Serial – Season 1:
Habe diese Staffel vor einigen Jahren das erste Mal gehört und wollte jetzt mal zurückgehen um zu schauen, wie ich den Fall heute auffasse. Und muss hier jetzt schnell meine Meinung dazu irgendwie niederschreiben.
Als ich die Serie damals hörte dachte ich: „Mann, Mann… wirkt wirklich sehr verzwickt. Einer dieser Fälle wo man wirklich nicht weiss was da vorgefallen ist…“
Und wie sehe ich es heute?
Nun… bin überrascht, wie sehr sich meine Meinung geändert hat. Damals war es irgendwie 50/50. Adnan ist vielleicht der Mörder, er ist es vielleicht nicht. Keine Ahnung, dachte ich damals. Heute habe ich eine wirklich andere Ansicht.
Er ist sehr wahrscheinlich der Täter.
Der Fall der hier aufgerollt wird ist eigentlich sehr viel stärker, als es die Podcast-Macher erscheinen lassen. Denn: Wir haben einen Zeugen, Jay! Wir haben jemand, der sagt er war dabei, als Adnan die Leiche versteckte! Und der Zeuge hatte Informationen die er der Polizei gab, die er nicht einfach so aufgeschnappt haben konnte! Und es gibt sehr viele Details, welche einfach nicht zusammen passen, wenn Adnan unschuldig wäre.
Und ehrlich, diese letzte Episode macht für mich übrigens mein Argument schon fast selber.
Wir hören da drei Meinungen: Eine Meinung von jemandem der denkt, Adnan hat es wohl getan. Die zweite Meinung von jemandem, der denkt der Fall sei absolut nicht klar genug und es gäbe andere, logische Erklärungen. Und die dritte von der Erzählerin selber, welche auch sagt, dass sie tendenziell denkt, Adnan sei wohl unschuldig. Und diese drei Meinungen machen etwas sehr deutlich: Der FALL ist relativ klar, dass Adnan mit hoher Wahrscheinlichkeit der Mörder ist.
Denn hier ist die Perspektive welche die Erzählerin bringt:
Manchmal denkt sie, Adnan habe es getan. Manchmal nicht. Als Jury Mitglied hätte sie ihn wohl freisprechen müssen. Aber auch im Alltag denkt sie meistens, dass er es nicht getan hat. Wegen all den kleinen Unstimmigkeiten, aber auch, weil sie Adnan glaubt. Sie hat lange und viel mit ihm geredet und er kommt ihr ehrlich rüber. DAS, sind wir ganz ehrlich, ist ein Schlusswort welches relativ klar zeigt, dass sie einfach emotional von ihren Gesprächen mit Adnan den Eindruck erhielt, dass er ehrlich sei. Beweistechnisch ist das NICHTS. Das ist wertlos. Und der Podcast sprich an diversen Stellen an, wie wenig es bringt solchen Eindrücken nachzugehen, weswegen ich es sehr interessant finde, dass DAS ihr Schlusswort ist.
Dann gibt es die Person, welche sagt der Fall sei viel zu schwach und es gäbe eine bessere Erklärung. Sie schlägt vor, man soll die DNA testen, welche man bei Hae gefunden hat, denn sie KÖNNTE zu einem Serienmörder gehören, welcher in der Nähe zu einer ähnlichen Zeit sein Unwesen trieb. Klingt plausibel, oder? Nun… abgesehen davon, dass dieser Serienmörder ein Sexualstraftäter wäre, und an Hae null Spuren von Sexuellen Übergriffen gefunden wurde. Und dass dieser Serienmörder oft seine Morde im Zusammenhang mit Einbrüchen verübt, was bei Hae nicht der Fall war. Und dass dieser „Erklärung“ so ziemlich ALLES ignoriert was wir über den Fall wissen. Inklusive der Rolle von Jay, dem Zeugen. Das ist kein Detail, das ist ein LOCH. Ein Loch welches nur entsteht, weil die Person offenbar nach einer alternativen Erklärung sucht. Man soll mich nicht falsch verstehen: Man soll die DNA Untersuchung unbedingt machen! Jedem Hinweiss nachgehen, auf jeden Fall. ABER sind wir auch ehrlich: Diese „Hypothese“ passt wirklich nicht zu den Fakten des Falles.
Und dann gibt es die Person welche sagt, dass es Adnan vermutlich war. Und diese Person erklärt einfach, dass es viele Punkte gibt, welche wirklich einfach gegen Adnan sprechen… und wenn sie diese Aufzählt macht sie klar, was für ein unglaublicher Unglücksvogel Adnan an diesem einen Tag gewesen sein musste. Wie unglaublich viel Pech er gehabt haben musste. Und so sehr Jays Aussagen auch offensichtliche Löcher enthält… wenn er lügen würde, hätten wir plötzlich noch viel grössere Löcher.
Sage ich, dass ich 100% sicher bin, dass es Adnan war. Nein. Aber denke ich, dass die Macherin dieses Podcastes wohl übers Ziel hinausgeschossen hat und plötzlich das „big picture“ aus den Augen verloren hat? Dass sie sich an Details anfing aufzuhängen, weil sie Adnan glaubte, und dann ignorierte, dass Jays Zeugenaussage ein Beweisstück ist, welches viel, viel stärker ist, als sie es eigentlich darstellt? Jaaaaa… ehrlich gesagt, jetzt im Nachhinein wirkt es auf mich tatsächlich so. Und auch ehrlich gesagt: Ich habe nicht mehr gross den Eindruck, dass dieser Fall wirklich grössere Lücken hat, als es vermutlich die meisten Fälle hätten, wenn man sie derart unter die Lupe nehmen würde. Leute erinnern sich falsch an Ereignisse, manchmal lassen sich gewisse Dinge nicht mehr 100% nachkonstruieren… aber passt das „big Picture“ (wie sie es selber im Cast oft fragen)? Nun… ja. Tut es in diesem Fall.
Vielleicht bin ich auch inzwischen etwas voreingenommen, weil die letzten Jahre mehr und mehr klar gemacht haben, wie schädliche diese Art von „true crime“ Shows sein können und dass sie oft sehr viel mehr Schaden als Gut anrichten.
Und ehrlich… vermutlich war es ein Fehler von mir, dieser Serie die Clicks nochmals zu geben. Denn wenn ich ja schon weiss, wie problematisch sie sind, warum dann überhaupt wieder dahin gehen.
Ehrlich gesagt, ich habe diese Serie nie wirklich als eine dieser „true crime“ Shows wahrgenommen. Während dieses Genre inzwischen einen eher schlechten und vor allem unseriösen Ruf hat, habe ich „Serial – Season 1“ immer als sehr seriösen, recht objektiven Jornalismus angesehen. Ja, eine Serie welche dann schlechte und unseriöse Nachahmer hatte, welche das Genre in Verruf zogen… aber nicht dass „Serial“ selber diese Fehler auch hat.
Aber die letzten Folgen machten mich dann schon immer unsicherer und muss sagen, dass ich gegen Ende dann doch realisierte, wie viel persönliche Meinung und Bias da mit rein gebracht wurde… und wie sehr die Erzählerin Beweise unterschiedlicher Stärke versucht auszugleichen, nur damit die Story der „unsicheren Beweislage“ wirklich hält.
Ich weiss, dass inzwischen auch Kritik rausgekommen ist, dass die Macher die Beweise nicht 100% korrekt oder vollständig präsentiert hatten… aber ehrlich, solche Kritik muss ich eigentlich gar nicht haben. Wenn man sich den Cast anhört (was ich nicht mehr empfehlen würde, aus ethischen Gründen… zumindest Staffel 1), und wirklich, wirklich kritisch mitdenkt und sich nicht von den emotionalen Aspekten leiten lässt, dann finde ich dass der Fall gegen Adnan alleine schon auf der Basis des Castes viel stärker ist als ich erst dachte.
Wie gesagt, ich schreibe dieses Review eigentlich nur, um meine Gedanken dazu etwas abzuladen. Ich verstehe nach wie vor, warum dieses Gerne plötzlich so explodiert ist. Und ich will der Macherin auch überhaupt keine bösen Absichten unterstellen. Aber vermutlich hat diese Staffel dann doch zu mehr Net-Negativem als Positivem geführt. Darum von mir für diese Staffel inzwischen keine Empfehlung mehr.