Fußball Sammelthread

These:
Der fußball befindet sich momentan in einer sinnkrise. Der fehlerbasierte sport wurde soweit es geht optimiert, sodass sich geradezu fehlerlose defensivkonzepte entwickelt haben, die mit gängigen altbekannten und immer noch weit verbreiteten offensiven mitteln nicht mehr in fehler zu treiben sind und damit so gut wie unknackbar werden.

selbst neue konzepte, eingeführt von frischen unverbrauchten trainer des schlags nagelsmann oder wolf ermöglichen kurzfristige erfolge. diese sind jedoch auch nur von begrenzter haltbarkeit, da die anpassungsgeschwindigkeit der defensivsysteme heutzutage vielfach schneller voran geht als die entwicklung und vor allem das einspielen neuer offensivideen.

grundsätzlich war dies ja schon immer so. ein trainer, der zu einem kriselnden verein kam hat schon immer zu erst sein augenmerk auf die defensive gelegt und in sehr vielen fällen war schon allein deren stabilisierung ein erfolgsgarant. hat der trainer dann noch die fähigkeiten gehabt ein offensivspiel zu entwickeln, durfte er auch länger beim verein bleiben.

heutzutage ist durch den einzug der technischen mittel eine viel präzisere und vor allem auf den gegner abgestimmte defensivarbeit möglich. die auswirkungen sieht man im ligabetrieb, in den internationalen vereinswettbewerben sowie jetzt (oder eigentlich schon seit der EM) bei den nationalmannschaften.

Es hat eine gewisse systemumkehr stattgefunden: waren früher die (erzwungenen) fehler der defensive entscheidend für den ausgang eines spieles rücken nun mehr die fehler in der offensive durch die perfektion des abwehrspiels in den vordergrund.

Es kommt deutlich weniger auf die individuelle qualität der einzelspieler an, die nur noch bei herausragenden fähigkeiten sowie einer nicht perfekten defensivabstimmung zum tragen kommen. stattdessen steht, egal auf welchem niveau, das kollektiv, die eingespieltheit und die damit verbundene reduktion der fehler vor allem auch im offensivspiel im vordergrund. denn die perfektion im abwehrspiel erfordert eine deutlich gefährlichere offensive in der hinsicht, dass mehr spieler eingbunden werden müssen und die defensive absicherung dementsprechend reduziert werden muss.

nun ergeben sich daraus zwei möglichkeiten: entweder man riskiert mit seinem team mehr (ich würde dies den PL-ansatz nennen, den auch deutschland am sonntag benutzt hat) um entsprechend den offensivdruck zu erhöhen und vertraut dementsprechend auf seine offensive oder aber man nutzt den weg, den viele bundesligisten nehmen, bei denen die absicherung im vordergrund steht, wodurch für die offensive strukturelle nachteile entstehen. das resultat sieht man dann jede woche in den bundesligastadien sowei in der premier league zum vergleich.

natürlich kommen dann auch personelle ausrichtungen noch verstärkt zu tragen. so wird in der bundesliga mehr augenmerk auf die defensivverstärkungen sowie -eigenschaften gelegt als in der PL.

Dennoch hat eben genau das deutschlandspiel vieles von mir erwähntes gezeigt: ein fehlerhaftes eher risikobehaftes und bei weitem nicht eingespieltes offensivsystem, hier sei ein verweiß auf die fehlpassquote und die einbindung von plattenhardt gestattet, trafen auf ein nahezu perfektes defensivsystem der mexikaner, welches dann die risikobedingten lücken auch noch sehr gut ausnutzen konnte.

Das andere extrembeispiel bietet Real madrid dessen unglaubliche konstanz in der mannschaftsbesetzung für ein spielerisches selbstverständnis sorgt, sodass die erfolge, zumindest international, wenig verwunderlich sind.

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Ich stimme dir in sehr großen Teilen zu und es bietet mir eine Erklärung auf eine Frage, die ich mir in den letzten 5 Tagen nun auch häufiger gestellt habe - eben genau die, warum die so hochgelobten Nationalmannschaften zum sehr großen Teil nicht das von ihnen Erwartete zeigen.

Mit welcher Zeit vergleichst du den aktuellen Fußball denn? Der Fußball aus den 70/80 oder die jüngere Vergangenheit?

Meine Gegenthese ist, dass die kleinen Nationen professioneller geworden sind, wodurch die Lücken nicht mehr so groß ist und Deutschland auch von der Einstellung ans Maximum gehen muss, um Mexico zu schlagen.

Hinzu kommt, dass die Bundesliga eine Systemkrise und Monopolproblematik hat, aber die anderen Ligen sehe ich dort nicht.

diese entwicklung wie ich sie anspreche ist seit ca 2010 zu beobachten, damals nur bei den spitzenteams seit dem aber auch immer mehr bei den kleineren mannschaften.

die system- und monopolkrise der bundesliga hat nichts damit zu tun, dass zwei mittelfeldteams gegeneinander nicht fußball spielen können.

das du das in den anderen ligen nicht siehst ist ja schön, nur ist genau das in CL, EL, PD, L1 und SA zu beobachten. nur england ist wie gesagt ein grenzfall, da dort die abwehr taktisch und personell immer noch hinten an steht.

also glaubst du wirklich, dass alle großen bei diesem turnier die „kleinen“ nicht bezwingen können, weil sie ein einstellungsproblem haben? das greift eher zu kurz meinst du nicht? vor allem war es ja auch bei der EM schon so zu beobachten.

aber dann müssten doch die Tore pro Spiel zurück gehen und diesen Trend kann ich nicht sehen.

Es ist kein Einstellungsproblem, aber 90% reichen nicht mehr. Und früher waren die kleinen Gegner auch immer mal wieder Stolpersteine. Mit 90% kannst du Panama besiegen, aber nicht mehr die Schweiz oder Mexico, dafür sind die mittlerweile zu gut.

ich sehe das halt nur sehr stark in der Bundesliga, da wir gerade in der Europa League gegen sehr kleine verloren haben, die spielen konnten.

tore pro spiel ist doch kein indikator über die spielweise? wenn deutlich mehr tore über konter/standards als aus einem dominaten spiel herraus erzielt werden, verändert sich in der statistik überhaupt nichts.

du machst es dir zu leicht. dieses „argument“ gibt es schon seit jahrzehnten („es gibt keine kleinen mehr“ ist wohl jedem ein begriff). prinzipielle aspekte nahezu jedes teams und spiels mit einstellung erklären zu wollen greift einfach zu kurz.

auch das hat absolut nichts mit meinen punkten zu tun im gegenteil: die ballbesitzzaahlen von hertha bei deren niederlagen: 63%, 60%, 51%. es hat also auch dort jeweils das abwartendende, lauernde team gewonnen, nicht das spielgestaltende. genau meine grundaussage.

Es gab in den letzten Jahren auch eine Entwicklung bzgl. Spanien, Pep’s Tiki-Taka, die vielen Ballbesitzphasen, das Hin- und Herspielen und so weiter. Das ist dann natürlich so ein Fußball, mit dem man sich an einem guten Defensivkonzept, starker Laufleistung des Gegners und Pressing die Zähne ausbeißen kann. Da bedarf es dann natürlich wieder andere Idee und das Mut zum Risiko. Ich finde es auch nicht mal schlecht, da mich dieses Tiki-Taka über die Jahre ziemlich gelangweilt hat. :smile:

Mein Lieblingsjahr war immer noch die ersten 1 1/2 Jahre als Christian Streich beim SC übernommen hat. Zum Halbjahr war man schon als Absteiger deklariert wurden, weil man ganz unten stand. Dann kam Streich. Hartes Pressing, jeder läuft für den anderen mit und verschiebt. Nicht umsonst hatte der SC immer mehr Kilometer auf den Tacho. Das ist halt genauso wie Tiki-Taka eine Spielweise, die hohe Konzentration erfordert, Energie kostet und man seine wenigen Chancen nutzen muss. Do or Die. :smile: Mit Max Kruse hatte man dann im darauffolgenden Jahr den perfekten Mann ganz vorne, um die Taktik und Mannschaftsleistung zu perfektionieren. :stuck_out_tongue:

Und zu dem Punkt mit dem vermeintlich „kleinen Nationen“:

Bei afrikanischen und asiatischen Ländern kann man zumindest schon eine deutliche Veränderung zu früheren Jahren erkennen. Man müsste jetzt den Vergleich ziehen, aber damals konnte man ggf. einen ausländischen Trainer ins Boot holen, um an einigen Ecken zu pfeilen. Man hatte vielleicht noch einen Topstar und vereinzelte Spieler, die es nach Europa geschafft haben. Nun hat man die nordafrikanischen Länder wie Algerien, Tunesien oder Marokko, wo ein Großteil in Europa geboren und ausgebildet wurden ist. Da muss man sich nur mal die Kader ansehen.

Japan hatte 1998 noch kein Legionär. Bei der Heim-WM waren es vier Spieler (Kawaguchi, Nakata, Ono und Inamoto). Heute spielt das halbe Team der Japaner in der Bundesliga bzw. hat dort gespielt. Was aber auch nachvollziehbar ist, da die J1 (Gründung 1992) in den 90ern noch in den Kinderschuhen steckte. Mit der WM 2002 ging es dann richtig los, auch die Nachwuchsarbeit kam in Gang und heute erntet man die Früchte.

naja schon, laut deiner These resultiert die Sinnkrise aus dem perfekten Defensivkonzept und selbst bei einer Kombination mit perfekten Kontern, würden weniger Tore fallen.

Ich sehe einfach nur das durch WMs in Asien und Afrika in den letzten 15 Jahren der Fußball einfach noch internationaler geworden und es mittlerweile wirklich ein Weltsport ist. Dadurch werden die kleinen Nationen einfach stärker und es gab schon offensiv gute Spiele bei der WM / SPA-POR und Tunesien gegen England.

warum sollten sie? wie gesagt: statt der fehler der defensive führen jetzt die fehler der offensive zu toren, das heißt aber bei weitem nicht, dass der toreschnitt sinken muss. bestes beispiel ist doch da der fußball von jürgen klopp der schon sehr lange sein augenmerk auf das bestrafen von offensivfehlern legt und dessen teams damit deutlich mehr tore erzielen konnten als seine vorgänger und nachfolger.

klar werden sie das, aber das ganze ist keine sprunghafte entwicklung, die es seitspätestens zwei jahren im nationalmannschaftsfußball zu sehen gibt. bei der letzten WM waren die underdogs zu großen teilen immer noch chancenlos.

nicht in der Gruppenphase:
Mexico Punktgleich mit Brasilien
Chile vor Spanien
Costa Rica Gruppenerster bei Uruguay, Italien, England
Algerien vor Russland und Südkorea

Erst ab dem Viertelfinale waren die Großen unter sich mit der Ausnahme Costa Rica. Wird jetzt wohl wieder ähnlich laufen.

ok wenn der Fußball von Jürgen Klopp für dich die Perfektionierung der Defensive ist, verstehe ich warum ich deine These nicht teile. Ist für mich Pressingfußball, aber kein Defensivkonzept, das auf Konter ausgelegt ist.

pressingfußball ist defensivfußball…

was ein beispiel^^

außerdem gings mir nicht um die gruppenergebnisse, sondern um den verlauf der spiele allgemein.

jo sehe ich anders :slight_smile:

man macht richtig Spaß mit dir, wenn du die anderen Beispiele ignorierst.
Sach doch einfach mal, dass du mit deinem Vergleich daneben lagst. Ich versuche wenigstens Zahlen und Beispiele zu finden, bei dir kommen nur Vermutungen.

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ich glaube niemand außer dir würde russland oder südkorea als überlegen im vergleich zu algerien sehen…

desweiteren ignorierst du ja auch beispiele bzw ignorierst wenn du wiederlegt wirst (siehe dein EL beispiel oben oder deine vermutung zu torstatistiken) warum sollte ich dann das nicht auch tun?

und wie gesagt: du argumentierst ergebnissbasiert, ich habe aber von anfang an gerade nicht auf die ergebnisse abgezielt in meiner argumentation, sondern auf die spielweise!

das ziel von defensivfußball ist die verhinderung eines gegentores und der ballgewinn. was genau trifft da nicht auf pressing zu?

meinetwegen, dann war das kein gutes Beispiel, aber es bleiben drei weitere über

wenn du die Spielweise vom Ballbesitz ableitest, greift das aber nicht so ganz. In allen Top Ligen haben die besten Mannschaften auch den höchsten Ballbesitz mit ein oder zwei Ausnahmen.

Wenn ich vier oder fünf Spieler in die gegnerische Hälfte schicke zum hohen Pressing, ist das für mich eine offensiv ausgerichtete Spielweise.
Defensiv ist für mich das mauern und Kontern.

nein natürlich nicht exklusiv vom ballbesitz aber ein team was 37% ball besitz gehabt hat, würd trotzdem weniger mit dem ball spielgestaltend unterwegs sein als versuchen schnelle angriffe zu fahren und ansonsten den gegner das spielgerät überlassen.

moment. ich habe nie davon gesprochen, dass es um defensive spielweisen geht. ich habe von einer perfektionierung der defensive gesprochen, also einer perfektionierung der torverhinderung und der balleroberungen, von der umkehr der entscheidenden fehlererzeugung in der defensive hin zur offensive. das bedeutet noch lange nicht, dass jetzt alle hinten drin stehen und nichts tun, sondern offensivere defensivkonzepte existieren natürlich weiterhin genauso und sind meist sogar erfolgreich. auch mexiko hat am sonntag ja nicht einfach nur gemauert sondern mit cleverer positionierung der vorderen kette kroos völlig aus dem spiel genommen und gleichzeitig auch die außen per pressing unter druck gesetzt.

übrigens resultiert aus einer pressingsitation im idealfall immer ein konter, das ist der hauptgrund, warum sich pressing durchsetzen konnte, da die defensive noch offensiven ballverlusten noch nicht geordnet ist.

Und warum ist das eine Sinnkrise, wenn weiterhin genug Tore fallen? Mir bereitet der Fußball von Kloppo viel Spaß. Bei uns in der Bundesliga spielt halt Schalke ein Defensivkonzept was langweilig ist, aber bei Atletico schau ich auch gern zu.

ist das wirklich dein einziger anspruch an ein fußballspiel? ein spiel kann auch 3 hundert prozentige torchancen ermöglichen die alle genutzt werden und statistisch war das dann ein normales spiel. wenn aber im restlichen spiel dann sehr wenig passiert, wird wohl kaum jemand sagen, das spiel sei gut oder ok gewesen.

klar wem nicht. nur hat nur ein bruchteil der teams die qualität um ein solches spiel überhaupt durchführen zu können, die schalkes dieser welt sind ganz klar in der überzahl, auch in der bundesliga. im endeffekt ist schalkes spiel auch eine natürliche konsequenz der entwicklung, denn sobald klopps gegner pressingresistente, stark devensiv orientierte oder spiegelsysteme verwenden, kommt das system an seine grenzen. auch bedarf es eine gewisse individuelle qualität der spieler im angriff, sodass es für die meisten teams ausscheidet.

klar an den duellen der topteams sieht man das ganze eher weniger, da hier die individuelle qualität gebündelt ist, nur lebt der fußball aber auch von seinen mittelfeldteams und abstiegskandidaten und sobald der fußball aufgrund deren erzwungener spielweise an attraktivität verliert, hat der fußball ein problem.

Ich will Spaß haben, wenn ich neutral Fußball schaue. Die Bundesliga spielt zur Zeit mies, aber ich sehe das nicht in den anderen Ligen. Das ist deine Behauptung, welche ich anzweifle auf Grund von subjektiver Beobachtungen und objektiven Zahlen wie Tore & Ballbesitz.

Spanien hat z.B. zu Zeiten ihrer Titel den perfekten Ballbesitz Fußball gespielt, aber es war einfach langweilig. Ein Offensiv Konzept führt für mich deswegen nicht automatisch zu einem „besseren“ Fußball. Ich fand z.B. Barcelona unter Rijkaard mit Ronaldhino attraktiver als teilweise unter Guardiola mit Messi.

Ich glaube eher, dass die Attraktivität des Fußballs auf Grund von Übersättigung verloren geht. Vor 10-15 jahren gab es Ran & Laola und die großen Tunieren waren Festzeiten, weil jeden Tag Fußball war. Heutzutage könnte ich während einer Saison theoretisch jeden tag hochwertigen Fußball sehen auf Grund von Sky, Dazn, den vielen Ligen und Pokalen.
Da man immer etwas Besonderes möchte, erwartet man deswegen mehr und ist bei einem normalen Spiel schneller enttäuscht.

ja genau und wie viele spieler der WM haben dir bisher spaß gemacht? bei der bundesliga sagst dus ja selbst und wie viele spiele hast du aus den niederungen der französischen, italienischen oder spanischen liga gesehn? wie viel aus der EL vor der ko-phase usw? das sind die spiele auf die ich anspiele, nicht auf die der spitzenteams.

Also im Vergleich zu dem Schnarchfest vor 4 Jahren hatte ich dieses Mal schon mehr Spaß beim zuschauen. Bin aber auch eingeschränkt und kann zZ wenig schauen, hab also vielleicht eher gute Spiele erwischt.

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