Gespräche zu Nachrichten und News aus der Welt (Teil 5)

Weil die Leute in den Lagern paper trail hinterlassen haben, selbst wenn es nur die kleinste sekretärin war.

Wohingegen es sicher noch genug Leute aus SS und Wehrmacht gibt die aktiv Menschen ermordet haben.
Nur ist „schütze Müller, der 43 bei Kursk in einer Einheit war, die ein Dorf ausgelöscht hat, nichts einzeln nachweisbar“

Doch alles ein Witz.

So viele wird es da auch nicht mehr geben. Ich weiß jetzt nicht wann man frühestens da eingezogen wurde. Aber sagen wir mal 12 und man ist kurz vor Kriegsende dorthin gekommen und hat sich direkt als Obernazi entpuppt sind selbst diese Menschen heute min. 91 Jahre alt.

Noch mal, sie war kein Name der mal irgendwo stand. Sie war die direkte Sekräterin.

Die Angeklagte Irmgard F. hatte nahe am Lagerkommandanten Paul Werner Hoppe im KZ Stutthof gearbeitet. Sie war Stenotypistin in dessen Büro und organisierte den gesamten Schriftverkehr des Lagerkommandanten und seines Adjutanten.

Irmgard F. habe durch ihre Dienstbereitschaft für die Mordtaten im KZ Stutthof zur Verfügung gestanden, sie habe psychische Beihilfe geleistet.

Kein Schuldeingeständnis der Angeklagten

Ende 2022 hatte das Landgericht Itzehoe die heute 99-jährige Irmgard F. zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen. Im Prozess vor dem Landgericht hatte Irmgard F. sich kurz zu den Vorwürfen gegen sie geäußert. Sie sagte, es tue ihr leid, was alles geschehen sei, und dass sie es bereue, dass sie zu der Zeit in Stutthof war. Ein Eingeständnis ihrer persönlichen Schuld war das nicht, denn Irmgard F. hat ihre Verurteilung nicht akzeptiert und Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Es ist wirklich erschreckend was man hier für ein Bild zeichnen möchte. Sie war keine Random Person.

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Gut was sollte Sie auch anderes machen.
Hätte sie sich geweigert, wäre sie ins KZ als Straftäterin gesteckt worden

Warte, warte, warte…
Weil sie was gemacht hätte? Die Arbeit dort ablehnen?

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Das muss nicht so sein, in einer Doku wurde erzählt das man so einen Karriere weg nicht anstreben musste. Parteimitgliedschaft usw. sind Sachen an den man zum Teil nicht vorbei kam. Aber es soll auch mehr Legende sein, das die Leute alle keine Wahl hatten, da gab es genug die sich um Stelle gerissen haben. Und Dienstbereitschaft heißt ja, so wie ich es verstehen, sie wollte von sich aus diese Stelle.

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Was angeblich aber auch niemals vorgekommen ist. Das wird sehr oft als Argument für das Handeln genannt, doch soll es niemals dazugekommen sein.

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Das war einfach eine Ausrede und Legende von damals, sich von Schuld freimachen zu können.
@boja warum auch, gab ja keinerlei Grund dafür. Es gab mehr als genug Freiwillige für solche Arbeiten.

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Es gibt beides, die Strukturen, die Handlungen und Entscheidungen begünstigen, beeinflussen, bahnen, und es gibt die persönliche Verantwortung für das eigene Handeln und die eigenen Entscheidungen. Das eine beeinflusst das anderere, aber sie schließen sich nicht aus.
Man muss nicht den Job als Sekretärin in einem KZ annehmen. Wenn man aus biografischen Verwicklungen ein Rad in einem Unrechtssystem ist, muss man das System nicht auch noch aktiv nach Kräften fördern.
Und um das Einsehen des eigenen Zutuns, dessen, wo man sich anders entscheiden hätte können, aus der damaligen Sicht, mit dem damaligen Wissen, den damaligen Kontexten und der damaligen Irrationalität, darum geht es.
Hinterher will niemand etwas gewusst haben, sich nie vorstellen können, wie schlimm es war, nur ein Rädchen im Getriebe gewesen sein, selbst der unmittelbaren Gefahr ausgesetzt gewesen sein, nur Befehle ausgeführt haben wollen, nur sein Bestes in der Arbeit getan haben, …
Aber um diese unfassbare Bürokratie-Maschinerie des Terrors gegen die Menschheit und Menschlichkeit in Gang, aufrecht zu erhalten und eskalieren zu lassen braucht es Menschen, die dahingehend Entscheidungen treffen und Handeln. Da steht nicht überall Hitler, das personifizierte Böse mit vorgehaltener Waffe und schnarrender Stimme, hinter den Personen, die die NSDAP wählen, die Leute verraten, die Deportationszüge möglichst effizient einsetzen, die die „Judenfrage“ mit kompletter Vernichtung beantworten und und und …
Dahinter stehen Gedankenlosigkeit, Privilegien, die man sich ausrechnet, Ignoranz aufgrund kognitiver Dissonanz, mir egal, solange es mich nicht betrifft, sollen doch erst mal die anderen…
Das Unrechtssystem der Nazis braucht Menschen, die es individuell aufrecht erhelten, so wie die Demokratie und freiheitliche Grundordnung Menschen braucht, die sie aufrecht erhalten.
Um diese Verantwortung geht es.
Damals wie Heute.
Man kann sich entscheiden, die AfD nicht zu wählen, überhaupt wählen zu gehen, sich Hetze gegen diskriminierte und vulnerable Personengruppen entgegenzustellen, die einfache Sündenbock Antwort hinterfragen, man kann sich als politisches Subjekt begreifen, das einen, wenn auch vermutlich geringen, Unterschied im Miteinander, in der Gemeinschaft sein kann etc. pp.
Darum geht es.
Um deine, meine, unsere Verantwortung in unserem Reden, Denken, Fühlen, Handeln.
Wer da argumentiert mit „aber ich konnte nicht anders“ oder „ob ich etwas anders mache, ist eh egal“ oder vielleicht sogar „war doch nur ein Witz, haha, ich wollte nur ein bisschen trollen“ sollte diese Argumente mal genau darauf überprüfen und hinterfragen, ob man es sich da nicht selbst ein wenig zu leicht macht, weil man die eigene Verantwortung abgeben möchte.
Wenn man Freiheit, sich nichts sagen lassen müssen, Respekt, Anerkennung, … all das will, dann bedeutet das eben auch Verantwortung. Du kannst nicht das eine haben ohne das andere.

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Ich verstehe immer nicht, warum immer wieder Urteile über so alte Leute gefällt werden.

Nicht das sie nicht schuldig wären. Eher so warum hat man das nicht vor 40, 50, 60 Jahren schon gemacht?

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Das hat halt mehrere Gründe.
Vermutlich sind die großen Punkte, der politische unwille in der frühen BRD die NS Zeit aufzuarbeiten. Dann sind Beweise nicht vollständig und sind mit der Zeit unvollständiger geworden. Und zusätzlich ist ein größeres Interesse an Aufklärung auch erst in den 80igern gestiegen. Zusätzlich kam halt noch internationales Interesse der Überlebenden bzw Hinterbliebenen dazu.

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Nein, das lag in diesem Fall tatsächlich an etwas anderem.

Es gab bis in die 60er Jahre immer wieder Anklagen und Urteile. Natürlich zuerst vor allem „direkt“ Beteiligte.
Aber 67/69 entschied das Bundesgerichtshof dass es so nicht mehr geht und man jedem angeklagten die direkte Einzeltat nachweisen müsse. Ab da gab es dann quasi zwei Personengruppen, einerseits die direkt Beteiligten (ganz simpel gesagt der Offizier der die Waffe abdrückt) und Angeklagte die nicht an einer Einzeltat beteiligt waren, also eben Wächter, Sekretäre etc…

Bundesgerichtshof damals

… dass jeder, der in das Vernichtungsprogramm des Konzentrationslagers Auschwitz eingegliedert war und dort irgendwie anlässlich dieses Programms tätig wurde, sich objektiv an den Morden beteiligt hat und für alles Geschehene verantwortlich ist. Diese Ansicht ist nicht richtig. Sie würde bedeuten, dass auch ein Handeln, das die Haupttat in keiner Weise konkret fördert, bestraft werden müsste. Folgerichtig wäre auch der Arzt, der zur Betreuung der Wachmannschaft bestellt war und sich streng auf diese Aufgabe beschränkt hat, der Beihilfe zum Mord schuldig.

und

Alle Beschuldigten in diesem Teilkomplex haben in ihren Vernehmungen angegeben, nie einen Häftling erschossen zu haben. Dies ist ihnen nicht zu widerlegen, da […] konkrete Beschuldigungen nie erhoben worden sind.

Ab da brauchte es einen „Konkreter Einzeltatnachweis“. Und die gibt es bei jemanden wie einer Sekretärin einfach nicht

Daher gab es ab da auch keine Anklage.

Bis 2011. Da gab es einen aufsehenerregenden Prozess der den Bundesgerichtshofurteil auf den Kopf stellte. Ein Täter (Demjanjuk) wurde verurteilt obwohl keine konkrete Einzeltat nachgewiesen wurde.

Der Nachweis einer konkreten Tat Demjanjuks konnte nicht erbracht werden. Das Gericht verurteilte ihn dennoch - auch ein Novum in der deutschen Justizgeschichte. Es ging davon aus, dass ein Wächter im einem Lager wie Sobibor automatisch Mordhelfer war.

leider verstarb er. Daher wurde das Urteil nicht verhängt. Und so schwebte quasi immer noch das Bundesgerichtsurteil von 69 im Raum.

Bis ein Gericht wieder 2016 sich an einem Täter versuchte und wieder urteilte ohne konkreten Einzeltatnachweis.
Das wurde rechtskräftig und ab da auch normale Rechtssprechung.
Das war der Fall Oskar Gröning

das BGH damals

Der Grundgedanke lautet: Auch die „kleineren Rädchen“ haben eine zentrale Rolle beim Völkermord an den Juden gespielt. Voraussetzung auch bei der „Ungarn-Aktion“ sei ein „organisierter Tötungsapparat“ gewesen, der mit eingespielten Abläufen in der Lage war, in kürzester Zeit Tausende Morde zu begehen. Zu diesem Apparat habe insbesondere das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau mit dem dortigen Personal gezählt.

Bei diesem Urteil war dieser Gröning Prozess maßgebend und die Rechtssprechung stutzte sich darauf.

wer sich für Rechtsgeschichte Interessiert

Zusammengefasst: dass die Sekretärin jetzt die letzten Jahre angeklagt wurde hängt mit der deutschen Rechtsgeschichte zusammen. Ab 69 gab es keine Anklagen mehr gegen die Räder im System da kein direkter Tatnachweis. Erst 2016 wurde dieses Fenster wieder eröffnet.

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Okay das mit der Gesetzesanpassung in den 70igern hatte ich noch im Hinterkopf, war mir aber nicht mehr sicher was das in Detail war.

Hab vor ein Paar tagen erst mitbekommen dass Aldi gerade wie sonst was in Amerika wächst.
Jetzt haben die da ne südstaaten supermarktkette gekauft und bauen die stores zu aldi um

Die karte unten ist schon beeindruckend

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SEKRETÄRIN,
Wie es sie auch in jedem anderen Betrieb in der Nazi Zeit gab.
Die hat nicht die Gashähne aufgedreht.

Wäre sie es nicht gewesen, hätte es 1000 andere junge Mädels gegeben die den Job gemacht hätten.

Und keiner von uns weis in welcher Lage sie war als sie die Arbeit annahm.

Da ist jeder Wehrmachtssoldat der aktiv Gefangene erschossen hat etc, schuldiger.

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Sie wurde doch eh gerade mal für zwei Jahre auf Bewährung verurteilt. Natürlich sind andere „schuldiger“, die dann auch ein höheres Strafmaß bekommen würden, bzw. früher hätten bekommen sollen, als der zweite Weltkrieg noch nicht so lang her war wie jetzt…

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Ja aber nun war sie es die dort gearbeitet hat und dafür wurde sie verurteilt

Und wenn es Beweise für die Taten der einzelnen Soldaten gibt, würden auch diese verurteilt

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Die deutsche Effizienz schlägt halt viele Amerikanische Supermarktketten.

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Ja und das macht sie unschuldiger weil?

Also in deinem Szenario hat das Gericht, was ja Jahrelang Ermittelt hat, fehlergemacht, weil sie ja nur Sekretärin war und die kann nur unschuldig sein.

Wir hatten es schon, das es mittlerweile eher als Legende gilt das Leute im großen Stil zu Jobs/Dingen gezwungen wurden. Daneben haben ja Frauen im dritten Reich in der Regel auf eigenen Wunsch gearbeitet, besonders an solchen Stellen.

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Zumal du für ein Vernichtungssystem wie im 3. Reich eben auch den Verwaltungsapparat brauchtest. Und es ist doch scheiß egal ob wer am Ende den Hahn beim Gas aufgedreht hat oder wer das Ding gebaut oder die Häftlinge bewacht hat. Wer sich freiwillig in das System begab, wie die verurteilte Sekretärin, macht sich schuldig. Verstehe nicht wie man das anders sehen kann. Und das sie als Sekretärin eines Lagerkommandanten nicht gewusst haben will was da abgeht, i call bullshit!

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