Thema #122: Flüssiges Wasser
Film: Der Strom (The River) von Jean Renoir
Erscheinungsjahr: 1951
Laufzeit: 99 Minuten
Wo gesehen: Sky (Aufnahme)
Am Ufer des Ganges spielt sich ein großer Teil des indischen Lebens ab. Aus der Sicht des Tagebuchs eines 14-jährigen, englischen Mädchens bekommen wir nun einerseits eine Menge Einblick in die kulturellen und religiösen Gebräuchen der Inder und andererseits in das Familienleben einer britischen Kolonialgroßfamilie.
Was für ein extrem seltsamer Film. Jean Renoir war ja der Sohn des berühmten Malers Auguste Renoir und ist mehr für viel frühere Filme (meist aus den 30ern) berühmt. Das hier hat sich aber mehr wie ein Bild seines Vaters angefühlt und weniger wie ein Film von ihm.
Heißt: Dieser Film ist eine Farbpracht. Scheint ja gefühlt langsam für jeden Film auf dem Planeten schon mal eine spezifische Umfrage gegeben zu haben aber auf die Frage was der optisch schönste Farbfilm aller Zeiten sei antwortet Martin Scorsese meist: „The River“ (und nachträglich zu seinem 80. Geburtstag schau ich den dann natürlich auch mal brav. Er selbst hat ihn angeblich schon weit über fünfzig mal gesehen).
Kann ich aber verstehen. Diese Bilder vom Ganges zu verschiedenen Jahreszeiten und überhaupt die ganze Farbpalette des Films fand ich ziemlich einzigartig und sehr stark.
Auch ansonsten fand ich den Film ziemlich einzigartig. Ob ich das aber wirklich gebraucht hätte ist eine andere Frage. Denn inhaltlich gibt es hier eine wilde Mischung: Halb, zu dieser künstlerischen Farbpalette passend, philosophischer Arthousefilm über den Strom des Lebens, den Fluss der Zeit und eine Reihe weitere mystische Gangesbeschreibungen und halb kitschiger Coming-of-Age-Film aus den 50ern, vergleichbar mit diesen Hollywoodfilmen von damals, die immer extrem viele Jugend- und Kinderrollen um einen Tisch versammelt haben.
Keine Ahnung, „Lockende Versuch“ ohne Charakterbeschreibung, eine Folge „Bonanza“ im Ganges; so was ähnliches halt. Wenn sich die Handlung darum dreht, wie sich ein 14-jähriges Mädchen darüber aufregt, dass sie den versehrten britischen Offizier nicht für sich gewinnen kann weil sich die 16-jährige Schwester und die 15-jährige Freundin „stärker“ um ihn bemühen, während der kleine Bruder jeden (auch den Zuschauer) damit nerven will, dass er jetzt mit einer Flöte Schlangen beschwören kann, dann weiß man doch wieder kurz in was für einem Film man gelandet ist.
Besonders die Dauerbeschallung des jugendlichen Voice-Over aus dem Tagebuch war für mich mehr nervig wie durchdacht und die ruhigen Phasen waren für mich definitiv die Besten.
Vielleicht hat der Martin den Film aber auch als kleiner Junge schon öfter gesehen, denn als Familienfilm 1951 kann ich mir vorstellen, haut die Kulisse und Farbgebung einem die Synapsen raus. Inhaltlich war das für mich heutzutage aber eine sehr krude Mischung aus Philosophieseminar im Religionsunterricht über den Hinduismus und dem alten Hollywoodkitsch in Sachen Kinderrollen.
Das war auch beim Anschauen ein komisches Ding: Ständig hab ich mir gedacht, was für ein nerviges Voice-Over und was der Film manchmal labert und trotzdem war ich immer gespannt zu was das den führt. Die Antwort, zu nichts; ist wenig befriedigend aber an der Strippe ist man ja trotzdem irgendwie geblieben…
Richtig interessant finde ich, dass Renoir einige Co-Regisseure aus Indien für den Film angeworben hat. So ist Satyajit Ray zum Film gekommen und konnte uns später all die Meisterwerke schenken, wovon ich gerade genüsslich 4 Stück in der arte-Mediathek anschaue: Die Filme sind für mich dann doch nochmal um einiges besser als dieser hier und trotzdem an Bildgebung konnte der gute Mann hier sicher einiges lernen.
Sehr seltsame Filmmischung eines klassischen Hollywood-Familienschinken, vor spiritueller Gangeskulisse in strahlendem Technicolor. Befremdlich aber einzigartig, so schwanke ich zwischen 6 und 7:
7 von 10 Wasserfeste