Thema #125: Sight and Sound – Greatest Films of All Time 2022
Film: Stalker von Andrei Tarkovsky
Erscheinungsjahr: 1979
Laufzeit: 162 Minuten
Wo gesehen: Youtube
Irgendwann in der Zukunft: Eine Zone von der niemand weiß woher oder von wem sie kommt, noch was sie genau ist befindet sich auf der Erde. Sie soll alle Wünsche erfüllen können. Menschen bezahlen sogenannte Stalker um sie durch die Absperrungen, Bewachungen, Fallen und „Eigenheiten“ der Zone zu bringen. Eines Tages bricht ein Stalker, verheiratet und Vater einer behinderten Tochter, mit dem „Schriftsteller“ und dem „Wissenschaftler“ in die Zone auf. Nicht nur der Beginn einer Abenteuerreise sondern auch eine Reise ins Innere der Menschheit.
Gar nicht so leicht auf der Liste einen Film zu finden, den man noch nicht kennt und der so in sehr guter Qualität (und sehr guten Untertiteln) leicht zu finden ist. Ist bei den meisten Filmen von Tarkovsky aber auf Youtube der Fall. Ich hab von Tarkovsky bisher nur seinen Kurzfilm „The Killers“ gesehen, deshalb war ich jetzt ziemlich gespannt auf meinen ersten Langfilm von ihm.
Gerade von solchen Autorenfilmern (von denen ja genug auf der Liste sind) halte ich es jetzt nicht für mega-unwahrscheinlich, dass wenn einem der Stil von einem der Filme gefällt, man auch mit vielen weiteren der Film was anfangen kann (deshalb bei allen Listendiskussionen, sind diese Listen ja auch immer toll - nicht um nur tolle Filme zu entdecken sondern um sich einen Überblick über Leute, Genres und Themen zu machen). Andersherum aber genauso. So bin ich vor meinem ersten Film eines Regisseurs doch immer besonders gespannt (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Und was für eine große Freude für mich, dass „Stalker“ ja mal absolut genial war. So richtig viel wusste ich von dem Film vorher nicht, hab mich auf einen recht langsam, ruhigen und philosophisch-dystopischen Scifi-Film eingestellt. Das gab es auch aber noch um einiges mehr.
Bei dem Film lass ich die inhaltliche Interpretationsebene jetzt mal zum größten Teil weg. So richtig könnte ich dem wohl eh nur gerecht werden, wenn ich jetzt anfange 1000 Seiten zu schreiben.
Stattdessen gibt es filmisch viele Dinge, die mich begeistert haben. Ich habe zum Beispiel nicht damit gerechnet, dass in dem Film ja ein richtiger, kleiner, schon fast ans klassische Hollywood erinnernde, Abenteuerfilm steckt. Der Film hat eine durchgehend hohe Grundspannung. Klar sind die philosophischen Exkurse der verschiedenen Figuren hoch interessant aber der Film vergisst nie auch ständig „reale“ Spannung zu erzeugen: Was lauert hinter der nächsten Ecke, auf welche Schwierigkeiten führt uns die Reise der drei Protagonisten noch und völlig simpel: Was wartet eigentlich „am Ende der Zone“ auf uns?
Ein mystischer, geheimnisvoller Film. Ein Film, der mit den Mitteln wie er gedreht wurde eine für mich einzigartige Atmosphäre kreiert. Diese Landschaften, das Waten in den verdreckten Flüssen und im hohen Gras. Übrigens wundert es mich 0, dass viele Beteiligte an diesem Film krank geworden sind. Die Krankheit springt dir ja schon fast durch den Bildschirm, wenn man den Film anschaut: „Schnee fällt im Sommer und weißer Schaum treibt im Fluss“.
Ein wie ich fand sehr naturalistischer Film, mit meist nur der Stille und dem Knacken der Schritte aber dann und wann auch mit einem unglaublich tollen Soundtrack.
Das alles führt zu einem richtigen Sog. Man ist auf einmal selbst auf einem Abenteuertrip, der auch mit dem Abenteuer selbst (dem Film) nie endet, weil man so viele Dinge von Tarkovsky auf den Weg bekommen hat; dass der unterschiedlichste Mensch das unterschiedlichste Abenteuer mit diesem Film erleben kann. Von subtilsten kleinen Verweisen über gefühlt alles (Politik, Ökonomie, Wissenschaft und Technik, Kunst, Religion und Glaube, Spiritismus und Natur, Liebe und Zuneigung, Trauer, Freude, Glück, Leid usw. etc. uvm. …) bis hin zu ganz „einfachen“ emotionalen Momenten: Du darfst traurig sein, du sollst sogar traurig sein. Aber am Ende darfst du auch immer hoffnungsvoll sein, du sollst sogar hoffnungsvoll sein.
Um wieder mit dem Thema zu enden: Dieser Film vereint für mich das, dass die besten Filme dieser Liste und überhaupt eben mal wieder vereint: Dieser Spaß und diese Freude am Film (trotz dieser unglaublich bedrückenden Atmosphäre des Films) mit einer filmischen Genialität in ein Genrekonstrukt zu legen, dass ein spannender Film dabei herauskommt und trotzdem nie ein Zweifel besteht, dass der Film so viel mehr aussagt, so viele Ebenen hat und so viele wichtige Themen anspricht.
Und obwohl wahrscheinlich jeder dieser Filme handwerklich perfekt ist und thematisch recht intelligent (obwohl eine gewisse Intelligenz oder halt Dummheit, wenn es einem nicht gefällt, in so gut wie jedem Werk steckt welches existiert) ist auch diese Liste eine Liste wie jede andere: Denn ob einen ein Film mitreist, emotional berührt, spannend ist, beeindruckend ist oder einfach „nur“ unterhaltsam - das steht auf ganz anderen persönlichen Listen.
Und so ist es eben so, dass ich manche Filme dieser Liste schon früh irgendwann mal gesehen habe, lieben gelernt habe und immer wieder angeschaut habe (z.B. "Spiel mir das Lied vom Tod oder „Chihiro“, man später auf Filme trifft, die einem persönlich genau dieses Gefühl wieder vermitteln (z.B. jetzt Stalker oder die beiden Mizoguchi-Filme („Sansho“ und „Ugetsu“ in der Liste)), so viel dazwischen und aber auch Filme wo ich sage (z.B. „Die roten Schuhe“ oder „Der Fremdenlegionär“ - nein danke).
Bei @UnclePhil hab ich zu „Stalker“ gelesen, er hat es nicht so mit Gedichten und ich hab es (besonders im Film) auch nicht so mit Gedichten. Aber in diesem Film gibt es einige Gedichte und bei mir war es nicht das letzte Gedicht, sondern das Gedicht des Stalker von und über seinen Freund „Stachelschwein“ was mir Gänsehaut bereitet hat.
Nebenbei ist euch aufgefallen, dass @spameule beim Thema Mainstream (!) mit „Der Pate 1“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“ einfach mal schnell zwei Filme dieser Liste weggesnackt hat … viel zu mainstreamhafte Anbiederung dieser Regisseure und Kritiker .
Ist eigentlich ganz einfach. Auf solchen Listen sucht man seine (!) Meisterwerke. Ich habe jetzt wieder eins für mich gefunden. Theoretisch ja nach einmal schauen erst mal eine 9 aber ich merke, wie ich jetzt schon Bock auf einen Rewatch hätte und der Soundtrack des Films läuft hier während der Review durchgehend im Hintergrund. Also was solls:
10 von 10 Wünsche