Thema #38: On the Run
Film: Besessenheit (Ossessione) von Luchino Visconti
Erscheinungsjahr: 1943
Laufzeit: 140 Minuten
Wo gesehen: Sky
Der Landstreicher Gino trifft an einer Tankstelle mit Imbiss auf die beiden verheirateten Besitzer Giovanna und Giuseppe. Aus dieser Dreieckskonstellation beginnen nicht nur allerlei Probleme sondern auch eine Reise durch das Italien zur Zeit des Faschismus.
Dieser Film hat die Filmepoche des Neorealismus eingeleitet. Also weg von den perfekten Heldengeschichten, hin zum Alltäglichen.
Eigentlich ein kleines Wunder, dass man heute eine restaurierte Fassung von dem Film sehen kann. Da die Zensur den Film verboten hat und angeblich alle Negative vernichten ließ. Visconti hat aber wohl eine Kopie versteckt und retten können, aus der dann später die Restaurierung erfolgen konnte.
Mir gefällt an dem Film vor allem die realistische Welt, in der sich die drei Hauptprotagonisten bewegen. Der Look des Neorealismus, gepaart mit den vielen Laienschauspielern und den ganzen vielen kleinen Details, oft im Hintergrund, zu den finanziellen Nöten und den Problemen des Alltags der Menschen. Aufnahmen aus Städten wie Ancona und Ferrara zu der Zeit und die ganzen vielen kleinen Tätigkeiten, welche die Nebenfiguren in dem Film ausüben.
Man ahnt es schon, was mir leider weniger gefallen hat war die Kerngeschichte. Es gibt so viele seltsame Wendungen in den Gefühlen der Hauptfiguren, die aus dem Nichts kommen, dass das für mich genau das Gegenteil von Neorealismus war. Wenn ich im Nachhinein so drüber nachdenke, eigentlich kein Wunder, da der Film entstanden ist, indem Jean Renoir seinem Assistenten, Visconti das Buch „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ in die Hand gedrückt hat und gesagt hat, mach mal deinen ersten Film draus. Jetzt vermischt sich irgendwie die Idee neue Dinge des Neorealismus mit einem amerikanischen Kriminalroman zu kombinieren. Für mich hat das nicht zwei schöne Kontraste gesetzt, sondern sich etwas gebissen.
Gerade in der ersten Minute nach dem Vorspann: Landstreicher fällt von Kartoffellaster, taumelt in eine Küche – zack die Küchenfrau ist unsterblich verliebt. Klar der Film ist auch oft ein Kommentar auf Dinge, die einfach oft nicht gut laufen – hier eben eine Ehe, die zu 95 Prozent auf Geld fußt. Aber diese „Spontanszenen“ gibt es in dem Film zuhauf – und mich haben die eher aus dem Neorealsimus herausgeworfen, als dass ich sie immer als Kommentar aufgefasst habe. Dafür hat der Film sonst ja auch eine eher stringente Handlung.
Mit 140 Minuten ist es auch ein echter Brocken, was mir bei dem Inhalt dann auch echt zu lang war.
Fazit: Ein interessanter Film, an dem alle die sich mit Neorealismus beschäftigen wollen, wohl schwer vorbeikommen. Jedoch hat mich die Kerngeschichte des Films, im Vergleich zum Rest, nur wenig überzeugen können. Da schau ich mir lieber noch mal „Fahrraddiebe“ an. Den mag ich nämlich sehr.
6 von 10 Centesimi (wenn keine Lire im Haus)