Thema: Sight and Sound’s Greatest Films of All Time 2022
Film: Daughters of the Dust von Julie Dash
Erscheinungsjahr: 1991
Laufzeit: 112 Minuten
Filmwahlbegründung
Da ich es in letzter Zeit doch ab und an etwas schade fand, wie vergleichsweise selten es doch Filme von weiblichen Regisseurinnen gibt, insbesondere wenn man nicht nur neue Filme schaut, hatte ich das Bedürfnis, diesmal auf jeden Fall einen Film einer Regisseurin zu schauen und dieser hatte ein hübsches Cover.
Handlung & historischer Kontext
Der Film spielt im Jahr 1902, 50 Jahre nach dem Ende der Sklaverei, auf der Insel St. Simons Island, an der Küste Georgias, bei Igbo Landing.
Igbo Landing ist eine historische Stätte mit tragischer Geschichte. Igbo sind eine afrikanische Ethnie aus Nigeria. 1803 sollte eine Gruppe gefangener Westafrikaner:innen mit dem Schiff nach Georgia gebracht werden, um dort als Sklav:innen auf den Plantagen zu arbeiten. Unter diesen Westafrikaner:innen befanden sich einige Igbo, die auf dem Schiff rebellierten und ihre Entführer ertränkten. Anschließend gingen sie gemeinsam in den Fluss, um sich dort zu ertränken, anstatt versklavt zu werden.
Da auf den Plantagen viele Sklav:innen zusammen arbeiteten, die aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern entführt worden waren und die kulturell weniger als anderswo von den weißen Sklavenhalter:innen beeinflusst worden waren, entwickelte sich die ethnische Gemeinschaft Gullah, die in der gleichnamigen Sprache (eine auf englisch basierende Kreolsprache) sprechen und viele afrikanische Traditionen bewahren konnten.
Die Regisseurin selbst hat familiäre Wurzeln in der Gullah Gemeinschaft, um die sich auch der Film dreht. Die Gullah Familie Peazant plant die Insel auf der sie leben zu verlassen und aufs Festland abzuwandern, um Richtung Norden zu ziehen. Als Abschluss dient ein gemeinsames Essen am Strand. Dabei treffen verschiedene Charaktere aufeinander und es kommen verschiedene Themen auf. Im Mittelpunkt stehen hauptsächlich die Frauen der Familie und die Geschichte folgt einer ungewöhnlichen, nicht-linearen, Struktur. Dies liegt daran, dass Julie Dash hier keine westliche Erzählweise wählen wollte, sondern die Geschichte so erzählen wollte, wie es in der Gullah Gemeinschaft Tradition ist.
Meinung
Mir hat der Film sehr gut gefallen. Zunächst einmal ist er optisch einfach total schön. Da der Film ausschließlich am Strand, den angrenzenden Dünen und Bäumen, am Fluss oder in sehr ursprünglichen Holzhüttchen in Mitten der Natur spielt, gibt es hier durchgehend schöne Naturbilder zu sehen. Diese riesigen, mit Louisianamoos behangene, Bäume und alles sieht farblich einfach so schön aus. Außerdem spielt der Film ja im Jahr 1902 weshalb die Kostüme auch total hübsch sind.
Die Erzählweise ist schon etwas ungewohnt, vielleicht gab es die ein oder andere seltsame Situation im Film und eigentlich passiert gar nicht allzu viel und man muss trotzdem sehr aufmerksam sein um am Ende alles zu verstehen. Ich war aber trotzdem fasziniert. Sich dann mit dem historischen Kontext zu beschäftigen war ebenfalls nochmal sehr interessant.
Ich hatte ja bereits am Anfang geschrieben, dass ich gerne einen Film einer weiblichen Regisseurin schauen wollte. Jetzt wurde es der Film einer afroamerikanischen Regisseurin mit einem Cast in dem nicht eine Person weiß ist. Das ist vermutlich, leider, besonders selten, auch heute noch, weshalb es mich zusätzlich besonders gefreut hat, diesen Film gesehen zu haben.
Gerade Geschichten die sich mit Sklaverei oder anderen historischen Zeiten in denen westliche, weiße Menschen andere Kulturen ausgebeutet und zerstört haben, beschäftigen, sind doch sehr oft ziemlich westlich geprägt. Zumindest in meiner Wahrnehmung, an dem gemessen, was ich bisher konsumiert habe. In vielen Südstaatengeschichten die ich gelesen und gesehen habe stehen die weißen Plantagenfamilien im Vordergrund. Das Thema Sklaverei wird nicht geleugnet, aber es findet auch nicht wirklich statt und die Sympathiefiguren dieser Geschichten sind auch stets welche, die ihre Sklav:innen toll behandeln (mal abgesehen davon, dass sie halt Sklav:innen sind ), weshalb die Sklav:innen selbst oftmals zufrieden mit ihrer Situation sind Und auch in Geschichten, die die Grausamkeiten der Sklaverei zeigen und in denen sich dagegen gewehrt wird, gibt es nicht selten weiße Sympathiefiguren, die die Sklav:innen in ihrer Rebellion unterstützen. Und da die Sklav:innen um ihre eigene Freiheit kämpfen und die weißen Sympathiefiguren aus Nächstenliebe handeln, sind sie dann am Ende der Star in einer Geschichte, in der weiße Menschen eigentlich die Verbrecher sein sollten.