Thema #135: Japanese Golden Age +
Film: Später Frühling (Banshun) von Yasujirō Ozu
Erscheinungsjahr: 1949
Laufzeit: 110 Minuten
Der Film dreht sich um das Leben der 27-jährigen Noriko, die mit ihrem Vater Shukichi im Japan der Nachkriegszeit zusammen lebt. Die Mutter ist bereits tot, der Vater ist Professor und Noriko kümmert sich um Haus und Haushalt. In der Frage wann Noriko denn nun endlich heiraten soll gehen die Ansichten von Verwandten, Vater und Noriko selbst auseinander.
@UnclePhil hat es ja schon selber angesprochen: Ich wenn ich das Thema und die ganzen Filme, die man noch anschauen könnte und die einem alle interessant vorkommen sehe: Pure Begeisterung .
Ich wenn ich sehe, welche Filme davon – restauriert + sehr gute Qualität + sehr gute Untertitel verfügbar sind. Nicht mehr so die Begeisterung …
So hat mich das Thema jetzt aber zu meinem ersten Ozu-Film geführt und ich war froh, wirklich eine tolle Qualität und vor allem passende, gute Untertitel für den zu finden. Denn ohne diese Zutaten, sind die Filme für mich verschenkt (gerade wenn deine Filme so von Dialogen und Bilder bestimmt werden wie z.B. bei Ozu) und das wäre doch schade.
Nach allem was ich so von Ozu gehört habe ist das auch ziemlich ein Regisseur für mich und das hat sich mit diesem Film bestätigt. Ein ganz fantastisches Porträt der beiden Hauptpersonen, mit einer Ruhe gefilmt und entspannenden Naturaufnahmen untermalt mit einer schönen Musik.
Zwar mein erster Ozu aber von Mizoguchi und Naruse hab ich schon einiges gesehen und da war ich gespannt wie der Film im Vergleich ist. Obwohl die Stilistik sehr ähnlich ist, fand ich den Film inhaltlich schon ganz anders aufgebaut. Ozu legt jetzt den Finger nicht so niederschmetternd in die Wunder der unbarmherzigen Welt, sondern baut einen behutsameren, ja vielleicht philosophischeren (?) Film auf.
Auf der einen Seite ist der Film ein Zeitporträt. Wir sehen was Japan 1949 so bewegt. Die Amerikanisierung aber gleichzeitig noch die vielen spirituellen Traditionen im Kontrast dazu.
Auf der anderen Seite bekommt man aber das ewig zentrale Thema der Familie und die Fragen empfand ich dabei als erstaunlich brandaktuell, ja haben sich eigentlich nur in der Form von heute unterschieden.
Hauptthema ist das Heiraten. Daraus ergeben sich für den Film aber zwei Wege: Gibt es das Glücklichsein nur mit harter Anstrengung, mit Mut und Risiko? Oder drängen uns Umstände, Gesellschaft, Konventionen und dann das Unterbewusstsein, die Gedanken viel zu sehr in bestimmte Bahnen.
Ein fantastischer Film den ich in seiner handwerklichen Exzellenz irgendwie auch so erwartet hatte, der mich vom Inhalt her in seiner Vielschichtigkeit aber ziemlich überrascht hat. Ob Ozu jetzt hier eine Ode an alle einsamen Herzen, an alle Menschen, die zuhause geblieben sind, die ihre Eltern pflegen und versorgen oder die Stubenhocker sind, die SPÄTzünder geschrieben hat; oder eine Ode an genau die anderen Menschen, die Draufgänger, die Liebeshungrigen, die Ausflieger, ja die FRÜHaufsteher? Kann ich euch nicht sagen, womöglich beides .
Am wahrscheinlichsten für mich ist, dass Ozu aber vor allem ein Porträt errichtet hat, welches zeigt wie mächtig Konventionen aus allen Seiten wirken können und eben dann auch ins Unterbewusstsein der Menschen kriechen und von unterschiedlichster Seite unterschiedlichst gesehen werden. Bist du schon zum dritten mal verheiratet – verloren du Schlampe. Kinder ohne Ehe – verdammt du Monster. Mit 30 noch „alleine“ arbeitslos bei deinem einsamen Vater – alles vorbei du faules Miststück.
So ziehen sich lautere Anschuldigungen, aber auch stille Verweise und Gedanken durch diesen Film und am Ende kann jeder Schicht für Schicht von diesem Apfel schälen und schauen was sich dahinter verbirgt. Selbst eingeredetes Glück oder wirkliches Glück?
Die Antwort darin wird einem schwer jemand geben können, vielleicht nicht mal man selber am ehesten noch Herr Ozu mit diesem wunderbaren Film.
9 von 10 geschälte Äpfel