Ich hoffe der Rutsch war gut und ein frohes neues Jahr. Auf das ihr auf noch mehr Lieblingsfilme stoßt.
Thema #75: Lieblingsfilme
Film: Im Westen nichts Neues (All Quiet on the Western Front) von Lewis Milestone
Erscheinungsjahr: 1930
Laufzeit: 136 Minuten
Wo gesehen: TV-Programm (Tele5)
1914 wird eine Schulklasse durch ihren Lehrer für den Krieg euphorisiert und alle melden sich freiwillig. Nach einer sadistischen Ausbildung geht es an die Front. Der Euphorie weicht Schrecken und Tod.
Zugegeben ich hab mir eigentlich für den Neujahrestag auch einen mir bekannten Lieblingsfilm bereit gelegt oder hätte wie @Drake4849 den alljährlichen Blick auf den fantastischen „Ist das Leben nicht schön?“ richten können, hab aber ja geschrieben, man kann auch versuchen Neues auszuprobieren und somit gab es eher zufällig für mich zum Jahresabschluss den 4. First Watch den ich dieses Jahr mit 10 von 10 bewerten konnte.
Gibt möglicherweise ein paar von euch, die den Film schon mal in der Schule gesehen haben, ich nicht und so kommt dann das klassische: „Fast jeder kennt den Namen, den Film hat man aber gar nie gesehen“ zustande.
Was soll ich groß sagen? Alles an diesem Film war beeindruckend. Erstmal ist es, trotz natürlich zahlreicher Restaurierungen, für mich unglaublich wie der Film aussieht. Jetzt hab ich ja aus der Zeit zwischen sagen wir mal 1920-1940 auch schon ein paar Filme gesehen, von denen mich auch einige auf ihre Art und Weise beeindruckt haben, aber kein Film aus dieser Zeit sieht im Ansatz so aus, wie dieser Film hier. Die dynamischen Kamerafahrten, die Effekte, die Schnitte, Großaufnahmen…
Das Sounddesign macht einen ziemlich fertig, nach spätestens einer Stunde bin ich manchmal schon fast selber auf dem Sofa zusammengezuckt, wenn da wieder mit brachialer Gewalt alles übertönt wurde. Das wäre bei einem unrealistischen Film, mir vielleicht sogar eine Spur zu viel gewesen. Hier nennt man das wohl Immersion.
Zu dieser Immersion lässt sich sagen, dass es wohl viele Schnittversionen von dem Film gibt. Ich blende mal die ganzen alten vollkommen zerschnittenen Versionen aus, so hat Tele5, hier eine recht neue aufgearbeitete Version gezeigt, exakt welche konnte ich aber nicht herausfinden. Aufgefallen ist mir, dass die „Stiefelszene“ enthalten war, die ist wohl aus vielen Versionen herausgeschnitten, die „Gasmaskenszene“ war aber glaube ich bei dieser Version geschnitten. Auch hatte ich deutsch Synchronisation, was wiederum in meinen Augen perfekt passt, da wir ja über 2 Stunden nur Deutsche begleiten.
Trotzdem würde ich gespannt sein den Film noch in weiteren Versionen (z.B. im Vergleich amerikanische Synchronisation und andere Schnittfassungen) sehen zu können. Da ja Mitte 2022 ein Netflix-Remake (seufz) kommen soll, wird dem Film vielleicht 2022 mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn ich eins kritisieren kann, dann nämlich die allgemeine Verfügbarkeit. Ein so unendlich wichtiger Film der über 90 Jahre alt ist, ist meist nur kostenpflichtig erhältlich, wird fast nie im TV ausgestrahlt und scheint überhaupt nicht leicht zu bekommen zu sein; mir wenig verständlich.
Schauspieler und Schauspielerinnen waren für diese Zeit eher ungewohnt zurückhaltend, was natürlich sehr passend ist. Ist aber natürlich von den Gesichtern und so immer noch etwas was man heute wohl eher unter Overacting einordnet, damals wohl eher ein Underacting-Film.
Inhaltlich ist die Sache klar: Negativ würde es heißen: Wenig subtil und mit dem Holzhammer. Positiv: Unmissverständlich. Und was wird noch heute über das Genre Antikriegsfilm und kann es so etwas überhaupt geben diskutiert. Da sag ich mal ist unmissverständlich wohl das größte Kompliment, was man einem Film von 1930 machen kann. Denn das hier ist in meinen Augen wohl genau das was man Antikriegsfilm nennen darf.
Überhaupt ist der Film für 1930 unglaublich wenig: „Die Deutschen sind die Bösen“ (hätte man ja genug Gründe gehabt), sondern viel mehr: Krieg ist böse. Umso abscheulicher, dass der Film so lange in Deutschland verboten war und wir ja alle wissen, was dann so passiert ist. Der Film konnte also gar nicht deutlich genug sein. Man stelle sich vor, es hätte die Möglichkeit gegeben, dass sich jeder den Film damals anschauen kann.
Hinzu kommt, wie auch einige bei ihren Lieblingsfilmen geschrieben haben, dass der Film einem doch eine Gefühlsachterbahn der Extraklasse liefert, denn man hat immer wieder einen Hoffnungsschimmer in diesem Film – der dann immer wieder jäh zerschlagen wird. In diesem Kontext ist gerade die Endszene einfach nur beeindruckend (und vielleicht fließt hier und da auch ein kleines Tränchen).
10 von 10 Schmetterlinge