Thema #4: Nouvelle Vague
Film: Außer Atem (À bout de souffle) von Jean-Luc Godard
Erscheinungsjahr: 1960
Laufzeit: 87 Minuten
Wo gesehen: Sky
Jean-Paul Belmondo spielt einen kleinkriminellen Autodieb, der bei einer Verkehrskontrolle einen Polizisten erschießt. Es beginnt die Flucht. Also theoretisch, wenn’s ein normaler Film wäre. So beginnt eher ein philosophischer Austausch mit einer amerikanischen Austauschstudentin. Dann ist der Film auch schon zu Ende.
Über die speziellen Filme hier freut, wundert oder ärgert sich hier ja schon so mancher. Bin aber überrascht, dass gerade „Fahrstuhl zum Schafott“ so schlecht ankommt. Persönlich finde ich bis jetzt z.B. die Filme von Malle, Melville oder Chabrol öfters richtig toll, da sie für mich viel zugänglicher sind (meist wird in den Filmen ja eine normale Geschichte erzählt, welche eben mit ein, zwei Spielereien ausgeschmückt werden) als die puren Nouvelle Vague Filme von Godard, Truffeaut oder Rohmer. Da ich mich an diese bisher auch seltener herantraue, ist „Außer Atem“ erst mein 3. Film von Godard gewesen.
Gefallen haben mir die Optik und besonders die Musik. Die vielen Spielereien, wie der Durchbruch der 4. Wand und solche Dinge haben zudem eine schöne Humorkomponente in den Film gebracht. Die braucht es aber auch, macht den Film so aber wirklich gut. Manche Stimmen ärgern sich, dass wir 90 Minuten einem richtigen Arschloch folgen müssen. Ich meine der Film ist komplett auf eine Figur zentriert, welche ein Dieb und Mörder ist und zu seiner Umgebung, besonders Frauen, ein richtiges Ekel ist. Aber allein, dass der Film in der ersten Sekunde damit beginnt, dass Belomondo sagt: „Eigentlich bin ich ja ein Schwein“ und zwischendrin mit uns redet: „Eure Meinung (die des Zuschauers) ist mir scheißegal“; macht die Sache recht deutlich. Da braucht es dann keine moralische Aufbereitung.
Ansonsten ist es wie meist bei solchen Filme. Entweder man wird von der schönen Musik, den Bildern von Paris und dem Flair mitgenommen oder man langweilt sich; da es eben (beabsichtigt) keine wirkliche Story, keinen Erzählstrang oder Faden gibt. Dazu gibt es mal wieder einen Haufen alte Filmverweise, hier besonders an Humphrey Bogart und alte Western-B-Movies angelehnt.
Mein Fazit ist, mir haben die ersten 30 Minuten und die letzten 30 Minuten richtig gut gefallen. Da hat mich diese spezielle getriebene Atmosphäre (man ist ja außer Atem) durch Paris, die wunderschöne Optik und die tolle Musik richtig bekommen. Der 30 Minuten Mittelteil dagegen findet komplett in einem Hotelzimmer statt und war für mich der Schwachpunkt des Films.
Hier dauert es einfach für die Eindrücke die wir bekommen (Belmondo, der ungebildete und ungehobelte Gangster vs. Jean Seberg, die wunderschöne gebildete Austauschstudentin) zu lange und ist mir etwas zu zäh.
Das mag auch daran liegen, dass mir die Dialoge in diesem Film nicht so gefallen haben, wie in „Die Verachtung“. Wie schon geschrieben @Drake4849 hat, konnte ich mich bei „Die Verachtung“ richtig in diese Dialogmischung aus Philosphie, Filmverweisen und Gesellschaftskritik hineinlegen, hier ist es dagegen reichlich nichtssagend. Klar am Anfang gibt es schon mal einen Schmunzler wenn Jean wieder Minuten lang philosophiert und Belomondo nur antwortet: „Aber deine Zehen die sind echt schön.“ Das nutzt sich aber mit der Zeit ab. Außerdem hab ich das leichte Gefühl, Godard hatte in seinem Leben nicht das beste Verhältnis zu amerikanischen Austauschstudentinnen.
Insgesamt hätte ich sicher schnell die Schnauze voll, wenn ich ständig nur solche Filme anschauen müsste. So immer mal wieder einen dieser Filme, kam bei mir bis jetzt aber sehr gut an. Ein Hauptgrund ist für mich ganz klar dabei die Musik. Ich stelle mir gerade so einen Film ohne treibenden Soundtrack, in kompletter Stille oder mit nerviger Geräuschkulisse vor. Da würde mir der Spaß wohl schnell vergehen.
Am Ende würde ich den Film, von den drei Filmen die ich von Godard bisher gesehen habe etwas über „Elf Uhr nachts“ und sehr weit unter „Die Verachtung“ (den feier ich wirklich sehr) einordnen.
7 von 10 Atemzüge im Zigarettenqualm
Als Tipp für Interessierte an Nouvelle Vague: Der Film: „Viva Maria!“ (1965) von Louis Malle ist ein Western im Stil der Nouvelle Vague. Das es sowas gibt wusste ich auch noch nicht lange. Ist eine Mischung aus den Djangofilmen und mexikanischen Revolutionsfilmen wie „Duck, You Sucker!“ mit eben ein paar Sprenklern der Nouvelle Vague (starke Frauenfiguren, surreale Elemente (Geköpfte Köpfe können noch sprechen usw.) etc.). Wer also mal einen abgefahrenen Western in dem Stil sehen will. Empfehlung.