Bis jetzt sehe ich die Bewertungen auch noch kritisch, aber noch ist ja nicht aller Tage Abend.
In der Zwischenzeit kommen meine Kritiken zu den ersten Geschichten.
Ingo’s Trio
Man merkt recht gut, worum es dem Verfasser geht, aber trotzdem wirkt es auf mich nicht stimmig. Der Anfang ist etwas zu lang, der ganze Chat-Speak ist in der Form nicht nötig - da unbedeutend für die Geschichte. Die Beschreibung der WG finde ich dagegen super, auch wie die Charaktere und deren Zusammenleben gezeichnet sind. Was sehr sehr Schade ist, ist dass der Autor immenses Potenzial verschenkt, indem er den Konflikt einfach überspringt und direkt zur Versöhnung kommt. Wäre nicht eben das für den Leser interessant gewesen zu erfahren? Wie sich die Figuren in dem Dialog verhalten und inwiefern dadurch ihre Freundschaft auf die Probe gestellt wird? Ein schneller Einstieg in den Dialog, vielleicht mit ein paar Hinweisen, dass der Erzähler eigentlich lieber vor seinem PC sitzen würde, hätte das ganze gerafft und Platz geschaffen für Emotionen.
Trotzdem ist alles flüssig und verständlich geschrieben, und ich hatte Spaß beim Lesen.
Die Hunde von Berikur
Ein Märchen, das mich stark an Lovecrafts “Die Katzen von Ulthar” erinnert, aber trotzdem eine sehr schöne Stimmung erzeugt. Fernab einer möglichen Inspiration (vielleicht kennt der Autor die Geschichte auch nicht), finde ich das Setting sehr angenehm und stimmig. Leider kippt das Ganze am Ende zu sehr ins Kitschige, fernab davon, dass es unmöglich ist, als Mensch Welpen zu gebären. Das war zu viel des Guten.Auch die zahlreichen Namen und Figuren waren etwas viel für den kurzen Text, auch wenn man sieht, dass sich dahinter eine größere Geschichte verbirgt. Die Wortwahl ist durchweg gelungen und zieht den Leser in die Welt hinein.
Einmal Heiligkreuz und zurück
Bis dato die Geschichte mit dem stärksten Bezug auf das Thema des Wettbewerbs. Obwohl sie gut geschrieben ist und knackig-komprimiert daher kommt, bin ich nicht wirklich mit ihr warm geworden. Das Ende finde ich etwas drastisch, auch die Figuren wirken etwas einseitig. Auch wenn sie mit persönlich nicht gefallen hat, ist sie dennoch eine der stärkeren Geschichten dieses Wettbewerbs.
Zweifelhafte Bekanntschaft
Es wurde bereits lang und breit diskutiert, ob Fantasy/ Mittelalter das richtige Genre für eine Kurzgeschichte ist oder nicht. Ich stehe dem ganzen eher skeptisch gegenüber, da eine runde Fantasy-Geschichte immer einen soliden Unterbau braucht, in dem die Welt und ihre Gegebenheiten erläutert werden. Ohne diesen Unterbau verliert man sich entweder in Klischees oder es kommen so viele Andeutungen, Namen, Orte, usw. vor, dass die eigentliche Geschichte verloren geht.
Diese Geschichte hat einen guten Mittelweg gefunden. Die Beschreibung der Umgebung am Anfang ist bildhaft und eindrücklich, auch das Innenleben des Erzählers kann man sehr gut nachempfinden.
Problematisch ist allerdings der Schreibstil. Es kommt häufiger vor, dass aufeinanderfolgende Sätze nicht zueinander passen. " Die Wache ist stämmig gebaut und fast einen Kopf größer als ich. Er trägt zudem die Waren des Händlers,…" Hier wäre etwas Konsequenz angemessen, um das Lesen zu erleichtern, zumal am Ende des Absatzes wieder von der Wache gesprochen wird. Die Geschichte selbst ist hingegen nicht sonderlich gelungen, die Motive der Figuren sind nicht nachvollziehbar, es kommt einfach schlagartig der Twist, und dann ist Schluss. Man hätte mehr daraus machen können.
Mein bester Freund
Der Twist, auf den die ganze Geschichte zusteuert, kommt recht offensichtlich daher. Auch die Einführung der Figuren ist etwas unglücklich, da vor allem der erste Absatz sehr holprig geschrieben ist. Man bekommt den Eindruck, dass der gesamte Text auf diesen finalen Twist hinsteuert, ohne in der Zwischenzeit wirklich etwas zu sagen. Eigentlich hätten zwei sehr unterschiedliche Geschichten aus diesem Setting erwachsen können:
Entweder eine dramatische Geschichte des Verrats, in der der Erzähler seine uneingeschränkte Unterstützung seinem Freund gegenüber aufkündigt und zum “Verräter” an ihm wird, um selbst einer Strafe zu entgehen.
Oder eine mysteriöse Geschichte, in der sich langsam andeutet, dass mit dem Erzähler etwas nicht stimmt und dass die Beziehung zwischen den beiden nicht normal sein kann. Das hätte allerdings mehr Zeit und Platz in Anspruch genommen, als eine Kurzgeschichte, da so ein Twist im Sinne Fight Clubs mehr Vorbereitung braucht.