Thema: Coming of Age
Film: Eighth Grade
Regisseur: Bo Burnham
Erscheinungsjahr: 2018
Laufzeit: 94 Minuten
Wo gesehen: Amazon Video
Wir sind hier ja alle unter uns und mittlerweile sehr vertraut miteinander, daher kann ich euch in diesem beschaulichen Kreis mitteilen: Ich bin verliebt. Ich bin verliebt in Eighth Grade. Ich habe viel erwartet, und der Film hat alles übertroffen.
Selten gelingt es Filmen, Gefühle authentisch rüberzubringen. Es wird viel abstrahiert und man kann sich ungefähr vorstellen, was in den Charakteren vorgeht, aber so ganz greifbar ist das Innen- und das daraus resultierende Außenleben äußerst selten. Es bleiben nur erfundene Personen mit erfundenen Gefühlen.
Wie es nun aber Eighth Grade schafft, mir eine Person, ja fast schon eine Generation, mit all ihren Gefühlen und Nöten, Freuden und Wünschen, Hoffnungen und Träumen näherzubringen, sogar so nahe zu bringen, dass ich mich wie mittendrin und fast schon ertappt fühle, geht über das hinaus, was ich aus anderen ähnlichen Filmen oder überhaupt vom Medium Film gewohnt bin.
Kayla ist dreizehn, geht in die achte Klasse und gehört nicht so wirklich dazu. Sie steht außen vor, am Rande von allem. Sie ist unter ihren Mitschülern eher ruhig und zurückgenommen, wirkt meistens angespannt und nervös, weil sie nicht recht weiß, was sie sagen soll, denn wenn man schon etwas sagt, sollte das ja schon cool oder witzig sein, wie es bei allen anderen eben auch ist. Sie ist dabei so nett, dass man ihr einfach nur wünscht, dass alles gut für sie verläuft, was es natürlich nicht immer tut.
Dass sie gleichzeitig YouTube-Videos für quasi keine Zuschauerschaft dreht, hilft da nicht gerade dabei.
Der Film behandelt dabei Gefühle, Situationen, Umstände, die vielen Menschen bekannt sind, die eine wird stärker darunter gelitten haben als der andere. Aber so gut wie jeder Mensch kennt das Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit, das Gefühl, anders zu sein, und gleichzeitig nichts lieber zu wollen, als so zu sein wie die anderen, „normal“ zu sein.
Es ist die Suche nach dem Platz in der Welt, die überaus schmerzhaft sein kann.
Analog dazu tut es weh beim Zuschauen, ich hab mich geschämt für sie, ich habe mit ihr gelitten und geweint genau so wie ich auch mit ihr gelacht und mich über das gefreut habe, was sie glücklich macht. Kayla ist so lieb und nett, dass jede Situation, in der sie unfair behandelt wird, fast unerträglich ist, dass man die Gesellschaft verteufelt, die so etwas zulässt oder vielleicht sogar noch fördert.
Der Film vermeidet es dabei sehr angenehm, Kayla nicht als Mobbingopfer darzustellen, sie als das alleinige Ziel von gegen sie gerichteten Gemeinheiten ihrer Mitschüler zu inszenieren. Manches passiert wohl nicht einmal mit Absicht oder mit großen, bösartigen Hintergedanken, es passiert einfach, weil es Teil eines allgemein vorherrschenden Denkmusters ist.
Auch handwerklich funktioniert der Film super. Die Montagen, in denen man den Ton eines ihrer Videos hört, in dem sie Ratschläge gibt, die wiederum oft das Gegenteil dessen widerspiegeln, was sich in ihrem echten Leben abspielt, waren für mich mit die besten Szenen. Die Musik wird toll eingesetzt und ist nicht nur eine einfache Begleitung der Szenen, sondern ist organisch darin eingearbeitet und gestaltet diese mit. Es macht auf dieser Ebene schlicht Spaß, den Film anzuschauen.
Eins ist sicher: Ich werde mir Eighth Grade so schnell wie möglich noch auf Blu-ray zulegen und die restlichen Stunden, die mir mit der Amazon-Leihe verbleiben, nutzen, um den Film mindestens noch ein weiteres Mal, wenn nicht sogar öfter, wieder zu schauen.
5/5 und alle Herzen, die ich vergeben kann.
Ich kann auch jedem nur ans Herz legen, sich den Writers Roundtable anzuschauen, an dem Bo Burnham teilgenommen hat, da merkt man wunderbar, was er für ein intelligenter, reflektierter, einfühlsamer aber gleichzeitig extrem witziger Typ ist. Und momentan gibt es sein Comedy-Special Make Happy bei Netflix, was auch fantastisch ist und zeigt, was an kreativer Energie in diesem Mann steckt. Bin sehr gespannt, was von ihm noch so alles kommt.
Sorry, viel zu lang geworden…
Tl;dr: Eighth Grade ist ganz gut.