Also einige der Namen, die sie genannt haben, sollten Filmkritikern-/Wissenschaftlern, also diejenigen, die in dieser Profession arbeiten und den Anspruch haben, diese auch gut auszuüben, durchaus bekannt sein, wie z.B. Siegfried Kracauer, Godard, Pauline Kael, Roger Ebert. Ob sie in einer Blase sind? Klar, wie so wirklich jeder sich in einer Blase befindet.
Deren Blase ist ja vor allem akademischer Natur, wo mir dann auch auffällt, dass deren Kanon an Filmliteratur eben eigentlich dem entspricht, was sie an der heutigen digitalen Youtube-Kritiker-/Filmbesprechungskultur kritisieren - nämlich dass er überwiegend männlich, weiß, hetero und cis ist. Da hätte ich mir mehr Selbstreflektion gewünscht.
Aber ich finde schon, dass sie sehr valide Punkte ansprechen, die mich in der heutigen Filmkritikkultur auch stören. Und ja, da muss auch ein großer Augenmerk auf Youtube liegen.
Da wäre dann die angesprochene “Filmbro”-Kultur, deren Filmkanon überspitzt vor allem aus Tarantino, Nolan, Kubrick usw. besteht und bei dem man meinen könnte, Film sei erst in den 80ern (bei einigen auch 60ern) und ausschließlich in Hollywood erfunden worden. Wenn dann mal Filme abseits der Großen besprochen werden, begrenzt sich das dann auch nur auf die Filme, die schon vorher von diversen Filmfestivalkritiken vorkuratiert wurden und die eventuell relevant für diverse Awards sind.
Da ist halt die Frage, warum das so ist. Und da reichen die Möglichkeiten von dem im Podcast angesprochenen limitierenden Algorithmus von Youtube über fehlende Neugierde und Unwissenheit im Bereich Film.
Ich finde es mittlerweile schade, wie wenig Anspruch an die Profession Filmritiker von Außen wie auch von Innen mittlerweile gestellt wird. Warum sollte man nicht verlangen können, dass ein Filmkritiker (und ich rede hier nicht von dem Hobbykritiker) sich in seinem Feld auskennt. Dass er sich filmgeschichtlich auskennt, dass er das Wissen in filmtheoretischen -/praktischen Bereichen usw. hat und nicht nur Filme ab den 80ern kennt und davor gar nichts oder nur vereinzelt etwas? Es sollte doch bei der Filmkritik um Einordnung gehen, um eine Auseinandersetzung, um eine Hilfestellung für den Zuschauer/Leser dabei, einen Film besser einzuordnen, zu verstehen, Verknüpfungen herzustellen uusw… Da hilft es doch ungemein, wenn du einen großen Wissenschatz hast, auf den du zurückgreifen kannst, um an einen Film, den du kritisieren willst, heranzutreten.
Damit man erst gar nicht in die Falle der Servicekritik fällt, die im Grunde nur Teil der Webung für Filme ist und eigentlich nur aus Platitüden besteht, die mit der Rezeption der Kunst nichts zu tun haben.
Gute Filmkritik ermuntert zur Auseinandersetzung und nicht dazu, sich diese zu ersparen. Sie ist der Beginn, nicht das Ende eines Diskurses. Ein guter filmkritischer Text kann eine Ahnung vermitteln, wie man sich zum Gegenstand dieses Textes verhalten wird. Und bestenfalls tut er das, indem er unbekannte Pfade betritt, um den Blick auch dorthin zu richten, wo er abseits bequemen Denkens, bequemer Filme und bequemen Denkens über bequeme Filme schwerlich hingelangt. Der Rest sei nur Werbung, sagte die US-amerikanische Filmkritikerin Pauline Kael, für die der Kritiker „die einzige unabhängige Quelle in der Kunst“ war.
https://www.kino-zeit.de/news-features/kolumnen/jesse-eisenberg-und-missverstaendnisse-ueber-filmkritik
Und nein, man muss nicht alles gesehen, gelesen oder verstanden haben. Das ist einfach unmöglich. Nicht umsonst wird am Anfang des Podcasts das Ranicki-Zitat gestellt. Aber es sollte schon Wissen und der Anspruch an sich selbst da sein, sich weiterzubilden. Roger Ebert und Pauline Kael machen u.a. auch deswegen sehr viel Spaß, weil ihre Auseinandersetzungen mit Filmen immer auf einem enormen Wissenschatz beruhten.
Es geht mir jetzt auch wirklich nicht darum, Leute zu entmutigen sich an dem filmkritischen Austausch zu beteiligen, weil man das Gefühl hat, man kenne sich zu wenig aus. Noch weniger möchte ich, dass man sich nicht mehr seine Lieblingsyoutubekritiker anschschauen darf usw… Daran würde ich mich ja selbst nicht halten (Youtubekritiker verfolge ich mit Ausnahmen aber tatsächlich mittlerweile eher weniger), aber ich finde es auch nicht verkehrt, dass man an Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, einen anderen Anspruch stellen sollte. Oder dass diese selbst den Anspruch an sich selbst haben, sich stets weiterzuentwickeln, sich und ihr Selbstverständnis von ihrer Arbeit stets selbst zu reflektieren. Ich glaube schon, dass das einen enorm voranbringen könnte.
Immerhin steht einem doch ein so enormer Schatz an Filmen und Schriften zu Filmen zur Verfügung, den es zu entdecken gilt. Warum dann nicht mit Neugier und Freude voranschreiten, wenn man das Medium doch so liebt?
PS:
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Fänd’s auch spannend zu sehen, wie innerhalb der Filmkritikerblase auf diesen Podcast reagiert wird und welche Diskurse entstehen.