Das hat nix mit mögen oder fairness zu tun. Ob eine Position richtig ist, find ich ja nicht raus indem ich die eine, wahre Stimme im Diskurs finde und ihr glauben schenke, sondern indem ich die Argumente auf ihre Stichhaltigkeit abklopfe und ins Detail gehe. Wenn jetzt der paritätische Wohlfahrtsverband abermals durch die Presse geht und berichtet, dass es mit der Armut in Deutschland soviel schlimmer wird, hilft es mir zu wissen, welche Armutsdefinition deren Aussagen zugrunde liegen (60% Durchschnitteinkommen) und welche Folgen sich aus der Definition ergeben (Armut ist nicht abzuschaffen).
Das das überhaupt im Zweifel lag und darüber diskutiert werden konnte zeigt, dass da ein ziemliches Ungleichgewicht herscht. Beide sind in einem erheblichen Ausmaß von den Medien geadelt worden oder haben prominente Fürsprecher erhalten. Gerade bei der Matratzendame wurde der Beschuldigte in einer unglaublichen Weise gebrandtmarkt und das hatte überhaupt keine Konsequenzen für die Beschuldiger und deren Fürsprecher. Das ganze hat mir nur gezeigt, dass bei solch emotionalen Themen einfach nicht in die Öffentlichkeit gehören sollten, weil es sich ja so hochschaukelt und dann keiner mehr kritisch darüber urteilen kann.
Ja, aber der Nachweis über eine Beschuldigung mit falschen Tatsachen ist ja genausoschwer wie das eigentliche Aussage-gegen-Aussage-Problem. Im Sinne der Verteidigung ändert sich massiv was. Wenn dem Anschludiger zu 100% geglaubt wird, kann der Verteidiger, solange er keine materiellen Beweismittel hat, seinen Mandanten gleich dazu raten zu gestehen und auf Milde zu hoffen. Bei 100% Glauben hast du dann faktisch die Beweislast umgekehrt. Jeder Schritt in die Richtung, weg von gleichen Standards für die Aussagenwürdigung, ist auch ein Schritt Richtung Beweislastumkehr. Das du etwas nicht getan hast, ist ja nunmal oft unmöglich nachzuweisen.
Das kann die Justiz auch nicht lösen. Sie kann irgendetwas entscheiden. Ich kenn Scheidungsfälle, wo der Hass sich so aufgebaut hat, das das Thema überhaupt nicht rational angesprochen werden kann. Wenn jetzt ein Gericht sowas aufarbeiten soll, weil einer angibt das es eine Vergewaltigung gab, kann man auch gleich würfeln. Genauso wenig ist das Ehemännerverprügeln juristisch zu lösen. Es ist ja leider nicht so, dass dem Menschen das Lügen, erst recht wenn es um etwas geht, so fern ist. Ein zuverlässiger Mechanismus, wie man den Wahrheitsgehalt von menschlichen Aussagen objektiv feststellt, ist ja noch nicht gefunden worden(und mit der menschlichen Tendenz zur Selbsttäuschung mM. auch nicht findbar).
Das Einzige was wir gesellschaftlich tun können, um solche Problematiken abzubauen, ist das Individuum zu stärken für seine eigenen Interessen einzutreten. Sprich: Wenn dein Ehepartner übergriffig wird, musst du aus der Beziehung austreten können. Wenn der Partner dir nachstellt, muss die Gemeinschaft/Staat dich schützen. Den fehlenden Mut, die ökonomische, soziale Unabhängigkeit kann dir leider niemand geben. Manche Probleme sind einfach mit den Mitteln eines offenen Gesellschaft und eines Rechtsstaates nicht zu lösen.