Nun bin ich auch noch mit den letzen paar Texten fertig geworden.
Zu meinen Anmerkungen möchte ich noch sagen, dass ich durchaus als harter, aufs negative fixierter Kritiker bekannt bin. Dementsprechend konzentriere ich mich vor allem auf die Aspekte, die in meinen Augen nicht funktioniert haben.
Falls jemand Kritik an der Kritik üben möchte, oder nähere Fragen, auch zur Bewertung des eigenen Textes hat, stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.
Ingo’s Trio
Ganz ordentlicher Grundgedanke, der aber mehr schlecht als recht aufgelöst wird. Der Aufbau ist zu langwierig und kommt mir gestelzt vor, die Versöhnung am Ende viel zu plötzlich und kitschig-fröhlich. Die Gemeinschaft der WG wirkt sehr erzwungen und unnatürlich, seine Freunde geben viel zu schnell nach, zumal er sich selbst als eher schlechte Person entpuppt, dies jedoch von der Geschichte nicht aufgegriffen wird.
Ehrlich gesagt habe ich mich bei der Auflösung gefragt, ob das der Wunschtraum des Protagonisten sein soll, der sich vor der Realität flüchtet.
Die prekäre finanzielle Situation hätte man besser schon früher stärker angedeutet.
Mehr Absätze wären schön gewesen, ebenso mehr Kommata. Der Schreibstil ist in Ordnung, manchmal ein bisschen sehr umgangssprachlich.
Die Hunde von Berikur
Recht reduziert erinnert dieser schöne Text an eine Legende oder ein Märchen. Das Thema ist wohl weit verbreitet; mir gefallen die phantastischen Elemente, wie die welpengebärenden Frauen und den mit Schätzen gefüllten Bauch des Monsters. Sprachlich angemessen altmodisch, aber leider auch ein wenig steril, was wohl der Form und den vielen Figuren in vergleichsweise wenig Text geschuldet ist.
Vielleicht wäre eine Umkehrung des glücklichen Endes interessanter gewesen, weil überraschender: Dann würde Frem trotz allem verstoßen werden, immerhin stahlen seine Hunde den Bewohnern ihren Schmuck.
Nebenbei: Aufgrund der Formulierung bleibt unklar, ob die Hunde oder die Stadtbewohner den Graben mit ihren Tränen füllen.
Einmal Heiligkreuz und zurück
Die eröffnenden Glockenschläge hätten durch Punkte oder Bindestriche geteilt, oder über mehrere Absätze hintereinander in Paaren zwischen den Text gesetzt werden müssen; so lesen sie sich als schnelles Klingeln, nicht als langsames Läuten.
Sprachlich überwiegend gut, an ein oder zwei Stellen zu umgangssprachlich. Inhaltlich dagegen plump und voller Klischees, die nicht gebrochen, sondern bestätigt werden. Leonie wirkt nicht viel sympathischer als die Dorfbewohner, wenn sie mal eben Milliarden Anhänger der verschiedensten Religionen über einen Kamm schert, trotz “fairer und offener” Erziehung.
Und dafür, dass sie nicht in Kategorien denken möchte, ordnet sie alles schön danach ein, alte Leute, Bayern, Christen. Was in Ordnung wäre, wenn dieser Widerspruch gewollt ist, doch den Eindruck habe ich nicht.
Tatsächlich erinnert mich der Text an einen umgekehrten Chick Tract mit seiner naiven, voreingenommen Herangehensweise an das Thema. Der Gedanke des Widerstands gegen Gruppenzwang ist sicherlich ein löblicher, doch hier überhaupt nicht überzeugend präsentiert.
Schade, denn der Platz wäre da gewesen, um sich so einem eigentlich interessanten Thema differenzierter zu nähern.
Zweifelhafte Bekanntschaft
Gleich der erste Satz liest sich etwas unschön, zu lang und in der Wortwahl redundant; beides zieht sich auch durch den restlichen Text. In den Beschreibungen grade im ersten Drittel zu kleinteilig und zu sehr auf den Protagonisten fixiert, was zur ständigen Wiederholung von “ich mache X” und “machte ich X” führt (und woran sehr viele aus der
Ich-Perspektive geschrieben Geschichten kranken). Aus den Schachtelsätzen herausgelöste Beschreibungen der Umgebung, der beiden anderen Figuren oder der Situation würden diese repetitive Textstruktur auflockern.
Auffällig ist ebenfalls das Auseinanderziehen der einzelnen Satzbestandteile, wodurch die langen Sätze noch schwerer zu lesen sind, wenn Halbsätze erst nach weiteren Einschüben beendet werden.
Als reine Momentaufnahme leider etwas schwach aufgrund der häufigen Fehler und überlangen Sätze, wenn auch viele gute Ansätze vorhanden sind.
Mein bester Freund
Die überraschende Wendung ist leider nicht allzu überraschend, dazu sticht der Abschnitt über die niemals stattfindende Begegnung zwischen Eltern und Erik zu sehr hervor. Gäbe es nur das Einsteigen und die anschließende Flucht durchs Fenster, dann würde der Text besser funktionieren.
Wenn der Protagonist zu Erik sieht, der unabhängig und räumlich getrennt etwas von ihm tut, dann bricht sich das mit den Stellen, an denen beide denselben Raum einnehmen, zum Beispiel bei der Verhaftung (vorausgesetzt, es ist eine Art geteilter Persönlichkeit). Hier könnte auch unterschwellig die Wendung vorbereitet werden, indem Erik nur handelt, aber nie angesehen wird, also anstelle von “Ich warf einen schockierten Blick auf Erik, wir waren noch nie erwischt worden, er war ebenso überrascht wie ich.” “Erik war so schockiert wie ich, noch nie waren wir erwischt worden.”, so wie es an mehreren Stellen bereits gemacht wurde.
Sprachlich okay, stellenweise etwas klobig, zum Beispiel: “Ich blickte in ein wütendes Gesicht und spürte seine Hand schmerzhaft um meinen linken Arm, nach der er gegriffen hatte.”; zwangläufig muss der Kassierer nach seinem Arm gegriffen haben, sonst könnte der Protagonist nicht schmerzhaft die Hand spüren.
Der letzte Satz schließlich wirkt unfreiwillig komisch.
Ich, Du, Er, Sie, Es, Wir, Ihr, Sie
Der letze Absatz ist ein bisschen sehr plump und die Flüchtigkeitsfehler stören hier besonders, wo es
aufgrund der vielen verschiedenen Personen auf Präzision ankommt.
Die Idee ist ganz nett, doch der fertige Text wirkt eher unausgereift. Viel mehr fällt mir beim besten Willen dazu nicht ein.
Zwei Mal drei Musketiere
Sehr viele Figuren, die nicht alle wirklich relevant für die Geschichte sind; mit Namen ist das so eine
Sache, eigentlich will ich nicht darauf herumreiten, aber so richtig überzeugt es mich dann doch nicht.
Sprachlich überwiegend gut, mir ist es manchmal zu lapidar in den Beschreibungen. Ich hätte mir statt der vorliegenden, doch sehr kitschigen Auflösung, einen stärkeren Fokus auf die negativen Gefühle des Protagonisten gewünscht.
In Orten, Figuren und Darstellung leider eher klischeehaft, trotz guter Ansätze und Ausgangsposition.
Das Kind im Hasenpelz
Starker Stil und tolle Atmosphäre, die leider beide nicht über das schwächere Ende hinwegtäuschen
können.
Die Idee gefällt mir, hat fast etwas welterklärendes, wo das Gute und das Böse herkommt, doch die etwas ziellos wirkende Handlung wird ihr nicht gerecht.
Feuerraben
Die Game of Thrones-Schule des mittelalterlichen Realismus, wo alle brutale Unmenschen sind. Gibt mir gar nichts, der harte, mit allen Wassern gewaschene, achso böse Protagonist und seine achso bösen Kumpanen. Unglaubwürdig und klischeehaft, auch in seiner Gewaltdarstellung, die nichts zum Text beiträgt. Da ist der explodierende Wächter dann auch nicht mehr überraschend, sondern nur noch wie erwartet.
Die Annäherung an das Thema in Form von “böse Menschen sind böse und vertrauen einander nicht, weil der Mensch eine Insel ist” überzeugt mich ebenfalls nicht. Interessanter wäre der Kontrast zwischen den Raubmördern und einer Gruppe gewesen, die tatsächlich zusammenhält oder der Fokus auf das Gefühl der Verbundenheit zwischen dem Protagonisten und Aellin, bevor er sie umbringt.
Fraglich ist für mich in Anbetracht des Endes außerdem, wie die Gruppe überhaupt entstanden ist.
In der Wortwahl stellenweise unausgeglichen und mit einer sehr bemüht wirkenden Einleitung.
Letztlich bleibt die Geschichte eher schwammig, was Figuren, Handlung und Aussage angeht.
Das Abkommen
Stilistisch fällt vor allem die Wortwiederholung auf, etwa wenn es um die Tore oder den Gefangenen geht, sowie die ständige Verwendung von Adjektiven, das überfrachtet den Text etwas.
Das es sich nicht um Menschen handelt, wird relativ schnell klar, aber das halte ich aufgrund der eigentlichen Wendung für nicht sonderlich problematisch.
Gute Idee und schön umgesetzt.
Denn dies ist mein Leib…
Bis auf einige Kleinigkeiten ein sehr guter Text, auch sprachlich. Der Rückblick als Traum will mir nicht so recht gefallen und teilweise ist mir die Ausdrucksweise zu blumig, wenn vom “lebensspenden Leuchten” und “Sankt Anthropophagus” die Rede ist, zumal letzteres nicht wirklich zur Situation passt.
Die Erpressung des (extra)bösen Arztes macht den Verstorbenen etwas zu sehr zum “Heiligen” und wie sich der Protagonist während der Beerdigung in Szene setzt fühlt sich nicht vollständig glaubwürdig an. Hier wäre etwas weniger mehr gewesen.
Davon abgesehen einer der besten Texte dieses Wettbewerbes.
The Four Horsemen
Von allen “Fantasytexten” (hier sind ja durchaus historische Anleihen erkennbar) bisher der uninteressanteste, weil generischste. Viele, aber nicht wirklich fesselnde Charaktere und die mehrfach wechselnde Perspektive machen mir den Zugang zum Text schwer. Das Ende ist unspektakulär und wenig spannend.
In der Ausdrucksweise nicht immer stimmig, vor allem aber “scheint” in dieser Geschichte viel zu viel, “schien keine Spur mehr”, “schien ihn traurig zu machen”, “der ihr Gespräch zu belauschen schien”; dadurch wirkt der Text schwammig und unentschlossen.
Auf der Flucht
Schlicht und größtenteils stimmig.
Der letzte Eintrag und die Wendung kommt mir gezwungen vor und nicht wirklich organisch aus der Handlung erwachsen, zumal der Ermordete vermutlich Micheal sein sollte. Sich im Eintrag für Tag 37 zu offenbaren ist wohl strukturell notwendig, um die Wendung zu integrieren, für den Charakter allerdings nur bedingt nachvollziehbar.
Auf der anderen Seite
Der reine Fokus auf das Innenleben der Figur nutzt sich durch ständige Wiederholung schnell ab. Das Thema wird mehr gestreift als getroffen, was ich aber durchaus für legitim halte. Viel schlimmer ist die nicht vorhandene Spannung, denn nachdem sich der ständige Fokus auf das Innenleben recht schnell abgenutzt hat, bleibt kaum noch etwas übrig, das mich an den Text bindet.
Ein befreundeter Autor nannte diese Art Geschichte einmal “Hilfe, ich stecke in einem dunklen Loch”-Text, wenn vornehmlich weibliche Protagonisten ein Gefühl von Dunkelheit und Einsamkeit durchleben müssen, ohne das tatsächlich viel passiert.
Das Ende bleibt zu schwammig; sprachlich ist der Text ganz ordentlich, wenn auch teilweise repetitiv und redundant. Mehr Absätze und Zeilenumbrüche würden den Lesefluss verbessern.
Insgesamt leider ein wenig nichtssagend.
Für die Gemeinschaft!
Für mich schwer zu bewerten. Manche Aspekte, wie Idee, Atmosphäre und das Ausklammern des vermeintlichen Verbrechens, gefallen mir sehr gut, andere deutlich weniger.
Der Schreibstil funktioniert mehr schlecht als recht, die erzeugten Bilder wollen nicht recht ineinandergreifen, sind teilweise arg überladen, auch mit Adjektiven, oder unnötig kompliziert. So musste ich schon beim zweiten Satz musste mitder Stirn runzeln.
Ein Teil der wörtlichen Rede wäre besser geeignet als Gedanken des Protagonisten, etwa “Schließlich bist du mit Abstand der Schwerste und Muskulöseste dieser Gruppe”.
Hexenwerk
Zum Abschluss noch ein letzter Fantasytext. Im Ausdruck stellenweise doch arg archaisch, die Trennung der Abschnitte durch Querstriche ist eine fragwürdige Entscheidung, viele Fehler mit der Substantivierung. Die Wendung wird nur am Rande vorbereitet, vieles bleibt (vielleicht zu) offen.
Interessanter Gegensatz aus der als Heldengschichte präsentierten Sichtweise der Ritter und der angedeuteten zweiten Seite der Geschichte.