Konnte heute zwei kurze Zwei-Spieler-Partien Pax Renaissance spielen. Das Spiel ist ein klassisches Phil Eklund/ Sierra Madre Design, wem das was sagt. Also thematisch dicht, strategisch tief und nicht direkt „straight forward“. Wenn man sich darauf einlässt, kann man aber sehr viel Spaß damit haben, glaube ich.
Das Spiel behandelt wie der Titel vermuten lässt die Renaissance zwischen 1460 und 1530 in 10 Gebieten, die in Westen und Osten eingeteilt sind. Es gilt eine von vier Siegbedingungen zu erfüllen, um Europa aus dem (finsteren) Mittelalter in die Moderne zu führen: „Globalisierung“ durch Entdeckungen und Handel, „Renaissance“ durch die Errichtung von Rechtswesen und Republiken, „Imperien“ durch die Festigung der monarchischen Herrschaftsstrukturen oder „Religion“ durch die Vormachtstellung einer der drei Religionen.
Das Spielbrett mit den 10 Gebieten (weiß im Westen, schwarz im Osten), inklusive ihrer aktuellen Herrscher. Links die vier aktivierten Siegbedingungen. Das Spiel kann ohne Brett (oder Mitspieler) gespielt werden, ist also tendenziell sehr Reisetauglich.
Die Spieler übernehmen dabei die Rolle von vier mächtigen Bankiers der Epoche (Jacques Cœur, Jakob Fugger, Bartolomeo Marchionni und Cosimo di Giovanni de’ Medici).
Durch ihr Vermögen sind diese in der Lage Staatsoberhäupter, Glaubensgemeinschaften, Piraten, Söldner und Bevölkerungen zu beeinflussen, sind dabei aber selbst völlig frei darin zu entschieden wie sie das Spiel gewinnen möchten.
Die Spieler kaufen und spielen Karten aus einer Auslage, die historische Figuren, Söldnergruppen, Einrichtungen, Verträge usw. repräsentieren. Dabei gibt es ein System, das ungekaufte Karten nach und nach günstiger macht bzw. eine direkte finanzielle Belohnung bietet, wenn man diese aufnimmt.
Mit den Karten errichten die Spieler im Verlaufe einer Partie ein Tableau um den eigenen Charakter. Das Ausspielen einer Karte hat häufig diverse (mögliche) Auswirkungen, etwa einen Regime-Wechsel (durch Hochzeit, Verschwörung, oder Revolution) und/oder die Platzierung von Festungen, Rittern, Bischöfen oder Bauern.
Platzierte Karten im eigenen Tableau können außerdem für weitere Effekte aktiviert werden, etwa Wahlen, Handel, Besteuerung oder Inquisition.
Jeder Zug eines Spielers bildet zwei Jahre ab und besteht aus ein bis zwei Aktionen. Es gibt ganz allgemein nur 6 verschiedene Aktionen: Kauf, Verkauf oder Ausspielen einer Karte, Ausführung von Unternehmen (Operations, kurz „Ops“), Handelsreise und Beanspruchung einer Siegbedingung. Hinter „Ops“ verbirgt sich aber wie bereits angedeutet eine Flut an verschiedenen Möglichkeiten und das Ausspielen einer Karte hat wie gesagt auch oft mehrere Effekte.
Trotz kurzer Denkpausen lief das Spiel, sobald wir einmal drin waren, sehr zügig. Das hätte ich von einem doch recht umfangreichen Zivilisationsspiel, noch dazu mit nur zwei Spielern, nicht erwartet; normalerweise „belauert“ man sich da doch sehr, aber vielleicht kommt das noch mit mehr Erfahrung.
Im Spiel: Jacques Cœur (lila) übt Einfluss in Ungarn und im byzantinischen Reich aus, um einen Religionssieg zu erreichen; die roten Einheiten sind protestantisch, die goldfarbenen Einheiten katholisch und die petrolfarbenen Einheiten muslimisch. Nur Ritter können von einer Region in eine andere gesandt werden, Türme dienen nur der Verteidigung. Bauern stehen zwischen den Regionen und repräsentieren hauptsächlich Handel, können aber auch bei politischen Umstürzen eine Rolle spielen.
Interessant finde ich, dass man sehr pragmatisch spielen kann und sollte. Statt einer bestimmten Spielweise, einem Land oder einer Religion ist man nur dem eigenen Ziel verpflichtet soviel Einfluss auszuüben, dass man eine der Siegbedingungen auslösen kann. Das Ineinandergreifen der politischen, militärischen, religiösen und Handelssysteme hat mir sehr gefallen, auch wenn ich mir sicher bin, dass da noch weit mehr drin steckt, als ich bisher sehen konnte.
Und ja, mir gefällt auch der „Illuminaten“-Aspekt (die aber erst sehr viel später auf den Plan traten ), dass im Prinzip die Bankiers durch ihren Einfluss die Welt viel nachhaltiger beeinflussen, als Könige, religiöse oder politische Anführer, eben weil ihre (höchst eigennützigen) Absichten über Landesgrenzen und Religionsgemeinschaften hinaus wirken. Dabei lenken Sie aber nicht aus den Schatten auf ein Ziel zu, sondern wollen einfach nur selbst das dickste Stück vom Kuchen. Es gibt keine tiefgreifenden Überzeugungen oder Abhängigkeiten; die Renaissance ist bei diesem Wetteifer um Einfluss fast sowas wie ein Nebenprodukt.
In der Anleitung ist auf Seite 1 zu lesen:
RENAISSANCE BANKERS, What do you know about them? That they were rapacious, greedy, and fabulously rich? That they purchased Kaisers and Kings? What you don’t know is that they were the first capitalists, the first to overcome the tyranny of warlords. As they vanquished medieval feudalism, they steered the Western World out of the Dark Ages and into the world of 747s, skyscrapers, and Coca-Cola. This is the thesis of the game."
Finde ich zwar etwas dick aufgetragen, aber wie gesagt einen unterhaltsamen Ansatz.
Und zum Abschluss noch meine Lieblingskarte:
Ach Dithmarschen…