat. Warum und wieso ist eher das Problem. Ich mein, bis 380k Jahre nach dem Urknall können wir ja zurückschauen.
Ich habe (schon im Thread und nun nach kurzer Nachforschung noch viel mehr) bemerkt, dass ich noch viel weniger weiß als ich dachte.
Kosmologie ist echt krass.
ja, das ist immer das Problem, wenn man sich in ein Thema ein bisschen vertieft…
…dann merkt man umso mehr, was man alles noch nicht weiß und wo noch Lücken der (eigenen und generellen) Erkenntnis sind.
Finde ich auch krass.
Es sind halt auch alles „nur“ Modelle (oder Theorien).
Modelle sind ja explizit gerade nicht deckungsgleich mit der Realität.
Wir erklären uns Beobachtung X halt mit Modell/Theorie Y.
So lange das passt und gute Vorhersagen macht… …lassen wir es dabei.
Aber was hätten wir dann denn sonst? Der Mensch versucht ja sein Umfeld verstehen und er benutzt dafür die Dinge, die ihm zur Verfügung stehen (also Sprache, Zahlen, etc.). Ich würde dabei nicht sagen, dass wir Beobachtung X mit Theorie Y erklären. Würde auch nicht sagen, dass wir Beobachtung X mit Theorie X erklären. Ich gehe da ziemlich mit Kant und sage, ähnlich wie du, dass wir die Realität selbst nie erfahren können, da wir immer unsere Erkenntnisse mit in unsere Erfahrungen unseres Umfeld miteinbeziehen. Kant nennt das Noumenon, also das „Ding an sich“. Wir orientieren uns aber an unseren Erfahrungen der Dinge und leider haben wir keine anderen Methoden. Leider müsste man da sagen. Nietzsche redet auch darüber, dass unsere Formulierungen über etwas minderwertiger sind als unsere direkten Erfahrungen. Ich denke wir sind da in einer Zwickmühle in der uns nichts anderes übrig bleibt, als diese Mittel zu nutzen.
Ein Gedanke, der mich häufiger im Alltag ereilt, wenn ich über Menschen mit Depressionen und die Gesellschaft, in der sie leben, nachdenke:
„Die Normalen sind die Kränkesten und die Kranken die Gesündesten. […] Wie glücklich der, der einen Schmerz hat, wenn ihm etwas fehlt. Wir wissen ja, wenn der Mensch keinen Schmerz empfinden würde, wäre er in einer sehr gefährlichen Lage. Aber sehr viele Menschen, also die „Normalen“, sind so angepasst, die haben so alles, was ihr Eigen ist, verlassen. Die sind so entfremdet, […] so Roboter-haft geworden, dass sie gar keinen Konflikt mehr empfinden. Das heisst ihr wirkliches Gefühl, Liebe oder Hass, ist schon so verdrängt, so verkümmert, dass sie das Bild einer chronischen, leichten Schizophrenie bilden.“
Hört sich für mich an als würde er „normal“ mit „funktionieren“ gleichsetzen, was ich durchaus verstehe. Du musst dich leider dem System zu einem gewissen Grad unterwerfen, damit du in ihm Leben kannst. In erster Linie ist es im Kapitalismus „Arbeiten gehen“ alles andere wäre dann sozialer Druck, wie „wann heiratest du“ oder „wann hast du Kinder“. Es gibt ein gewisses Ideal, was sich innerhalb von Gesellschaften manifestiert und nach dem man zu streben hat. Aber dieses Normalsein sehe ich da halt als Ideal. Ich würde bezweifeln, dass es Menschen gibt die in diesem Sinne komplett normal sind, dass sie zu 100% diesem Ideal entsprechen.
Hier stellt sich doch imo die Frage: „ideal“ für wen?
Individuell kann es doch kaum als ideal gelten, sich einem System zu 100% anzupassen und seine eigenen Wünsche/Bedürfnisse komplett unterzuordnen.
Hier ist halt fraglich, mit welchen „Messwerten“ man das hypothetische Ideal dann überhaupt ausdrücken möchte.
Sollte nicht „individuelles Glück“ ein maßgeblicher Faktor eines individuellen Ideals sein?
Und gerade nicht „Angepasstheit an ein System xy“ ?
Sogesehen finde ich die ursprüngliche Aussage
prinzipiell nicht falsch.
Aber viele Menschen leiden imo unter chronischen Schmerzen (so to speak), weil es eine unvereinbare Diskrepanz zwischen dem Ideal der Anpassung und dem Ideal als Individuum gibt.
Und sobald der Schmerz zu Leid wird, würde ich doch gerade nicht mehr von „glücklichsein“ sprechen, wie oben zitiert.