Thema #114: Paraphilie
Film: Belle de Jour von Luis Buñuel
Erscheinungsjahr: 1967
Laufzeit: 101 Minuten
Wo gesehen: TV-Aufnahme (Kinowelt)
Catherine Deneuve als wohlhabende Frau des Arztes Pierre langweilt sich in ihrem Leben ganz schön und gibt sich erotischen Tagträumen hin. Obwohl sie ihn zu lieben scheint, läuft im Bett schon lange nichts mehr. Eine Mischung aus Neugierde und Abscheu lässt sie schon bald ihre Tagträume in die Tat umsetzen und so wird sie in einem Pariser Bordell zur „Schöne des Tages“. Zwischen Sadomaso, Nekrophilie, Tiererotik und sonstigen Sonderwünschen der Freier treten auch bald Probleme in ihrem Doppelleben auf. Es kommt zur Katastrophe – oder?
Tatsächlich ist der Film auf Letterboxd und auch im sonstigen Diskurs mittlerweile der berühmteste Langfilm von Buñuel (am kommerziell erfolgreichsten war er schon immer) und da ich schon einige andere Filme von ihm kenne warum nicht mal den anschauen?
Als Stärken des Films haben mir die tolle Farbpalette gefallen und das Spiel des Films, dass man eigentlich nie so wirklich weiß, was jetzt in der Traumwelt passiert und was in der Realität (besonders gegen Ende). Ansonsten ist das für einen Buñuel der eher späteren Phase ein erstaunlich strukturierter Film, der zwar noch viel Symbolik bereithält aber bei weitem nicht so surreal ist, wie zum Beispiel „Der Würgeengel“ oder „Das Phantom der Freiheit“.
Das finde ich aber eigentlich ganz entspannt, denn ich bin nicht immer der größte Freund von überquellend surrealistischen Filmen (witzigerweise ist eine der wenigen Ausnahmen eben „Der Würgeengel“ von ihm, den finde ich super).
Ansonsten ist der Film aber absolut typisch Buñuel mit seinen extrem vielen Interpretationsansätzen, die durch den Aufbau und die Machart eben möglich sind. Da wäre natürlich vieles, was zu unserm Thema passt, was unterdrückte sexuelle Bedürfnisse die von der Norm abweichen sind und was unseren Hauptcharakter ziemlich einschränkt.
Auf der anderen Seite ist es typisch Buñuel, dass er einige Spitzen an die Bourgeoisie schickt, wenn auch aus meiner Sicht weit weniger bissig, wie in vielen seiner anderen Werke.
Insgesamt fand ich den Film in Ordnung, müsste aber Lügen, wenn ich von dem bekanntesten Werk von ihm nicht um einiges mehr erwartet hätte. Diese extreme Zurückhaltung in der Darstellung der angesprochene Dinge (die sich dann im Kopf des Zuschauers festsetzen soll) fand ich nicht immer passend.
Bei mir kam nie das Gefühl auf, dass die Hauptdarstellerin wirklich mal in einem dieser Fetische aufgeht. Das sah für mich teilweise wie so eine Suchttherapie von Alkohol oder sonstigen Drogen aus. Da wird irgendwann auch nur noch konsumiert, weil man muss – ohne jegliche Freude. Bei bestimmten Sexsüchten finde ich das als Beispiel eher so semi, denn da wird ja doch auf ein gewisses Lustempfinden (aus den „seltsamsten“ Dingen) hingearbeitet und erst wenn das verklungen ist kommt vielleicht die Reue. Diesen „Höhepunkt“ hab ich der Person aber nie angemerkt oder abgenommen… es sprach für euch Dr. Freud Mostahsa .
Durch die unzähligen Interpretationsansätze, fand ich auch, dass der Film entgegen vieler heutiger Wahrnehmungsmeinungen, nicht so wirklich was von Freiheit der Frau, des Sex, des Fetisch etc. erzählt. Sondern böse gemeint sich vielleicht am ehesten noch über diese Dinge eher lustig macht – denn wer außer die Stinkreichen da oben könnte es sich schon leisten über solche „nichtigen“ Dinge Gedanken zu machen. Wird für mich auch untermauert durch das Klientel des Puffs, die alle stinkreich sind, egal ob „legal“ oder „illegal“.
Wie immer natürlich auch möglich, dass Buñuel das alles so wollte. Hab mir auch einige Reviews dazu durchgelesen. Finde das meiste aber eher nicht so überzeugend.
Wenn man schon mal bei Buñuel ist, möchte ich dafür Werbung für unbekanntere Filme von ihm machen. Vor ein paar Monaten hat Arte mal „Morgenröte“ (1956) von ihm restauriert ausgegraben. Im Gegensatz zu über 70.000 Sichtungen wie hier, damals noch keine 70 Sichtungen auf Letterboxd. Fand den aber richtig gut.
Zurück zum Tag: Filmisch vielleicht noch für manche interessant fand ich die großen Parallelen zu „Vertigo“. Nicht nur das Thema der Nekrophilie sondern auch das Aussehen der Hauptdarstellerin – die in manchen Szenen für mich schon fast wie eine Hommage wirkte. Wer also auf „Vertigo“ steht, der kommt um den Film hier denke ich nicht drumherum. Passt bei mir aber auch wieder: Wie bei Buñuel und diesem Film hier, gefallen mir von Hitchcock unzählige Werke viel besser im Vergleich zu „Vertigo“.
Wie die ganze Review möchte ich noch mit etwas Positivem und Negativem abschließen. Michel Piccoli verkörpert diesen absoluten Arschloch-Freund genial. Gab keine Szenen wo ich dem nicht gerne die Fresse poliert hätte. Auf der anderen Seite verstärkt das auch nochmal mein Mitleidsgefühl mit dem Arzt. Der den ganzen Tag gewissenhaft im mit wichtigsten Job arbeitet, dafür gut verdient und als dank dafür in seiner Mini-Minifreizeit nicht mal Sex sondern dafür nur dumme Sprüche seines reichen Arschloch-Freundes bekommt. Gepaart mit dem Verlauf des Filmes, die ärmste Wurst.
Negativ: Die wenigen Actionszenen sehen grandios scheiße aus (gipfelt in der Schusssequenz). In anderen Filmen (wo das etwas bedeutsamer wäre) hätte ich die Hände über den Kopf zusammengeschlagen.
6 von 10 schöne Träume (vielleicht habt ihr die ganze Review auch nur geträumt und nichts davon war so. Ha!)