Edit: Sorry, für die viel zu lange Auseinandersetzung mit dem Text . Aber der Link geistert ja schon länger hier rum und die Gedanken hatten sich angesammelt
Ich finde den Text auf jeden Fall krass und bin mir auch unsicher, wie man am besten darauf reagieren sollte.
Vorweg finde ich es erstmal stark, dass die Autorin auf ihrem Argument fokussiert bleiben möchte und deshalb zu Beginn alle „Pseudo“-Argumente und Unterstellungen gegen das Gendern entkräftet und vom Tisch fegt.
In der Diskussion habe ich oft das Gefühl, die Gegenseite eignet sich jedes Argument an, das sich grade anbietet und wird mal eins entkräftet, springt man schnell zum nächsten. Und im Endeffekt kann man dann doch alles auf „Hab da kein Bock drauf“ runterkürzen.
Finde ich jedenfalls positiv, dass hier die Autorin das selbst übernimmt, um da nicht von ihrem eigentlichen Vorwurf ans Gendern abgelenkt zu werden.
Der Vorwurf selbst wiegt dafür natürlich umso heftiger, da sexistische Diskriminierung ja genau das Gegenteil davon ist, was Gendern bewirken soll. Ich bin da persönlich auch etwas zwiegespalten.
Auf der einen Seite würde ich nicht versuchen ihr Empfinden beim gegendert werden zu relativieren, da sie ja auch sehr persönlich drüber spricht mit Bezug zu ihren Diskriminierungserfahrungen und ich ihr ihre Gefühle niemals absprechen wollen würde. Da würde ich im persönlichen Gespräch auch Rücksicht drauf nehmen und sie so ansprechen und betiteln, wie sie sich am wohlsten fühlt.
Ich bin auch niemand, der andere korrigiert, wenn das generische Maskulinum verwendet wird. Ich gebe mir beim Gendern selber Mühe und mir fällt es positiv auf, wenn andere es machen, da ich die Wertschätzung dahinter erkenne. Aber da mir der Prozess darin bewusst ist, würde ich es nie hardline von anderen erwarten, weil es sich ja auch fortlaufend noch verändern kann.
Mit dem Prozess im Sinn, sollte ihre Stimme und der Vorwurf daher auch gehört werden, um bei den eigenen Bemühungen auch bereit zum abklopfen zu sein, ob man noch in die richtige Richtung geht.
Auf der anderen Seite stimme ich mit ihrer Analyse überhaupt nicht überein, die ja auch eher eine persönliche Meinung zum Gendern darstellt, ohne den Anspruch zu haben, irgendetwas wirklich belegen zu wollen. Sie bezieht sich dabei ja vor allem auf den Vergleich zum englischen Sprachgebrauch, den ich auch oft eher schwierig und schwer nachvollziehbar finde. Da kann man im Prinzip ja auch nur eine eigene Meinung zu haben, wo man das Problem besser gelöst findet, ohne eine wirkliche Vergleichbarkeit oder Übertragbarkeit herstellen zu können. (wobei mir auch im englischen Ungenauigkeiten bekannt sind, bei denen man dann ungelenk präzisieren muss, wie „female doctor“ oder gerne auch „she doctor“, wenn per default von einem Mann ausgegangen wurde)
Ich muss auch ehrlich sagen, dass mir ihr Vorwurf bisher eher selten begegnet ist und wenn, dann wirklich eher von den piefigen Konservativen, die sie ja selber augenzwinkernd erwähnt. Mir sind da bisher nur Analysen und Studien bekannt, die genau diesen Vorwurf dem generischen Maskulinum bescheinigen können und eine geschlechtergerechte Sprache dieser diskriminierenden Wirkung entgegenwirken kann.
Vielleicht auch mal ergebnislos, da Gendern auch nicht fehlerfrei und perfekt ist. Dem negativen Effekt des generischen Maskulinums kann man, denke ich, allerdings nicht vollständig widersprechen.
Persönlich muss ich aber zugeben, dass ich diese Studien eher nice-to-have zum Argumentieren finde, die ich für meine eigene Überzeugung aber gar nicht bräuchte, da ich auch einfach auf meine eigenen Erfahrungen zurückblicken kann (auch bevor ich von gender studies wusste) und was das generische Maskulinum kognitiv mit mir macht. Eine Gruppe Männer ist einfach nicht zu unterscheiden von einer Gruppe nicht nur Männer. Und da finde ich, bringt es die Autorin mit dem Henne-Ei-Problem der sprachlichen Maskulinität eigentlich gut selbst auf den Punkt. Wir könne vielleicht nicht sagen, warum es letzten Endes so ist, aber das es als psychologischer Effekt oder konstruktivistisch unzureichend ist, bleibt als Problem.
Zum Abschluss möchte ich noch erwähnen, dass sich mir beim Lesen des Textes tatsächlich ein anderer Gedanke aufgedrängt hat, was das Problem sein könnte. Nämlich die vermeintliche Minderwertigkeit der weiblichen Form und die immer noch existierende Schamhaftigkeit, in einem männlichen Beruf als Frau erfolgreich zu sein. Eine Schriftstellerin sei dann nicht so viel wert wie ein Schriftsteller, weshalb dann auch „die beste Schriftstellerin“ eingeschränkter als Titel ist als „der beste Schriftsteller“. Ich schlage daher doch im Sinne der Gleichstellung vor, dass wir nur noch das generische Femininum benutzen und uns dann erst in einigen Jahrzehnten mit einer geschlechtergerechten Sprache auseinandersetzen. Dann von mir aus auch gerne mit der Hilfe von Männerrechtlern.
(Disclaimer: Der letzte Absatz ist teilweise nicht ganz ernst gemeint)