Thema #139: Oscarnominierung: Bester Score
Film: Everything Everywhere All at Once von Daniel Scheinert und Daniel Kwan
Erscheinungsjahr: 2022
Laufzeit: 140 Minuten
Wo gesehen: Sky
Evelyn und Waymond Wang betreiben einen Waschsalon und scheinen einen recht chaotischen Tag zu erleben: Unzufriedene Kunden, ein nörgelnder Vater zu Besuch, Probleme mit der Steuererklärung, Partyvorbereitungen samt Tochter mit Freundin und untereinander läuft es auch nicht mehr so toll. Doch wer denkt, dass war schon chaotisch, der hat noch nie in die Hausmeisterkammer vom Finanzamt geschaut…
Hab gehört irgend so ein seltsamer Film hat letztens 7 Oscars gewonnen. Für unser Thema den besten Score gab es aber nur die Nominierung (Son Lux), gewonnen hat hier Hauschka für die Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“.
Ich schieb natürlich @schucki96 die Schuld (ist natürlich nur ein Späßchen @schucki96) in meine Steuererklärung, dass ich jetzt so früh wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr, den Film mit dem Oscar für den besten Film, nach der Preisverleihung gesehen habe. Normalerweise braucht das bei mir immer Minimum zwei Jahre aufwärts. Vielleicht war das einfach zu früh?
Ich hab erwartet, dass der Film sehr chaotisch werden wird, soviel ist sogar zu mir durchgedrungen aber jetzt so nach dem Film und auch während dem Film und auch einen Tag danach… da bin ich doch wenig chaotisch begeistert sondern ganz nüchtern leicht ernüchtert.
Für einen „Besten-Film“ war ich doch etwas enttäuscht. Habe „Coda“ noch nicht gesehen aber ansonsten wenn ich so 10 Jahre zurückgehe würde ich persönlich sagen ist der schlechteste „Beste Film“ der letzten 10 Jahre und gerade mit zum Beispiel „Shape of Water“ waren da auch schon Filme dabei, die jetzt nicht gerade in meinen persönlichen Filmolymp kommen.
Da der Film aber ja im Moment überall groß in der Diskussion und der Öffentlichkeit steht und man sicher überall Unmengen von Meinungen dazu lesen kann, möchte ich da jetzt nicht noch die Millionste groß dazu schreiben.
Wie das bei so aktuellen Werken ist, möchte ich auch niemand die Begeisterung madig machen, deshalb nur noch ein bisschen mein persönlicher Vergleichseindruck ohne große Inhaltsuniversen:
So die ersten 90 Minuten war ich doch ein bisschen überrascht. Nicht wegen des Chaos, mit dem ich gerechnet habe, sondern wegen des Aufbaus, der mich stark an Slapstick-Komödien erinnert hat. Hab mir gedacht, was wohl Adam Sandler und Jim Carrey denken, mit was man jetzt 7 Oscars gewinnen kann. Nicht das ich die Tatsache sonderlich schlecht finde, aber dass ist die ersten 90 Minuten für mich lediglich eine Frage des Humors: Finde ich das ganze super witzig, gar nicht oder halt nur solala. Ich fand da waren teilweise schon einige echt lustige Szenen dabei aber gerade mit der Geschwindigkeit in denen die Szenen durchgejagt werden, waren da auch einige Rohrkrepierer für mich dabei. Wobei ich mir hier gut Lachflashs im Kino, die doch sehr ansteckend wirken können, vorstellen kann. Inwieweit das für eine Oscarfilmqualität reicht kann natürlich jeder selbst entscheiden (wie immer).
Durch die Geschwindigkeit und den Slapstick-Aufbau hab ich mich auch manchmal an Screwball-Komödien erinnert gefühlt. Wenn die nicht zünden, dann wird es in der Hektik auch immer ganz, ganz schwer noch was aus dem Film mitzunehmen. Zündet es aber dann kann es fantastisch werden und das Humorniveau von sagen wir mal meinen liebsten Hawks-, Wilder- oder Capra-Filmen hat der Film bei mir eben einfach nicht erreicht.
Dann atmet der Film mal etwas durch und wird philosophischer bis zum Ende hin. Ich mochte so die letzten 50 Minuten definitiv mehr. Da kam bisschen mehr thematischer Unterbau, dann und wann hat immer noch ein Gag gesessen und der Film hat mich mehr bekommen.
Da fällt mir meine 2. Vergleichsebene auf, die Genremischung. Gerade bei so gefeierten Filmen ist das nichts Neues mehr; mit Parasite und vor allem dem Regisseur Bong Joon-ho hat es ja ein, für mich, Perfektionist in Sachen Genremischung auch schon auf den Oscar-Thron geschafft. So eine Genremischung ist aber keine leichte Sache. Und automatisch sagt man nicht – Eintopf immer besser im Vergleich zu den jeweiligen Einzelzutaten und was Bong Joon-ho für mich eben geschafft hat (wer braucht schon einzelne Dramen, Thriller, Parabeln, Farcen, Grotesken, Satiren etc. wenn er Parasite haben kann), geht hier für mich nicht auf. Ich hab dann schon gern mein 2001, In the Mood for Love oder einen alten Wuxia-Film (nur ein paar Beispiele), anstatt hier alles einmal durch den Fleischwolf äh den Papierschredder zu ziehen.
Ansonsten mag ich diesen 2. Abschnitt aber wie gesagt schon ganz gern. Sind jetzt keine bahnbrechenden, neuen gesellschaftlichen und philosophischen Erkenntnisse. Sind aber nett und schön und gut. Ich mag nett. Seid nett zueinander.
Außerdem braucht es keine neuen Erkenntnisse für einen super Film. Kapitalismuskritische Filme gab es auch schon 100 Jahre vor Parasite. Das tolle war ja die neue kreative Umsetzung. In dieser Kreativität mag ich den Film also absolut.
Zugegeben so eine schnelle Komödie und ein Genremischmasch, sind in meinen Augen auch zwei extrem anspruchsvolle Dinge und da den Mut zu haben das anzupacken und mit soviel Kreativität zu füllen – Hut ab.
Das der Film aber so abräumt, auch noch in vielen anderen Kategorien finde ich schon sehr überraschend (ohne mich jetzt mit Oscar-Politik auseinanderzusetzen, denn da wird es schon genug unüberraschende Gründe dafür geben). Ein bisschen hat mich der Film auch an so manches Werk von Paul Thomas Anderson erinnert. In Boogie Nights, The Master, Inherent Vice oder Magnolia – da legt er doch oft ein sehr schnelles Tempo hin, legt eine Menge verwirrender Stränge und bei der Kritik werden die Filme schon oft sehr geliebt aber gerade bei Preisverleihungen doch auch teilweise etwas geschmäht. Irgendwie kann ich das auch verstehen, denn wie oben angesprochen, muss es bei diesen hektischen Filmen Klick machen und das es gerade bei „Everything Everywhere All at Once“ bei allen Klick gemacht hat – für mich überraschend.
Mit Adam Sandler hab ich begonnen und mit Klick aufgehört – das Stichwort. Ein bisschen hat mich der Film an „Klick“ erinnert: Versuchen eine sehr emotionale Botschaft und einen eigentlich emotionalen Film in eine Slapstick-Komödie zu betten. Wer jetzt findet „Klick“ und „Everything Everywhere All at Once“ miteinander zu vergleichen wäre eine Beleidigung – finde ich nicht. Klick.
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