Thema #129: New Year, new me: Film eines ungeliebten Genres (hier: Horror)
Film: Last Night in Soho von Edgar Wright
Erscheinungsjahr: 2021
Laufzeit: 117 Minuten
Wo gesehen: Sky
Ellie lebt mit ihrer Großmutter auf dem Land. Ihr Traum ist es Modedesignerin zu werden. Mit Stipendium und Studienplatz in der Tasche zieht sie nach Soho, London. Neben Mode liebt Ellie die 60er und hat den sehr frühen Tod ihrer Mutter noch nicht ganz verkraftet. Diese Mischung aus Vorfreude, Verträumtheit und Traumata bescheren Ellie eine harte Zeit in London.
Wie doch einige hier geschrieben haben bin ich auch jemand, der reine Romanzen nur sehr ungern schaut. Aber ohne sich vorher so richtig über Filme zu informieren, weiß man selten ob das jetzt eine reine Romanze wird oder eben nur einer von vielen Aspekten ist (klar so ein Hallmark-Film wäre sicher leichter zu klassifizieren aber es soll ja die Chance bestehen, dass uns der Film gefällt). So hatte ich letztes Jahr in der Letterboxd-Statistik Romance sogar auf Platz 4 der meistgesehenen Filme – aber eben fast immer nur als ein Teil der Filme.
Also mathematischer an die Sache: Von den Hauptgenres, schaue ich Horror am wenigsten. Meist mag ich das einfach nicht obwohl, wenn man dann und wann einen nachholt, die auch mal nicht so schlecht sein können. Und ein Horrorfilm in Kombination mit Modedesign – ein ikonischeres Duo für habe ich kein Bock drauf lässt sich nur schwer finden. Also wurde es der neuste Film von Edgar Wright, der in der Nachschau unser Wochen-Thema leider etwas zu ernst sah.
Die erste Stunde, ich sag mal ungefähr bis zur Halloween-Party war ein richtig guter Film. Mir hat fast alles gefallen. Die Optik, zusammen mit Wrights Musikvideostil, Schauspielerinnen und Schauspieler, das ganze Setting. Spannung und Interesse waren geweckt. Viele relevante Themen die er anschneidet (wenn auch natürlich manches recht klischeehaft; jeder „weiße Mann“ will ihr an die Wäsche, „Mitbewerberinnen“ entfachen einen Zickenkrieg, Nostalgieverklärung etc. - war schon noch okay fand ich) und manche Szenen fand ich sogar noch ein bisschen besser als „nur“ gut: Gerade die ersten beiden „Ausflüge“ in die 60er, wie sowohl Anya Taylor-Joy als auch Thomas McKenzie immer zusammen, mit Spiegelbildern, Tanzeinlagen usw. in das Filmbild eingebaut worden sind – große Klasse und hier erinnert auch einiges an große Klassiker und hat gleichzeitig seinen eigenen Stil.
Das ist ja ein neuerer Film und da werden die meisten schon alle möglichen Vergleiche zu allen möglichen bekannten Vorbildern gelesen haben. Was ich noch nirgends gelsen habe und mir aufgefallen ist: Die Parallelen zu „Dieses obskure Objekt der Begierde“ von Buñuel. Der baut ja auch immer einges an politischem Kampf und Klassenkampf in seine Filme, da hat er aber dazu den Kampf der Geschlechter mit eingebaut: Ein und die selbe Person wird hier von zwei verschiedenen Schauspielerinnen gespielt und dazu werden vor allem auch viele Bilder mit Spiegeln eingebaut. Da musste ich bei dem Film hier einige Male daran denken.
„Was war dann denn los?“ möchte ich Edgar Wright nach 60 Minuten fragen, denn passend zum Thema beginnt jetzt der Horrorfilm und noch passender zum Thema, jetzt auch eine ganze Menge Horror, den ich mit dem Film bekomme:
Es gibt diese generischen Grusel- und Geisterbilder, die an die sonstige Optik einfach nicht heranreichen (nein auch nicht als Kontrast). Es gibt einige Jumpscares - braucht kein Mensch sowas. So richtig hat Edgar Wright keine Ahnung mehr, was er eigentlich genau erzählen wollte und seine Figuren scheinen ihm zu entgleiten. Die Twists sind okay, aber mehr als ein: Aha, war bei mir da eher nicht drin. Ich habe viele Fragen, für mich macht einiges keinen Sinn mehr und verstanden habe ich glaube auch nicht alles (falls es da mehr zu verstehen geben sollte).
…Moment mal Sinn und Logik in dem Film und verstehen – nerv doch bitte nicht rum.
Oh doch. Denn der Film ist in sich ein absolutes Musterbeispiel, wie in der ersten Stunde ein Film viele optische Spielereien und mysterytouch hat (als wäre da alles wirklich „logisch“ aus der Realitätsperspektive - nein), was einfach fantastisch funktioniert. Wer hat schon Lust hier groß was zu hinterfragen, wenn es so gut ist.
Dann holtertdipoltert die 2. Hälfte daher. Das war schon sehr generisch in meinen Augen und auch die Aussagekraft des Films wird langsam aber sicher eher verschwommen und nichts Neues wird herausgearbeitet. Alles Tolle was ich erzählen konnte und könnte, es reichen dafür die ersten 60 Minuten, alles weitere: komplett überflüssig und auch recht unübersichtlich. Die Brillianz der Anfangsabstiege in die 60er, die kann man bei der Geschwindigkeit gar nicht mehr wirklich loben und kamen mir auch später mehr geschludert vor, als am Anfang.
Das alles würde ich nach den doch sehr starken ersten 60 Minuten als, naja ist dann halt kein Meisterwerk geworden aber ein toller Film mit 0815-Horroraufguss, gutes Teil. Bis er dann mit den letzten 5 Minuten den eh schon schlechteren 2. Teil noch so richtig in den Sand setzt. So ein typisches Ende, wie sag ich oft: Diese B-Western von früher. Klatschen dir einen ganz guten, vielschichtigen 70-Minüter hin um dann in Minute 71 irgend ein komplett unpassendes, er schnappte sich das Mädel und ritt in den Sonnenuntergang, Ende; was sich 0 aus dem Film davor ableiten lässt, rauszuquetschen. Meist heißt es dann, kein Geld, Studiozwang, keine Ideen. Ich tippe hier klar auf letzteres, die Idee der Geschichte reichte einfach nur für gute 60 Minuten, dann war Schluss.
So heißt es dann leider frei nach Barry Ryan:
„My Eloise, I’d love to please her, I’d love to care
But she’s not there."
Und so suche ich meine Eloise in der 2. Hälfte des Films noch immer.
Ziemlich schade, denn 2 Dinge haben sich immerhin für mich durch den kompletten Film positiv gezogen: Thomasin McKenzie ist schon eine sehr gute Schauspielerin und bei der bisherigen Filmauswahl von ihr kann man da möglicherweise noch ganz, ganz Großes erwarten.
Und 2.: Die Spotify-Playlist von Edgar Wright ist wahrscheinlich sehr gut.
Deshalb am Ende versöhnliche, obwohl in meinen Augen viel mehr drin gewesen wäre,
6(ties) von 10