Thema #3: Rape and Revenge
Film: Thriller – Ein unbarmherziger Film (OT: Thriller – en grym film)
Regisseur: Bo Arne Vibenius (Alex Fridolinski)
Erscheinungsjahr: 1973
Laufzeit: 107 Minuten
Wo gesehen: UHD Disc
Madeleine ist ein lebensfrohes Mädchen, dessen Eltern einen Bauernhof führen und die ein friedliches Leben führt. Bis sie beim Spielen im Wald von einem Fremden missbraucht wird und durch dieses traumatische Erlebnis verstummt. Es vergehen einige Jahre und Madeleine ist eine junge Frau, die noch immer unter dem Trauma ihrer Kindheit leidet. Sie droht einen Termin in einer Therapieeinrichtung zu verpassen, da sie den benötigten Bus für die Fahrt nicht mehr rechtzeitig erreicht. Wäre da nicht Tony, der ihre Misere mitkriegt und ihr anbietet sie zu fahren. Doch Tony ist nicht die gute Seele, die er vorgibt zu sein. Er macht Madeleine erst betrunken, entführt sie und sorgt dann dafür, dass sie von Heroin abhängig wird, um sie zur Prostitution zu zwingen. Zuerst rebelliert Madeleine und verletzt einen Freier im Gesicht, was zu einer drakonischen Maßnahme seitens Tony führt - er sticht ihr ein Auge aus. Gefangen in einer Spirale aus Sucht, Gewalt und Vergewaltigung, scheint es keinen Ausweg zu geben und Madeleine fügt sich aufgrund dieser Grausamkeit und lernt andere Frauen, die ebenfalls für Tony arbeiten müssen, kennen. Tony schreibt den besorgten Eltern Madeleines in der Zwischenzeit einen gefälschten Abschiedsbrief in ihrem Namen, der ihre Eltern in den Freitod treibt. Als Madeleine wider Erwarten von dem Tod ihrer Eltern erfährt und im Bordell zudem noch die blutverschmierten Sachen ihrer einzigen Freundin findet, wächst in ihr nur eins - das Verlangen nach Rache. Sie nimmt heimlich Kampfsportunterricht, lernt Schießen und Fahren und besorgt sich Waffen, um auf einen brutalen und unbarmherzigen Rachefeldzug gegen ihrer Peiniger zu gehen.
Thriller - en grym film ist ein Paradebeispiel für das Genre der Rape and Revenge sowie gewissermaßen auch Sexploitation-Filme. Der Regisseur Bo Arne Vibenius, der zuvor unter anderem an Ingmar Bergmans Persona mitgearbeitet hat, hat mit dem vorliegenden Film auf den ersten Blick ein eher ruhig und behutsam erzähltes Drama erschaffen, doch bei genauem Hinsehen wird schnell klar, dass es Vibenius um Schock und Effekt geht. Und das beherrscht er wirklich gut. Die ruhigen und fast langweiligen Passagen, die zu den Wendepunkten der Geschichte führen werden später mit dem Vorschlaghammer eingerissen und bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert, bis nur noch sleazige Exploitation übrig bleibt. Es ist ein wahres Fest, wenn Madeleine mit ihrer Schrotflinte für Gerechtigkeit sorgt und die ekelhaften Fratzen des Bösen in blutigen Matsch verwandelt.
Das der Film funktioniert ist insbesondere der Erotikikone Christina Lindberg zu verdanken, die der unschuldigen Madeleine wirklich Leben einhaucht. Sie spricht über den gesamten Film kein Wort und drückt alles über Mimik und Gestik aus, was die Geschehnisse im Film noch viel intensiver wirken lässt, als sie es sowieso schon sind. Da werden Blicke gefühlt zu Todesstrahlen und das leichte Zucken eines Mundwinkels zur Eruption haltloser Gewalt garniert mit einem erstarrten, eiskalten Blick der Verachtung. Fast so schön, wie es Meiko Kaji im großartigen Shurayuki-hime (Lady Snowblood) macht. Das ist einfach herrlich.
Kommen wir zu den „Schauwerten“, die dem Film den Legendenstatus verleihen. Zuerst muss über die Freigabegeschichte des Films gesprochen werden. Thriller - en grym film war 1973 einer der wenigen Filme, der in seinem sehr liberalen Herkunftsland, Schweden, unter ein Totalverbot fiel (es war aber nicht der erste Film, dem dieses Schicksal zu Teil wurde, obwohl sich dieses marketingwirksame Gerücht bis heute hält). Grund dafür waren die schonungslosen Erotik- und Gewaltszenen, die Vibenius regelrecht zelebrierte. Für die Hardcoreszenen wurde auf Doubles zurückgegriffen, so dass in den unangenehmen Sexszenen entsprechende Nahaufnahmen zwischengeschnitten wurden. Um die Gewalt noch intensiver zu gestalten hat man diese in extremer Zeitlupe inszeniert, wofür militärische Hochgeschwindigkeitskameras zum Einsatz kamen. Die Vermarktung des Films war dann auch problematischer als Gedacht. Vibenius, der kein Mitspracherecht bei der Vermarktung hatte musste mitansehen, wie sein Film um bis zu 25 Minuten gekürzt (Hardcoreszenen und teilweise Gewalt wurden entfernt) unter Titeln wie They Call Her One-Eye, A Hooker’s Revenge oder The Swedish Vice-Girl vermarktet wurde. Weiterhin wurde aus Madeleine in der US-Fassung eine Frigga, wahrscheinlich weil der Name nordischer klingt. Ob die Verantwortlichen dabei die Gottheit Frigg (Frīa) im Sinn hatten, darf wohl bezweifelt werden. Mit dieser Geschichte im Rücken hat sich um den Film ein immer größer werdender Kult aufgebaut, der wahrscheinlich mit den Äußerungen Quentin Tarantinos, der die Figur der Madeleine als Inspiration für seine Figur der Elle Driver, gespielt von Darryl Hannah, aus Kill Bill angeführt hat, am Höhepunkt angekommen ist. Für weiteren Wirbel um den Film sorgt sicherlich auch das Verhalten des Regisseurs, der das Label Synapse Films bezichtigt, ihm den Film gestohlen zu haben und unter dem Namen Otto van der Leyfen versucht, dieses in Misskredit zu bringen.
Für mich ist Thriller - en grym film einer der besten und durch die Zensurgeschichte auch interessantesten Genrevertreter und bekommt eine uneingeschränkte Empfehlung. Es ist einfach der perfekte Sleaze, wie er in Bahnhofskinos (Grindhouses) rauf und runter lief.