Wie jeden Abend versammelten sich die Kinder des Dorfes vor der HĂŒtte des alten Manns. Und wie jeden Abend tat der alte Mann so, als wĂŒrden ihn die Kinder stören. Er sah aus dem Fenster seiner kleinen HĂŒtte und bellte: âWas wollt ihr Rotzlöffel denn schon wieder hier? Schert euch fort!â Aber die Kinder wussten, dass er es nicht ernst meinte. âWir wollen eine Geschichte! Eine Geschichte von den Micha-Brosâ, riefen sie ihm zu. âWas, schon wieder? Das kann doch nicht wahr sein, haben euch eure Eltern nicht beigebracht, alten Leuten zumindest einen ruhigen Lebensabend zu lassen?â Doch die Kinder lieĂen nicht locker. âEine Geschichte, eine Geschichte!â, riefen sie. Der alte Mann lĂ€chelte in sich hinein. âIhr seid doch schon viel zu mĂŒde, wenn ich euch jetzt eine Geschichte erzĂ€hle schlaft ihr doch mittendrin ein!â, rief er ihnen entgegen. âWir sind noch hellwach!â, entgegneten die Kinder. Zum Beweis nahm sich eines der Kinder einen schweren Ast und erschlug eine vorbeikriechende Fleischwanze. ââŠund der Mensch erschlug das Tier, und es ging ein in Beliars Reichâ, murmelte der alte Mann vor sich hin, bevor er das Haus verlieĂ.
âNa gut, ihr Gören, dann setzt euch hin und hört mir gut zu, ich will nicht, dass ihr morgen schon wieder vor meiner HaustĂŒr rumlungert. Dann schauen wir malâŠkennt ihr schon die Geschichte, in der die Micha-Bros einem Zeitungsboten die Haut retteten?â
âNein!â, schallte es von den Kindern zurĂŒck. NatĂŒrlich war das eine LĂŒge. Die Kinder kannten alle Geschichten der Micha-Bros in- und auswendig, und spielten tagsĂŒber die Geschichten nach, die der Alte am Vorabend erzĂ€hlt hatte.
"Na gut, dann hoffe ich, dass ihr alle zufrieden seid mit eurer Position, hier wird nicht rumgealbert oder rumgetuschelt wÀhrend ich rede!
Also, es war einmal ein junger Mann, der musste ein wenig Geld verdienen. Weil ihm andere Menschen fast immer auf die Nerven gingen, konnte er viele Jobs nur schwer ausĂŒben. WĂ€hrend andere kellnern gingen, oder an der Tankstelle arbeiteten, ging der junge Mann lieber Zeitungen austragen. Da hat er seine Ruhe, da kann er schnell oder langsam machen, wie er will. NatĂŒrlich wollen die Leute ihre Zeitung pĂŒnktlich zum FrĂŒhstĂŒck, 06:00 Uhr muss die Zeitung spĂ€testens im Briefkasten sein, also musste der junge Mann frĂŒher aufstehen, als die meisten anderen. Lange hatte er den Job noch nicht, er war gerade in der zweiten Woche, da geschah es: Er hatte verschlafen! Er war zwar spĂ€t dran, aber nicht zu spĂ€t. Weil er schon einige Jobs gemacht hatte wusste er, dass ein gut vorbereiteter Arbeiter mit Zeitdruck immer noch besser war, als ein mĂŒder, hungriger und abgehetzter Mitarbeiter. Statt sich also sofort auf den Weg zu machen, aĂ er erstmal sein FrĂŒhstĂŒck und bereitete sich vor. WĂ€hrenddessen hörte er sich die aktuellsten Geschichten der Micha-Bros an. Jedes Mal, wenn der sonst eher miesepetrige und nervöse junge Mann sich die Geschichten der beiden Helden anhörte, bekam er gute Laune und war motiviert. Voller Tatendrang und frohen Mutes ging der junge Mann also los, um die Zeitungen auszutragen. Beseelt von der guten Laune des Micha K. und der One-Hit-EffektivitĂ€t des Micha R. fing er an. Er hatte eine Stunde fĂŒr eine Strecke, fĂŒr die er in der Woche davor noch anderthalb Stunden brauchte. Normalerweise hĂ€tte der junge Mann sein Schicksal hingenommen und sich gesagt âNaja, jetzt ist es halt zu spĂ€t, was sollâs? Beschweren sich halt ein paar Leute.â Aber nicht an diesem Tag. Denn an diesem Tag brannte die Motivation in ihm. Und plötzlich, als er sich nicht ĂŒber jeden Schritt Gedanken machte, ging das Austragen wie von selbst. Mit groĂen Schritten und guter Laune stapfte er durch die eisige Nacht. Und wisst ihr was? Die allerletze Zeitung landete pĂŒnktlich um 05:59 Uhr im Kasten!"
Ein bewunderndes Raunen ging durch die Kinderschar. Der Junge, der zuvor die Fleischwanze erledigt hatte, stand auf und fragte: âUnd das hat er nur wegen der Micha-Bros geschafft?â
âJa, nur wegen der beiden mutigen Recken hatte der junge Mann den nötigen Ehrgeiz, und gleichzeitig gar gute Laune, um die Arbeit pĂŒnktlich zu beenden.â
âDie Micha-Bros sind echte Heldenâ, sagte der kleine Junge.
âJa, das sind sie. So, und nun macht euch vom Acker, ihr kleinen Taugenichtse, ich habe noch wichtige Dinge zu erledigenâ, beendete der alte Mann die MĂ€rchenstunde.
Weiterhin ĂŒber die Heldenhaftigkeit der Micha-Bros redend zogen die Kinder von dannen, nach Hause zu ihren Eltern und ihren warmen Betten. Auch der alte Mann kehrte in seine HĂŒtte zurĂŒck und legte sich sofort ins Bett. Er brauchte in seinem hohen Alter viel Schlaf. Viel mehr als damals, als er noch Zeitungen ausgetragen hatte.
Nach einer wahren GeschichteâŠ