Ich bin glücklich. Nach langer, langer Zeit habe ich endlich mal wieder eine Partie The Manhattan Project 2: Minutes To Midnight spielen können. We had a blast!
Spielidee
In Minutes To Midnight führen die Spieler die Geschicke ihrer Nation ab den 1960er Jahren im fortlaufenden und immer weiter eskalierenden Atomaren Wettrüsten. Das einst so streng gehütete „Geheimnis“ des atomaren Feuers hat sich über den gesamten Globus verbreitet und die Herstellung einer Bombe ist längst keine Schwierigkeit mehr. Doch für eine effektive Abschreckung braucht es mehr als nur die Bombe selbst: Nur bei einem ausreichend großen und weit gefächerten Arsenal aus Mittelstreckenraketen in Drittwelt-Staaten, Atom-U-Booten in den Küstengewässern der Gegner, strategischen Bombern und Silo-Komplexen für Interkontinentalraketen, geschützt durch einen Schirm aus Abwehrraketen kann die eigene Existenz oder gar Vormachtstellung gesichert werden!
Umfangreichere Info zum Spiel
REGELN
Der Arbeitsmarkt mit ein paar wenigen Platzierungen. Oben links können Arbeiter eingekauft werden, oben rechts kann man sie zu Politikern, Spionen und Generälen ausbilden. Im mittleren Segment befinden sich Politik und Spionage, sowie Korruption (zusätzlicher Gebäudebau) und ganz unten dann die Militäraktionen).
Mechaniken
Spieler entscheiden jede Runde, ob sie weiter Aktionen vorbereiten (Arbeitereinsatz) oder die vorbereiteten Aktionen ausführen (abziehen eigener Arbeiter). Dabei müssen sie ihre eigene Forschung in der Raketenabwehr, Reaktortechnik, Flugzeug-, U-Boot- und Bombenproduktion vorantreiben, Arbeiter, Spione, Generäle und Politiker für sehr unterschiedliche Aufgaben rekrutieren, Geld eintreiben und mit diesem die nötige Infrastruktur für Atomtests, Forschung und Produktion auf dem eigenen Festland einrichten. (Dank Spionage können jedoch auch scheinbar abgehängte Nationen ihre technologische Rückständigkeit ausgleichen.)
Forschungsfortschritt am Ende unserer Partie. China (orange) hat als einziges die U-Boot-Forschung vorangetrieben, Deutschland (blau) hat die besten Flugzeuge und Reaktoren, die Sowjetunion (braun) führt bei der Raketenabwehr.
Das zentrale Element bildet die Mechanik der variablen Runden. In vielen Worker-Placement spielen werden die Arbeiter gleichzeitig zurückgebracht und dann ebenso gleichzeitig (bzw. in fester Sequenz) die Ressourcen und Vorteile an die Spieler „ausgezahlt“. Nicht so bei Manhattan Project: Jeder Spieler mit (in vorherigen Zügen) gesetzten Arbeitern, kann entscheiden diese einzusammeln, statt in diesem Zug Arbeiter zu setzen. Er erhält einen kleinen Bonus, handelt die Ereignisse in selbstgewählter Reihenfolge ab (hier sind tolle Kombos möglich) und setzt die Spieluhr um einen Schritt nach vorne. Dies kann, insbesondere kurz vor anstehenden Wertungsrunden absolut nervenaufreibend sein; oft muss sich ein Spieler entscheiden, ob er entweder seine Arbeiter ausreizt, oder vorzeitig zurückzieht, damit diese ihre Arbeiten noch vor der Wertungsrunde verrichten - ein Silo ohne Raketen ist nur ein sehr aufwändiges Loch im Boden!
Durch geschickte Platzierungen und das ständige gegeneinander kann man anderen Spielern Fallen oder wenigstens unprofitable Situationen vorsetzen, kann aber gleichzeitig niemals in allen Bereichen glänzen. Es gibt zuviele Handlungsmöglichkeiten und zuviele bewegliche Teile um alles im Blick zu behalten. Stattdessen muss man sich einfach entscheiden eine bestimmte Linie zu verfolgen und andere wenig oder gar nicht.
Die „Spieler“ in der Anleitung sind übrigens Nikita, Ronald, Margret, Indira und Mao.
MATERIAL
Die Spielbretter und Gebäudekärtchen sind allesamt aus stabiler Pappe, die Arbeiter gar aus 3mm starker Pappe. Forschungsmarker, Spielstandsanzeiger und Atomwaffen sind aus Holz, der Rest aus dünner, aber stabiler Pappe. Das Material fühlt sich wertig an und ist groß genug leicht gegriffen zu werden. Der einzige Mangel besteht meiner Meinung nach darin, dass man die vielen verschiedenen Arbeitertypen, Bomber usw. nicht besonders einfach sortieren und lagern kann. Ich empfehle „Startbeutelchen“ anzulegen, mit den nötigen Spielsteinen und Ressourcen eines Spielers jeder Farbe, das beschleunigt den Aufbau.
Die Spielkarten kommen in zwei Formaten. Das ist einerseits in Ordnung, da die Spielhilfen und Nationen im normalen Spielkartenformat vorliegen und die U-Boote und Täuschkörper in einem anderen. Für Menschen wie mich, die ihre Spielkarten gerne eintüten bedeutet dies aber zwei verschiedene Formate für die Hüllen kaufen zu müssen.
In seiner Gestaltung trifft das Material meiner Meinung nach wie der Vorgänger genau ins schwarze. Mich erinnerten die kleinen Porträts und Bilder an Command and Conquer: Alarmstufe Rot. Sie wirken realistisch genug, sind aber erkennbar Teil eines Spiels, etwas entsättigt, farblich kodiert aber trotzdem auf eine gewisse Weise düster bzw. industriell. Dazu kommt dann die angesprochene Wertigkeit von Druck und Pressung, sowie das Material.
FAZIT
Vom ersten Zug an ist Minutes To Midnight ein kräftezehrender Poker um die atomare Vormachtstellung. Zwar dauert es bis zur ersten Zwischenwertung eine ganze Weile (Runde 14 von 30), doch danach geht das ganze Schlag auf Schlag - alle vier Runden werden andere Trägersysteme verglichen und obwohl jede Nation recht problemlos an Bomben kommt ist die zeitgerechte Platzierung derselben auf Bombern, U-Booten usw. bei gleichzeitiger Abwehr gegnerischer Einflussnahme wirklich nervenaufreibend.
Was soll ich sagen? Ich liebe das Spiel. Die Idee, das Artwork, das Spielmaterial, aber vor allem: die wirklich irrsinnig fesselnde Dynamik des „Atompokers“. Ich habe übrigens die Regeln auf Deutsch übersetzt, sogar hübsch formatiert.
Fairerweise aber muss ich folgenedes anmerken: Das Spielt braucht seine Zeit und durch die vielen ineinander greifenden Mechaniken ist es - trotz des wirklich exzellenten Materials und der sehr plastisch gestalteten Anleitung voller markanter Beispiele - zunächst einmal nicht sehr eingängig. Es ist ein Strategiespiel für Strategiespieler mit einem einzigartigen Theme und eignet sich glaube ich nicht dazu „spontan mal mit Bekannten“ gespielt zu werden.
Das Spiel gibt es u.a. bei Fantasywelt (RBTV Affiliate Link) zu kaufen.
SPIELBERICHT
Wir spielten in folgender Zusammensetzung und mit folgenden Sonderfähigkeiten:
(Startspieler): Statt einer einzelnen Platzierung darf Deutschland 1$ nehmen. / Einmal pro Runde darf Deutschland, wenn es einen Arbeiter (auch Spion) in einem Gebäude aktiviert ein weiteres Gebäude auf dem selben Spielbrett (auch beim Gegner) aktivieren.
->reich und effizient
: Einmal pro Runde kann ein Politiker wie ein Spion eingesetzt werden. / Wenn bereits zwei Spione in einer Runde platziert wurden, kann die UdSSR 1$ bezahlen um eine dritte Spionage-Platzierung zu machen.
->starke Spionage und Spionageabwehr
: Wenn Arbeiter rekrutiert werden, erhält China 1 Arbeiter mehr als angegeben. / Einmal pro Runde darf China 1$ bezahlen um eine dritte Platzierung auf einem eigenen Gebäude vorzunehmen.
->Probleme mit Arbeitskraft bewerfen
Deutschland begann das Spiel und setzte stark auf die eigene Effizienz: Wenige spezialisierte Arbeiter, mehr Geld und Produktion. Die Sowjetunion begann - natürlich! - mit der Errichtung einer Fabrik. Mit dem Bau jeder Fabrik kann man auch den Techlevel bei der Produktion von U-Booten oder Bombern anheben. Die Sowjets entschieden sich für die Bomber. China, treuer Nachbar und Genosse im vereinten Kampf für den Siegeszug des Sozialismus zur- usw. tat es der UdSSR gleich und baute ebenfalls eine Fabrik und erhöhte den Bomber-Techlevel.
Die ersten „Jahre“ vergingen damit, dass Deutschland sehr rasant forschte, die Sowjetunion viel spionierte und China ersteinmal nur Fabriken errichtete. Das war günstig denn so gab es in China nicht viel zu holen (Deutschlands Fabriken lohnten eher für Spionage, dank besserer Technik) und es wirkte nicht übermäßig gefährlich. Eine Testreihe von zwei Atombomben sorgte jedoch international für Aufmerksamkeit; lange blieb China das einzige Land, dass Atomtests durchführte. Kurz vor der ersten Wertung (ICBMs) jedoch investierte China massiv in Spionage, Forschung und Infrastruktur. Zwei eilig eingerichtete Raketenkomplexe wurden mit Erkenntnissen aus ausländschen Anlagen ausgebaut und mit eingekauften Atomwaffen bestückt. Hier kam das erste Mal die Dynamik der Spieluhr zum tragen: Hätte China einen weiteren Zug gewartet (um alle Arbeiter auszubringen und insgesamt mehr zu profitieren) hätte es a) die Chance vergeben die Silos vor der Wertung ausreichend zu bestücken und b) auch den anderen Nationen noch die Chance gegeben nachzuziehen.
Bestückte Silos und verwendetes Testgelände auf dem Festland.
Als nächstes würden Bomber gewertet. Hier lagen China und Deutschland zwar technologisch vorn, die UdSSR entsandte jedoch fast ein Drittel ihrer Arbeiter als Spione ins Ausland (einmal pro Runde dürfen ja auch ein Politiker wie ein Spion benutzt werden). Da sie bei den Silos völlig leer ausgegangen waren lieferten sich Deutschland und die Sowjetunion ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Bombern, bei dem China nahezu unbeteiligt zusehen musste - nur zwei Bomberstaffeln stiegen auf, während der eigene Luftraum erfüllt war von den Bombern der Gegner. Insgesamt jedoch sah es sehr, sehr gut aus für China. Durch die frühen erfolgreichen Atomtests und den überraschend schnellen Ausbau der Interkontinentalraketen behielt die Volksrepublik das größte Abschreckungspotenzial und daran änderten auch die Bomber nichts - für’s erste.
Als nächstes zeichnete sich eine Krise zur See ab: U-Boote waren gefragt! Erneut gelang es China zügig die Forschung voran zu treiben und als einzige Nation ein Boot der dritten Generation zu bauen und erfolgreich in die sowjetischen Küstengewässer zu bringen. Dabei zeigte sich, dass die dort installierte Raketenabwehr im Falle eines Angriffes unzureichend gewesen wäre. Nach der planmäßigen Demütigung und Beilegung der Krise liefen die Boote ihre Heimathäfen an. Auch die Sowjets hatten ein Boot vor die Deutsche Küste bringen können, allerdings war es von wesentlich älterer Bauart. Es schien, als seien die Chinesen nicht mehr einzuholen, doch die Sowjetunion und Deutschland hatten ihre eigenen Pläne.
Die Sowjets nahmen die deutsche Einflussnahme an ihrer Grenze zähneknirschend zur Kenntnis, konzentrierten sich aber aufs Inland. Sie führten zwei Testserien mit insgesamt 14 Atombomben durch und waren ab jetzt in diesem Bereich unangefochtene Weltspitze. Dies sorgte auch für einen rasanten Sprung nach vorn.
Deutschland erkannte rechtzeitig, dass sich die beiden Kommunisten beim nuklearen Muskelspiel mit Bombern und Booten verausgabt hatten und darauf angewiesen waren, dass ihre Politiker Geld einwarben. Dies erlaubte der Bundesrepublik die Beziehungen zu den an die Gegner angrenzenden Staaten der Dritten Welt zu verbessern um dort mittelfristig Atomwaffen auf Mittelstreckenraketen zu stationieren. Erst einmal jedoch, genügte der Einfluss dort, um den Abstand zu den anderen Nationen zu verringern.
Dann ging es auf das Ende zu. Noch einmal würden nacheinander alle Bereiche gewertet werden, um den endgültigen Sieger zu bestimmen.
Die Sowjets setzten - trotz zweier gebauter Silos - nun vollständig auf Bomber. Diese wurden in Schwärmen in den Lufträumen der Gegner, vor allem in China, verteilt. Deutschland gelang es jedoch rechtzeitig den eigenen Luftraum durch Jägerstaffeln und eigene Bomber abzuriegeln, womit es als einziges einen Himmel frei von Feinden vorweisen konnte. In den letzten Runden ging das Spiel noch einmal in eine heiße Phase, da jetzt jeder zum einen den eigenen Vorteil maximieren und zum anderen den Gegnern soviel wie möglich vorenthalten wollte. Durch eine in letzter Minute verbesserte Raketenabwehr gelang es der Sowjetunion die jüngst von Deutschland installierten Mittelstreckenraketen, chinesischen U-Boote und Kontinentalraketen wirkungsvoll abwehren zu können - was die Gegner einiges an Prestige kostete und die Position der UdSSR gewaltig stärkte.
Auch Deutschland konnte durch sein Engagement in der Dritten Welt und den perfekt verteidigten Luftraum noch einmal ordentlich zulegen.
Deutschland bei Spielende.
Sowjetunion bei Spielende.
Behold, the bringer of light.
Endstand:
- (67)
- (66)
- (62)
China hatte es - ganz knapp - geschafft. Deutschland hatte zwar effizient gewirtschaftet aber versäumt verfügbare Atomwaffen auf die entsprechenden Trägersysteme zu bringen. Dafür allerdings fand jeder Spieler im Verlauf des Spiels seine eigenen Lücken und nutzte diese für sich aus. Obwohl China zwischenzeitlich über 20 Punkte vor seinen Gegnern lag konnten diese daher zum Spielende noch einmal gefährlich werden und alle drei Spieler langen innerhalb von 5 Punkten - so muss es sein.
Ach ein tolles Spiel. Ich komme zu selten dazu es zu spielen, weil meistens schon die Erklärung abschreckt, aber das Spielgefühl, inbesondere mit diesem Theme, ist der Wahnsinn.