[ Film ] Diskussionen erwünscht ! (Trailer/News..uvm) Aussätzige Kolonie Edition!

Ich frage mich, wo Du hier eine Einseitigkeit erkennst. Der Film ist mit einem maximalen Vorwurf konfrontiert, er sei rassistisch. Der Autor weist darauf hin, dass die Szene aber sehr wohl einen doppelten Boden hat und sogar antirassistisch ist.

Du kannst ja mal ein bisschen googeln zu der Sache und Du wirst in jedem Artikel finden, dass der Szene und dem Film an sich dies zugestanden wird.

Hier wird die Spießigkeit der Deutschen, die Obrigkeitshörigkeit und verbleibende NS-Ideologie aufs Korn genommen. Günther Kaufmann bzw. seine Hautfarbe ist in dieser Szene zu keiner Sekunde Ziel irgendwelchen Spotts (deswegen würde er auch heute wohl noch zu keinem Zeitpunkt etwas schlechtes darüber sagen). Er verarscht mit Otto zusammen die anderen deutschen Kartoffeln.

Der “Verein Schwarzer Menschen in Deutschland” macht den typischen Fehler sich hier einfach nur auf den Gebrauch des Wortes zu stürzen. Wer das nicht sieht ist blind für Rassismus und Teil des Problems. Was die Szene wirklich aussagt, der Kontext also, spielt absolute keine Rolle. Das ist verkürzend und feindlich gegenüber Kunst.

Keiner, der bei klarem Verstand ist sagt, dass das N-Wort unproblematisch ist. Aber es ist manchmal nötig es zu gebrauchen, um vielleicht genau einen Punkt dagegen zu machen. Manchmal muss man Rassismus zeigen, um ihn zu bekämpfen. Das ist wie bei Otto eben hier Teil der Satire. Und ja, hier ist Otto zwar auf der Oberfläche wieder ein Blödeler, aber der Regisseur des Films hat mit Fassbinder gearbeitet und die Drehbuchautoren sind Satiriker der Frankfurter Schule, die bei der Titanic gearbeitet haben. Die Leute wussten, was sie machen.

Wolfgang M. Schmitt zeigt (neben anderen Autoren) auf, dass der Film ganz ganz genau weiß, was er macht und seinen “aus der Zeit gefallenen Humor” stets zu kontextualisieren weiß:

Vielleicht einfach mal die Szene anschauen und nicht nur auf den Gebrauch des Wortes achten, sondern mal wirklich versuchen den Subtext zu greifen (wenn es einen triggert natürlich nicht):

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Einseitig ist für mich seine Suggestion man würde den Film verbieten wollen und die Szenen wären derart durchdacht mit ihrer Doppeldeutigkeit, sodass sie kein Problem darstellen würden. Aber meiner Ansicht nach sind sie nicht unproblematisch.

Vorweg: Ich würde dem Verein Schwarzer Menschen nicht latent vorwerfen sie wären ‘blind’ für Rassismus. Das sind wohl eher Kritiker, die nicht an der De-Konstruktion von rassistischen Begriffen interessiert scheinen oder Rassismen vernachlässigen und gleichzeitig selbst eine problematische Sprache reproduzieren. Und der Verein Schwarzer Menschen ist wohl kaum Teil des Problems Rassismus… Zudem hat Tahir Della betont, es sei wichtig den Humor, der Rassismus reproduziert auch ins Auge zu fassen bei der Aufarbeitung. (dpa)

Wie es aussieht verkörpert diese Szene eben nicht ‘eine wirkliche’ Aussage, auf die sich alle einigen können bei ihrer Interpretation. Und dein Kommentar greift auch nicht das Problem auf: -Wie- solche problematischen Szenen didaktisch besprechen? - Genauso wenig wie der Autor. - Es ist ja ganz nett, dass die deutsche Gesellschaft hopps genommen wird, aber ich bin nicht sicher, ob das reicht.

Nur weil die Autoren ‘Satiriker der [Neuen] Frankfurter Schule’ waren, erhebt es die Szenen nicht auf das Niveau von völliger ‘Durchdachtheit’. Ich würde es befürworten den Film zu anzumoderieren und die Szene nach einer Filmvorführung zu besprechen und nicht unbedingt mit Kindern in diesen Film zu gehen.

In der Kita sagt ein Kind zum anderen: ‘Deine Haut ist ja so dreckig und dunkel.’ - Und das war nicht zuletzt in den 80er. ‘Du bist so dunkel mit dir spiele ich nicht.’ (Letztens erst von einer Erzieherin gehört.)
Wäre schön, wenn allen die Probleme hinter diesen Szenen bewusst wären. Aber diese Szenen treffen auf Leute, für das N-Wort normal ist, weil sie es in der Schule so gelernt haben. Und sie trifft auf Rezipienten, denen ihr Alltagsrassismus nicht bewusst ist. - Um das zu entlarven, eignen sich diese Szenen meiner Ansicht nach nicht. Denn schnell verfällt man in das reine Belächeln dieser Szene. Man schmunzelt über etwas, aber über Naivität. Das wird auch durch Ottos Figur suggeriert: Naivität kann ja schon mal Rassismus praktizieren. Ich bin mir nicht sicher wie viele Rezipienten dieses Bild dann auch sich zurückwerfen und anfangen nachzudenken. Aber sollte man den Film kommentarlos feiern oder sich überlegen, wie man diese Probleme und Kontext vermittelt, wenn man den Film zeigt?
Ich finds gut, dass der Film jetzt mehr diskutiert wird. Wahrscheinlich mehr als bei seinem erscheinen? Ich würde den Schritt auch gut finden, das N-Wort zu piepen. Damit sich die Leute daran stören, damit die Diskussionen weitergehen: Warum sollten wir das Wort derart dekonstruieren? - Das wäre etwas, dass die Szene ergänzt und die Problematik ein Stück auf unsere Zeitebene hebt. Nicht wenige denken immer noch wie in den 80ern.
Und leider konnte ich vorgestern keine Aussage aus 80er der Autoren finden, die zum Erscheinen des Films, wo sie ihre Intention hinter diese Szene einordnen und sich antirassistisch positionieren. - Das waren zumindest meine Gedanken vor zwei Tagen, als ich mir die Szenen noch mal ansah.

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Hab ich auch nicht. Es wäre auch absurd das PoC vorzuwerfen. Die Passage war paraphrasiert und bezog sich auf die Aussage des Vereins, dass jeder, der ihnen widerspricht blind für die Problmatik sei. Was eine offene Debatte quasi unmöglich macht. Jeder, der nicht dieselbe Meinung vertritt, wie der Verein bekommt eine Keule drüber.

Und eben deswegen gehört sie weder zensiert, noch gepiepst oder verbannt von der Wideraufführung. Damit man darüber diskutieren kann und sich jeder selbst eine Meinung bilden kann.

Hier steht Aussage gegen Aussage: Ich (und sehr viele Kulturjournalisten) sehen, dass die Szene sich schon genügend selbst mit Rassismus auseinander setzt. Der Verein und Du heben halt vor allem auf den Gebrauch des N-Wortes ab und sparen den Kontext einfach aus oder wollen ihn nicht sehen.

Kunst muss und darf sich nicht am kleinsten Nenner ausrichten. Im Zweifel immer FÜR die Kunst.

Das ist eine völlig andere Debatte, in der ich Dir ja weitestgehend zustimme. Die Szene gehört kontextualisiert, diskutiert, debattiert etc… und vor ihr sollte vor dem Film gewarnt werden, falls es wirklich triggert.

Das einzige, wo wir uns unterscheiden ist, dass ich die Integrität des Kunstwerke über alles stelle.

Ich mach es mal ganz krass: “Birth of a Nation” ist der abartigste und rassistische Film, der wohl je gemacht wurde. Selbst den würde ich heute - mit entsprechender Einbettung - noch zeigen.

Triumph des Willens wäre auch so ein Film. Den würde ich sogar verpflichtend zeigen in Schulen, weil er eine großartige Grundlage bildet, um über Propaganda und die Macht der Bilder zu sprechen.

Ja. Aber es geht dabei auch immer um den künstlerischen Einfluss. “Triumph des Willens” ist ideologisch sicherlich unentschuldbar, aber die Kameraarbeit von Riefenstahl beeinflusst das Handwerk bis heute. Viele viele Filme kopieren Einstellungen daraus. (Es ist kein Zufall, dass eine Szene in Star Wars 7 so aussieht, wie der Reichsparteitag in Nürnberg).

“Birth of a Nation” ist inhaltlicher Dreck. Aber er gilt als einer der ersten Epen der Filmgeschichte und hat einen filmhistorischen Platz.

Ebenso “Vom Winde verweht”. Die Darstellung der Sklaverei ist höchst problematisch in diesem Werk. Dennoch ist der Film aus cineastischer Sicht ein Meilenstein, was z.B. nur den puren Aufwand betrifft. Beispielweise die opulenten Sets.

Man kann Filme inhaltlich höchst kritisch finden und trotzdem wertschätzen. Das muss jeder selbst entscheiden und deswegen muss es dazu auch die Möglichkeit geben. Deswegen mein “Nein” solche Filme zu verändern oder “der Zeit” anzupassen oder sie gleich von Streamingplattformen zu schmeißen oder nicht mehr im Kino oder Fernsehen zu zeigen. Dagegen sie kritisch einzubetten spricht dagegen nichts.

Ich wiederhole: Für mich hat ein Kunstwerk Integrität, die sich nicht irgendeiner Zeit oder deren moralischen Vorstellungen anpassen sollte. Ausgerechnet Disney, ein Konzern, den ich sonst sehr kritisiere hat auf Disney+ z.B. einen ersten Kompromiss gefunden, indem man vor Filmen wie etwa Dumbo (mit den drei Krähen, die rassistische Stereotypen darstellen und von denen eine sogar Jim Crow heißt) eine entsprechende Warnung zu platzieren.

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Also einige der Namen, die sie genannt haben, sollten Filmkritikern-/Wissenschaftlern, also diejenigen, die in dieser Profession arbeiten und den Anspruch haben, diese auch gut auszuüben, durchaus bekannt sein, wie z.B. Siegfried Kracauer, Godard, Pauline Kael, Roger Ebert. Ob sie in einer Blase sind? Klar, wie so wirklich jeder sich in einer Blase befindet.
Deren Blase ist ja vor allem akademischer Natur, wo mir dann auch auffällt, dass deren Kanon an Filmliteratur eben eigentlich dem entspricht, was sie an der heutigen digitalen Youtube-Kritiker-/Filmbesprechungskultur kritisieren - nämlich dass er überwiegend männlich, weiß, hetero und cis ist. Da hätte ich mir mehr Selbstreflektion gewünscht.
Aber ich finde schon, dass sie sehr valide Punkte ansprechen, die mich in der heutigen Filmkritikkultur auch stören. Und ja, da muss auch ein großer Augenmerk auf Youtube liegen.
Da wäre dann die angesprochene “Filmbro”-Kultur, deren Filmkanon überspitzt vor allem aus Tarantino, Nolan, Kubrick usw. besteht und bei dem man meinen könnte, Film sei erst in den 80ern (bei einigen auch 60ern) und ausschließlich in Hollywood erfunden worden. Wenn dann mal Filme abseits der Großen besprochen werden, begrenzt sich das dann auch nur auf die Filme, die schon vorher von diversen Filmfestivalkritiken vorkuratiert wurden und die eventuell relevant für diverse Awards sind.
Da ist halt die Frage, warum das so ist. Und da reichen die Möglichkeiten von dem im Podcast angesprochenen limitierenden Algorithmus von Youtube über fehlende Neugierde und Unwissenheit im Bereich Film.
Ich finde es mittlerweile schade, wie wenig Anspruch an die Profession Filmritiker von Außen wie auch von Innen mittlerweile gestellt wird. Warum sollte man nicht verlangen können, dass ein Filmkritiker (und ich rede hier nicht von dem Hobbykritiker) sich in seinem Feld auskennt. Dass er sich filmgeschichtlich auskennt, dass er das Wissen in filmtheoretischen -/praktischen Bereichen usw. hat und nicht nur Filme ab den 80ern kennt und davor gar nichts oder nur vereinzelt etwas? Es sollte doch bei der Filmkritik um Einordnung gehen, um eine Auseinandersetzung, um eine Hilfestellung für den Zuschauer/Leser dabei, einen Film besser einzuordnen, zu verstehen, Verknüpfungen herzustellen uusw… Da hilft es doch ungemein, wenn du einen großen Wissenschatz hast, auf den du zurückgreifen kannst, um an einen Film, den du kritisieren willst, heranzutreten.
Damit man erst gar nicht in die Falle der Servicekritik fällt, die im Grunde nur Teil der Webung für Filme ist und eigentlich nur aus Platitüden besteht, die mit der Rezeption der Kunst nichts zu tun haben.

Gute Filmkritik ermuntert zur Auseinandersetzung und nicht dazu, sich diese zu ersparen. Sie ist der Beginn, nicht das Ende eines Diskurses. Ein guter filmkritischer Text kann eine Ahnung vermitteln, wie man sich zum Gegenstand dieses Textes verhalten wird. Und bestenfalls tut er das, indem er unbekannte Pfade betritt, um den Blick auch dorthin zu richten, wo er abseits bequemen Denkens, bequemer Filme und bequemen Denkens über bequeme Filme schwerlich hingelangt. Der Rest sei nur Werbung, sagte die US-amerikanische Filmkritikerin Pauline Kael, für die der Kritiker „die einzige unabhängige Quelle in der Kunst“ war.

https://www.kino-zeit.de/news-features/kolumnen/jesse-eisenberg-und-missverstaendnisse-ueber-filmkritik

Und nein, man muss nicht alles gesehen, gelesen oder verstanden haben. Das ist einfach unmöglich. Nicht umsonst wird am Anfang des Podcasts das Ranicki-Zitat gestellt. Aber es sollte schon Wissen und der Anspruch an sich selbst da sein, sich weiterzubilden. Roger Ebert und Pauline Kael machen u.a. auch deswegen sehr viel Spaß, weil ihre Auseinandersetzungen mit Filmen immer auf einem enormen Wissenschatz beruhten.

Es geht mir jetzt auch wirklich nicht darum, Leute zu entmutigen sich an dem filmkritischen Austausch zu beteiligen, weil man das Gefühl hat, man kenne sich zu wenig aus. Noch weniger möchte ich, dass man sich nicht mehr seine Lieblingsyoutubekritiker anschschauen darf usw… Daran würde ich mich ja selbst nicht halten (Youtubekritiker verfolge ich mit Ausnahmen aber tatsächlich mittlerweile eher weniger), aber ich finde es auch nicht verkehrt, dass man an Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, einen anderen Anspruch stellen sollte. Oder dass diese selbst den Anspruch an sich selbst haben, sich stets weiterzuentwickeln, sich und ihr Selbstverständnis von ihrer Arbeit stets selbst zu reflektieren. Ich glaube schon, dass das einen enorm voranbringen könnte.
Immerhin steht einem doch ein so enormer Schatz an Filmen und Schriften zu Filmen zur Verfügung, den es zu entdecken gilt. Warum dann nicht mit Neugier und Freude voranschreiten, wenn man das Medium doch so liebt?

PS:
Falls du direktes Feedback an die beiden geben möchtest, kannst du das auf Facebook, Twitter und auch hier ohne Anmeldung machen:


Fänd’s auch spannend zu sehen, wie innerhalb der Filmkritikerblase auf diesen Podcast reagiert wird und welche Diskurse entstehen.

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Die De-Konstruktion des N-Wortes halte ich in diesem Fall nicht für Zensur. Es geht hier um eine aktivistische Form das Wort zu de-konstruieren, um gleichzeitig damit eine Auseinandersetzung herauszufordern - Die sonst nicht geschieht, im deutschsprachigen Raum insbesondere nicht. Das schaffen diese Szenen nicht allein, meiner Ansicht nach. Und dabei geht es nicht darum, den ‚Kontext‘ der Szene zu ignorieren oder überspielen. Es geht um das -wie-. Und das war auch Dellas Position.
Den Vergleich zu ‚Birth of a Nation‘ finde ich hier unglücklich gewählt. Dazu erhält man eine historische Einordnung (sofern man sich darüber informiert). Bei Otto geht es auch um eine (untouchable?) Kultfigur. - Und deswegen das -wie- denn diese muss man auch einordnen. Denn die Szenen werden ihrem Anspruch wohl von allein nicht gerecht. Und besonders Kunstwerke muss man dahingehend kritisch einordnen können - da redet niemand davon die ‚Integrität‘ abzusprechen. Und um dieses Einordnen ging es Della und diese Position teile ich. Der Autor aus deinem Artikel hat es sich da zu einfach gemacht. Ich halte den ‚didaktischen Wert‘ der Szenen für etwas überschätzt und finde es schade, dass man sich bei dieser Diskussion mal wieder schnell davon ablenken möchte, wer was wem verbieten und zensieren will und übersieht, dass wir aktiv diese kritischen Einordnungen auch selbst voranbringen müssen.

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Dann sollte man sich vllt. auf die Jetztzeit konzentrieren und nicht auf Filme aus den 80ern. Mal ehrlich, ich versteh den Wunsch nicht, überall das Haar in der Suppe zu suchen. Niemand sieht das Wort “Neger” als auch nur akzeptable Anrede/Bezeichnung an. Diejenigen, die es noch nutzen, werden diese Aktionen nicht kümmern, da sie sie eh andere Probleme haben.

Kurzum: Es geht um Provokation.

Es geht um die Wiederaufführungen zum Jubiläum.

Da kann man nach Halle und BLM, Protesten und Bewegungen schon erwarten, dass auch Filme dementsprechend eingeordnet werden, wenn man sich dazu entschließt sie wiederauszuführen.

Denn, der Zeitpunkt ist nicht umheikel, dass man nur in reinen nostalgischen Erinnerungen schwelgen könnte.

Man könnte vor dem Film 5min einblenden, in denen er anmoderiert wird. Gib den Leuten eine Bühne, die antirassistische Bildungsarbeit leisten und verbinde sie mit der Position der Autoren selbst (die sich daran beteiligen). - Besonders dann, wenn ein Film selbst eine vermeintlich antirassistische Haltung vermitteln will in einem Sketch. Und dann blende 10-15 Min nach dem Film ein und lass die Leute Postion beziehen, wie man das N-Wort dekonstruieren sollte, warum, welche Geschichte es hat oder man sich dagegen entschließt, wie in deinem Fall oben (und erklärt sich besser). - Es geht also nicht um Provokation. Es geht um Auseinandersetzungen mit Gesellschaft und Geschichte. Dazu gehört unsere visuelle Kultur und wie wir Filme und Sehgewohnheiten aufnehmen und wann wir sie hinterfragen sollten.

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Ok, wusste nicht, dass er neu-aufgeführt werden sollte.

Was ist an Wegpiepen eine “Dekonstruktion”?

Das halte ich gelinde gesagt für großen Quatsch. Deutschland hat sich aufgrund seiner Geschichte wie wenig andere Länder mit abschätzenden Wörtern gegenüber Ethnien beschäftigt. Außer den Leuten, die Edgy sein wollen oder einfach waschechten Rassisten wirst Du in Deutschland kaum jemanden finden, der nicht sensibilisiert ist.

Das heißt nicht, dass es keinen Rassismus gibt und im Besonderen verhindert das auch keinen Alltagsrassismus. Aber du bläst hier eine Sache auf um einen Punkt zu machen.

Du forderst die Szene zu piepsen; also das Kunstwerk zu verändern. Was ist das anderes, als die Integrität des Kunstwerks infrage zu stellen?

Also mit Verlaub… schön für Dich?! Deine subjektiven Empfindungen… und übrigens auch meine sind kein Maßstab dafür, ob man Filme einfach mal so verändern oder wegsperren kann, um eine Message zu senden.

Meine Frage wäre, wie Du Dir das realistisch vorstellst? Disclaimer vor dem Film sind realistisch oder vor dem Film Flyer anzubieten, die auf mehr verweisen. Aber Du kannst den Leuten, die sich einfach im Kino einen Film angucken wollen doch keine Podiumsdiskussionen aufdrängen.

Mir geht es um eine Einordnung, die stattfinden sollte. Nicht um eine Podiumsdiskussion. Hier kommen wir nicht weiter.
Denn insbesondere das N-Wort - Verwendung, Geschichte und Dekonstuktion - sind hier unzureichend aufgearbeitet, präsent oder bekannt. Ich erinnere nur an das Urteil von MV, dass wirklich fragwürdig ist.

Es geht beim N-Wort nicht um eine reine Beleidigung. Es geht um ein hohes Maß an Entmenschlichung, dass dieses Wort beinhaltet. - Explizit die Auseinandersetzung fehlen hier zum N-Wort. Und das erreichen diese Szenen nicht, weil sie schnell dazu verleiten: Nur naive Menschen praktizieren derart offen Rassismus. Daher die Einordnungen und Ergänzungen. Belassen wir es bitte dabei und bitte verzichte darauf persönlich zu werden.

Und dieses Problem soll auf dem Rücken der Kunst ausgetragen werden, die sich einem Aktivismus von außen beugen muss und deren Werke zur beliebig umzustaltenden Verhandlungsmasse des öffentlichen Drucks werden?

Diese Kunstfeindlichkeit ist erschütternd und atemberaubend zugleich.

Das ist NICHT die Intention dieser Szene. Es wurde oft genug geschrieben, in diversen Texten in diversen Medien: Ziel ist hier, die deutsche Obrigkeitshörigkeit zu verarschen. Die Frau an der Tür akzeptiert diese ganze Farce einzig und allein, weil Otto eine Uniform an hat (NS-Verweis) und sagt, dass es ja noch zwei Tage legal sei. Die Sklaverei und das N-Wort (das 1985 schon nicht mehr unbelastet war) sind hier bewusst gewählt, denn die Szene funktioniert ja nur, wenn man die Situation als rassistisch erkennt. Es soll krass sein, um die Fallhöhe zu steigern, dass die Frau einfach mitspielt, weil es ja angeblich noch legal ist.

Damit setzt sich weder der Verein noch Du auseinander. Es geht nur um das N-Wort, welche Funktion es erfüllen soll wird ausgeblendet. Wer nicht zustimmt, als Teil des Problems diffamiert.

Auch hier: Was Künstler aussagen wollen, ist immer noch ihnen selbst überlassen und nicht Menschen, die die Kunst zu ihrem Aktivismus machen wollen.

Wat?

Das ist für mich eine ganz schön gewagte Unterstellung von dir, dass man hier nur von Wörtern getriggert und blind für den Subtext sei. Als ginge nicht beides, die „Genialität“ und den Subtext der Frankfurter Schule zu begreifen und trotzdem den Film und explizit diese Szene veraltet und problematisch zu finden. Ich fürchte auch, dass deine oder Wolfgangs Analyse und Rechtfertigung der Szene, den Vorwurf nicht vom Tisch wischen werden kann.

Die Szene mit Günther Kaufmann (und für mich sogar auch die Szene in der Rocker Bar) mag 1985 revolutionär antirassistisch gewesen und sicher so auch von den ehrenwerten Männern intendiert worden sein, doch hält sie den Ansprüchen 2020 bei weitem nicht stand und ich finde es daher auch sehr fragwürdig, ob man den Film wieder breit und für die ganze Familie aufführen muss.

Denn Subtext hin oder her, der Film reproduziert Rassismen und rassistische Witze ohne, dass die Figuren im Film dadurch irgendwelchen wirklichen Schaden oder Lerneffekt hätten. Auch die Darstellung des gut gelaunten Schwarzen GIs mit dem Ghettoblaster auf der Schulter, der für jeden Spaß zu haben ist und kein Problem damit hat, mit N-Wort angesprochen, als Herr B. vorgestellt und einer alten Rassistin als Sklaven verkauft zu werden, ist problematisch. Wenn man als Schwarze Person damit ein Problem hat, dann stellt man sich offensichtlich sogar 2020 noch an oder ist nur getriggert und versteht den Subtext nicht :man_shrugging:

Ich möchte auch bezweifeln wie stark der antirassistische Subtext 1985 auf den Schulhöfen Deutschlands Früchte getragen hat und ob nicht viel öfter einfach der Eiswürfel Joke und die Szene „Schwarzer Kopf, schwarzer Bauch, schwarze Füß. Du N-Wort?“ rezipiert und Mitschülern an den Kopf geworfen worden sind.
Und ob man diese Szenen 2020 auf Schulhöfen noch braucht, ist für mich eine überaus berechtigte Frage.

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Der Verein um den es geht hat auf Rückfragen, ob sie mal über den Subtext nachgedacht haben geantwortet, dass jeder der die Probleme nicht sieht, Teil des Problems ist. Da ist keine Auseinandersetzung mit der Szene, nur Empörungs-Rhetorik. An meiner These ist nichts steil und ich bleibe bei meiner Kritik, dass man so eine vernünftige Debatte unmöglich macht.

Und da ist halt unser weltanschaulicher Unterschied: Ich berücksichtige die zeithistorische Dimension in der Kunst entstanden ist und mache es den Machern nicht zum Vorwurf in ihrer Zeit verhaftet zu sein und die unmögliche Forderung zu stellen ein Kunstwerk zu erschaffen, das für alle Zeiten up to date ist.

Deswegen bin ich - wie Du hoffentlich gelesen hast - voll und ganz für eine Einbettung. Beispielsweise mit einer Texttafel oder wenn er im Fernsehen läuft mit einer Doku danach oder man kann bei Wiederaufführungen im Kino Flyer verteilen etc…

Und ich erachte den Zuseher einfach als intelligenter und mündiger als Du: Wenn der im Kreis der Familie gesehen wird, dann erwarte ich von den Eltern oder älteren Geschwistern, dass sie ihre Kinder über die Szene aufklären. Sie ERklären und vor allem sagen, dass das N-Wort heute (und eigentlich auch schon damals) nie in den Mund gehört. Und dass der Eskimo-Witz (wie im Film übrigens schon reflektiert durch einen Rocker) nicht witzig, sondern rassistisch ist.

Eine Frage, die ich mit einem eindeutigen und höchst überzeugtem JA beantworte. Er sollte sogar Unterrichtsstoff sein. Neben anderen problematischen Werken wie “Vom Winde verweht”.
Seit Jahren wird ein Fach “Medienkompetenz” in der Schule gefordert. Für mich gehört es zur Medienkompetenz, dass man problematische Inhalte in “veralteten” Werken erkennt.

Wie oft bemerkt wurde, gibt es ja keine wirkliche Zensur. Die Werke werden nie ganz verschwinden (und übrigens gerade durch solche Debatten macht man sie interessant) und es ist eine viel bessere Lösung zu lernen, wie man damit umgeht, als zu versuchen sie aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen.

Und ganz am Ende noch dieses: Da es hier um Kunst geht, geht es um Interpretationen. Die sind subjektiv. Auch Du leitest mehrere Sätze mich “Ich” ein. Ich habe es bei Sam_Jones schon angedeutet: Wie anmaßend ist es zu sagen, dass man mit etwas nicht einverstanden ist, aber es dann für alle aus dem Kino verschwinden soll? Du vertrittst - genau wie ich - nur eine Seite der Medaille.

Auch die ganzen Blackface-Episoden von Comedys auf Streamingplattformen. Sind die unproblematisch? Nein. Man hatte aber nicht mal die Chance einer Debatte, wie man sich dazu stellen und wie man damit umgehen kann, bevor sie für alle Menschen (die für die Dienste zahlen) verschwunden sind.

Ich stehe halt auf der Seite der Kunstfreiheit.

Ich glaube das Grundproblem ist, dass man von der Szene etwas verlangt, dass die Szene gar nicht leisten möchte, weil sie einen anderen Fokus hat. Und dass der verlangte zusätzliche Kontext bzw. die De-konstruierung die Szene der eigentlichen (und erkennbar anti-rassistischen) Botschaft beraubt hätte.

Das ganze ordnet sich für mich auch gut in das größere Problem ein, dass man von “Guten” Perfektion erwartet. Mit “Guten” meine ich jene, die es in ihrer Intention gut meinen (wie zum Beispiele Otto-Der Film"), auch wenn sie in ihrer Ausführung unperfekt sind. Man versteift sich dann meiner Meinung nach viel zu sehr auf die Fehler von Leuten, die eigentlich auf der “richtigen” politischen Seite stehen, anstatt die tatsächlich durch und durch problematischen zu kritisieren und zu dekonstruieren.

Und bitte kommt mir nicht mit dem “Warum nicht beides”-Argument, weil genau das eben nicht passiert. Der Ethno-Faschismus von einem Black Panther zum Beispiel wurde weitaus weniger breit in der Öffentlichkeit diskutiert als jetzt die Szene von Otto. Und ich denke es ist klar, was von beiden mehr Menschen gesehen haben.

Die Realität ist nunmal, dass die entsprechenden Gruppen lieber einen sexistischen und rassistischen Drecksfilm wie das Ghostbuster-Remake verteidigen als klar feministische Filme wie Assasination nation, Anhilation oder wenn man richtig krass wäre The wild boys in die breite Öffentlichkeit zu zerren. Und so lange das der Fall ist, fällt es mir eben schwer Kritik wie am Otto-Film als mehr zu sehen als den Versuch sich mit einfacherer (was nicht zwingen heißt unberechtigter) Empörung Aufmerksamkeit zu verschaffen.

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Für mich ist die Argumentation etwas widersprüchlich, auf der einen Seite eine Debatte, ein Kontextualisieren und ein Einbetten zu wollen und auf der anderen Seite, den Vorwurf des Rassismus nicht gelten lassen zu wollen. Und viel mehr noch eine Empörungs-Rhetorik, ein Missverstehen und eine Nichtbereitschaft zur Debatte zu unterstellen.

Der Vorwurf löst für mich die Debatte erst aus. Ist es da nicht die Aufgabe der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland in diesem Falle Aufzuschreien und gehört zu werden, damit diskutiert und entschieden wird, wie familientauglich, alltäglich gebräuchlich und klamaukig oder eben rassistisch/antirassistisch der Film heute noch ist?
Wäre der Film ohne den Vorwurf einfach nur kommentarlos als Kultfilm wiederaufgeführt worden?

Man kann, wie an uns beiden offensichtlich, die Szene und den Film unterschiedlich bewerten und man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob man den Film kommentarlos zeigen sollte, mit Kommentar oder vielleicht auch gar nicht. Das hat für mich nicht gleich etwas mit Emtmündigung zu tun, sondern eher mit dem Auseinandersetzen mit gefeierten Kultfilmen und mit möglichen Problemen mit den darin gezeigten Inhalten. So entstehen dann doch erst die Medienkompetenzen. Und ich kann der Argumentation von Wolfgang folgen, nur finde ich sie in dem Fall (wie leider auch öfters) sehr einseitig, undifferenziert und parteiisch, da sie komplett auf der Intention der Schreiber bleibt und die antirassistischen oder indentiert antirassistischen Aspekte hervorhebt. Das dort noch andere Aspekte zu berücksichtigen sind und das man dem Film auch Problematiken vorwerfen und die Szenen anders lesen kann, sollte man in der Debatte aber auch zulassen. Dann einfach ein Nichtverstehen und eine reine Provokation zu unterstellen, empfinde ich da eher als eine Entmündigung.

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Danke!

D.h. du lässt eine Debatte nur dann zu, wenn sie deine Meinung ist? Denn im Grunde sagst du: Er hat einen Punkt, ich aber auch. Deswegen machen wir es, wie ich es will.
Das grundsätzliche Ziel einer Debatte ist bereits jetzt erfüllt. Das Auskommen eben jener ist aber ungewiss. Demnach stehen sich weiterhin beide (alle) Seite gegenüber und es gilt zu klären, wer wie Recht hat.

Twoflower hat genau das Gegenteil gemacht und daran erinnert, dass weder die Autoren noch Wolfgang, noch Hatori hier eine ‘vollkommene’ Position einnehmen. Und wenn man diese Positionen kritisiert, heißt das nicht man würde unterstellen sie liegen grundsätzlich falsch.

Da würde ich gerne wieder näher am Film bleiben und wie man mit solchen Filmen umgehen könnte, anstatt zu fordern, jetzt müssen wir abstimmen, wer recht hat und wer falsch liegt. Das lenkt einfach nur unnötig ab.

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