Thema #39: Biblische Ausmaße
Film: Das 1. Evangelium - Matthäus (Il Vangelo secondo Matteo) von Pier Paolo Pasolini
Erscheinungsjahr: 1964
Laufzeit: 131 Minuten
Wo gesehen: Sky
Jesus wird geboren und … ihr kennt die Geschichte.
Pasolini hat das Matthäus-Evangelium 1 zu 1 und wortwörtlich verfilmt.
Bei einigen hier klingelt bei Pasolini sicher schon etwas: Es ist der Regisseur des umstrittenen Filmes „Die 120 Tage von Sodom“. Auch ansonsten ist es ein Regisseur von Filmen, welche heute meist als „Skandalfilme“ gelten. Umso besorgter waren damals die meisten Leute in Italien (und erst recht die Kirche) als er von seinem Projekt erzählte. Genauso wie die Verwunderung, bei den Kirchengegnern: „Was will er denn mit dem Quatschprojekt?“
Für viele noch viel überraschender war dann, was am Ende dabei herauskam. 0 Skandal, 0 Provokation – 100 Prozent Werktreue. Somit hält es der Vatikan heute noch mit diesem Film und er gilt als eine der religiösesten Verfilmungen überhaupt, sagt man – ausgerechnet von einem schwulen, kommunistischen, atheistischen Skandalregisseur.
Warum schreib ich das alles? Weil es zu dem Film einfach so gut wie nichts zu schreiben gibt. Wie schreiben einige immer: Ich oute mich wohl als Kunstbanause.
Ich hab das Obere vor allem geschrieben, weil ich verstehen kann, dass einige Leute gerne stark den Kontext, in ihre Bewertung mit einbeziehen und tut man das, kann man eben schon beeindruckt sein, dass Pasolini, gehandelt als kleiner „Antichrist“, ein Werk gemacht hat, welches viele religiösen Leuten ausgerechnet in ihrem Glauben bestärkt hat.
Ich muss aber sagen, der Film an sich ist einfach leider sehr, sehr langweilig. Nichts spannendes passiert (selbst wenn man die Bibel nicht genau gelesen hat, die paar Stationen von Jesus aus dem Matthäus-Evangelium kennt aus unserem Kulturkreis einfach fast jeder).
Optisch ist der Film okay, für 1964 (wir reden hier nicht von einem Film aus den 30ern) sieht er aber eher schwach aus. Schwach sind leider auch die meisten Schauspieler, besonders einige Nebenrollen sind enttäuschend.
Und der Inhalt und die Dialoge? Naja; ist halt das Matthäus-Evangelium. Mit jedem Punkt und Komma. Heißt für mich: Sicher einige interessante Dinge, aber auch manch fragwürdige Dinge; am Ende aber eben nichts, was man nicht durch ein paar Seiten Bibellektüre oder einem Gang in die Kirche, wenn man denn wollte, auch „erleben“ könnte.
Eine positive Sache gibt es dann doch: Die Musik. Mit einer Mischung aus gregorianischen Chorälen, Klassikern von Mozart und Bach vermischt mit moderner Synthiepop-Musik und kongolesischen Rhythmen; ist dass sicher der bemerkenswerteste Aspekt des Filmes, welcher auch voll aufgeht: Ohne den coolen Soundtrack wäre ich bei dem Film mindestens 5 mal weggepennt.
Am Ende ist das filmische Werk für sich, für mich eine klare Enttäuschung. Was die Diskussionen darüber damals wie heute angeht, ergibt sich für mich persönlich folgendes Bild:
Die Menschen auf Pasolinis Seite der Skepsis, hätten vor ihrer unendlichen Überraschung ruhig mal über 1, 2 Verse der Bibel länger nachdenken dürfen; um zu sehen, dass gewisse Kernbotschaften eine positive Seite für alle Menschen umfassen – gerade was Randgruppen und Minderheiten angeht.
Während die Menschen auf der angeblichen Seite des Glaubens vielleicht irgendwann mal merken, wie weit sie sich schon seit Ewigkeiten von den Grundfesten ihres Glaubenskerns entfernt haben.
Allein für diese Diskussionen ist der Film vielleicht schon nützlich. Die gibt es aber auch ohne den Film und enden meist im Nichts.
4 von 10 Evangelien