Es gibt beides, die Strukturen, die Handlungen und Entscheidungen begünstigen, beeinflussen, bahnen, und es gibt die persönliche Verantwortung für das eigene Handeln und die eigenen Entscheidungen. Das eine beeinflusst das anderere, aber sie schließen sich nicht aus.
Man muss nicht den Job als Sekretärin in einem KZ annehmen. Wenn man aus biografischen Verwicklungen ein Rad in einem Unrechtssystem ist, muss man das System nicht auch noch aktiv nach Kräften fördern.
Und um das Einsehen des eigenen Zutuns, dessen, wo man sich anders entscheiden hätte können, aus der damaligen Sicht, mit dem damaligen Wissen, den damaligen Kontexten und der damaligen Irrationalität, darum geht es.
Hinterher will niemand etwas gewusst haben, sich nie vorstellen können, wie schlimm es war, nur ein Rädchen im Getriebe gewesen sein, selbst der unmittelbaren Gefahr ausgesetzt gewesen sein, nur Befehle ausgeführt haben wollen, nur sein Bestes in der Arbeit getan haben, …
Aber um diese unfassbare Bürokratie-Maschinerie des Terrors gegen die Menschheit und Menschlichkeit in Gang, aufrecht zu erhalten und eskalieren zu lassen braucht es Menschen, die dahingehend Entscheidungen treffen und Handeln. Da steht nicht überall Hitler, das personifizierte Böse mit vorgehaltener Waffe und schnarrender Stimme, hinter den Personen, die die NSDAP wählen, die Leute verraten, die Deportationszüge möglichst effizient einsetzen, die die „Judenfrage“ mit kompletter Vernichtung beantworten und und und …
Dahinter stehen Gedankenlosigkeit, Privilegien, die man sich ausrechnet, Ignoranz aufgrund kognitiver Dissonanz, mir egal, solange es mich nicht betrifft, sollen doch erst mal die anderen…
Das Unrechtssystem der Nazis braucht Menschen, die es individuell aufrecht erhelten, so wie die Demokratie und freiheitliche Grundordnung Menschen braucht, die sie aufrecht erhalten.
Um diese Verantwortung geht es.
Damals wie Heute.
Man kann sich entscheiden, die AfD nicht zu wählen, überhaupt wählen zu gehen, sich Hetze gegen diskriminierte und vulnerable Personengruppen entgegenzustellen, die einfache Sündenbock Antwort hinterfragen, man kann sich als politisches Subjekt begreifen, das einen, wenn auch vermutlich geringen, Unterschied im Miteinander, in der Gemeinschaft sein kann etc. pp.
Darum geht es.
Um deine, meine, unsere Verantwortung in unserem Reden, Denken, Fühlen, Handeln.
Wer da argumentiert mit „aber ich konnte nicht anders“ oder „ob ich etwas anders mache, ist eh egal“ oder vielleicht sogar „war doch nur ein Witz, haha, ich wollte nur ein bisschen trollen“ sollte diese Argumente mal genau darauf überprüfen und hinterfragen, ob man es sich da nicht selbst ein wenig zu leicht macht, weil man die eigene Verantwortung abgeben möchte.
Wenn man Freiheit, sich nichts sagen lassen müssen, Respekt, Anerkennung, … all das will, dann bedeutet das eben auch Verantwortung. Du kannst nicht das eine haben ohne das andere.