Thema #158: Besessen von Kunst
Film: Die Novizin (The Novice) von Lauren Hadaway
Erscheinungsjahr: 2021
Laufzeit: 94 Minuten
Wo gesehen: Paramount+
Studentin Alex kommt ins Uni-Ruderteam und wird besessen vom … Rudern.
Die Kunst steckt also nicht nur in der Kunst und in der Musik sondern auch im perfekten Ruderschlag. Obwohl es grob überschlagen tatsächlich von gut 90 Minuten mindestens 80 davon nur ums Rudern geht (und davon gefühlt 70 Minuten um „Trockenübungen“) ist es unschwer zu erkennen, dass es der Regisseurin bei ihrem Regiedebüt um die Obsession an sich geht: Immer die Beste werden in dem was man anfängt, denn der Zweite ist ja der erste Verlierer.
Filmisch würde ich sagen hier ist „Black Swan“ in Indie und statt Ballett gibt es Rudern. Fand die Parallelen schon sehr groß.
Trotzdem würde ich diesem Film die Eigenwilligkeit nicht absprechen und er hat auf mich auch eine gewisse Faszination ausgeübt. Die Faszination fußt sicher auf dem Fokus auf die Hauptperson. Denn in dem Film geht es zum größten Teil um eine intrinsische Zerstörung. Man hat also keinen super harten Trainer-Hund, der unsere Protagonistin zerstört oder sonstige hauptsächliche äußere Einflüsse. Dadurch läuft auch alles zentral auf die Hauptperson zu, die überaus genial von Isabelle Fuhrman gespielt wird.
Eine Sololeistung der Extraklasse und außerdem ein in meinen Augen wilder Film für sie. Wenn du nicht eh schon was besseres zu tun hast, als in ein paar Wochen wie eine Irre Rudern lernen zu müssen, bekommst du dazu noch keine Szene ohne Flüssigkeiten serviert, jeder New-Wave-Schmuddelfilm wäre neidisch. Entweder du bist nass (Regen, Fluss, Getränke, Sanitär) oder voll Blut oder voll Schweiß oder voll Körperflüssigkeiten (ehrlicherweise birgt das bei dem Filmthema natürlich schon so etwas wie Ironie, wenn deine Hauptdarstellerin in Wirklichekeit so leiden muss, um die Hauptrolle des Films zu spielen aber naja macht das Filmthema noch komplexer).
Überhaupt alles rund ums Rudern und den Vergleichen (teils auch einige surreale Elemente sehr gut eingebaut (bin ich ja im Vergleich zu vielen gerade in so Indie-Streifen oft nicht so der Freund davon, wurde hier aber (mit Ausnahme der irgendwann dann doch zu viel werdenden Krabben-Montagen) in meinen Augen einfach gekonnt umgesetzt)) doch recht stark.
Zu viel des Lobes möchte ich jetzt aber auch nicht ausschütten, denn der Film hat schon so ein paar Probleme, die ich in solchen Filmen häufiger empfinde. Das autobiographische dieses Films drückt voll durch. Da werden viele Arthouse-Fetischisten erst recht in Jubelarien ausbrechen und ich finde das bei diesem Film, wieder, in Sachen Rudern und zentraler Hauptfigur auch sehr gelungen (da der Film so einen starken Fokus hat, haben mich die anderen Sachen diesmal wohl auch deshalb nicht so stark gestört), jedoch in der schmalen Rahmenhandlung weniger. Da bleibt alles sehr diffus, hektisch und wenig ausgeleuchtet: Eben genau das, was ich bei diesen Filmen immer denke: Okay mit was Füllen wir jetzt noch das Füllmaterial. Naja, wenn wir schon autobiografisch unterwegs sind halt mit den Ereignissen im Schnelldurchgang, die mir in den Jahren selbst passiert sind. Okay.
Nicht jedes Leben muss verfilmt werden. So hätte ich da einfach von manchem auch gerne mehr Tiefe gehabt, wie beim Rudern eben. Zum Beispiel würde ich einfach gerne wissen in was die Hauptprotagonistin denn wirklich richtig gut ist (wer den Film gesehen hat versteht das) und auch die Familien, Freundschafts- und Beziehungsdinge abseits des Ruderns waren jetzt nicht so der 1. Platz für mich und nehmen dem Film noch ein bisschen mehr Kraft.
Aber wie gesagt das Problem liegt in meinen Augen hier in dem Stilmittel der Autobiografie, das toll als Ideengeber in Indie- oder auch Arthousefilmen für mich funktioniert aber einfach dann oft zu sehr überstrapaziert und ausgebaut wird. Gerade im Vergleich zu zum Beispiel „Black Swan“ verwässert dass dann alles drum herum zu sehr und am Ende kommt noch jemand auf die Idee und sagt: Bis hier her lief es doch noch gut, wie bei der Regisseurin. Let’s go girl. Elon Musk sagt das sicher.
Ein Film der so eben letztendlich keine wirkliche gesellschaftliche „Abrechnung“ oder Beobachtung aufführt aber sehr wohl jedem eine individuelle Problemstellung gibt.
Alles in allem also doch eine Empfehlung von mir, denn man bekommt hier einen stark zentrierten Film über Obsessionen in Leistungsgesellschaften, hier in Form des Ruderns und eine bockstarke Hauptdarstellerin dazu, eingebettet in ein etwas sanftes Rahmenkonstrukt. Also nicht zufrieden mit allem aber ich sag mal zwischen 6 und 7.
7 von 10 Ruderschläge