So blöd und nervig diese mehr oder weniger sozialen Unbeholfenheiten für jeden von uns sind und eigentlich traurig, dass es so viele betrifft, finde ich es jedes Mal auch irgendwie sehr schön und erleichternd hier drin zu lesen
Dieses Gefühl „Ja, genau! Oh ja, solche Situation kenne ich so gut…“, diese Art der Verbundenheit unter uns Sozialphobikern zu welchem Grad auch immer, das Gefühl verstanden zu werden, ähnliche Situationen mit anderen zu teilen, ohne einen „Ach, hab dich doch nicht so“-Unterton, wie man ihn sonst nur allzu oft wahrnimmt, das ist richtig Balsam für die Seele
Danke für diesen Thread und jede einzelne Geschichte von jedem von euch
Wo du das grad schreibst, hab ich da auch noch ne Story. Eigentlich dachte ich nämlich auch, dass ich doch keine Probleme hab, den Nachbarn über den Weg zu laufen.
Man interagiert ja nicht wirklich mit ihnen.
Aber jetzt die Tage vor Weihnachten musste ich mit der Nachbarin quatschen (ging um Wasserzählerablesung). War natürlich etwas aufgeregt, weil ich sie nicht so gut kenne, aber unsere Interaktionen waren bisher immer locker und ich hatte ihr auch Plätzchen mitgebracht.
Also eigentlich alles kein Ding.
Aber dann stand ich vor ihrer Türe, bin im Kopf nochmal durchgegangen, was ich sagen wollte, und dann ist irgendwo eine Tür aufgegangen. Und da bin ich dann reflexartig in meine Wohnung geflohen und hab durch den Spicker geschaut, bis die Luft rein war.
Keine Ahnung, was da grad über mich gekommen ist.
Fluchtreflex
Deswegen lieb ich übrigens auch den Drinnies-Podcast. Zwei Introvertierte, die am liebsten nie raus unter Menschen gehen würden. Die teilen auch gern so Geschichten, bei denen andere vllt sagen würden „Mein Gott, reiß dich zusammen“ aber man selbst kann ganz genau nachvollziehen, warum den Beteiligten es so peinlich ist. Man kann es nachfühlen, weil man selbst oft so unbeholfen ist.
Highlight ist dann auch immer die Geschichte des Drinnies des Monats, bei denen Zuhörer ihre Geschichten einreichen.
So ne kleine wholesome introvertierte Drinnie-Bubble, in der sich Sozialphobiker bestens verstanden fühlen
Sehe gerade, die haben ja einiges. Kannst du irgendwelche Folgen besonders empfehlen?
Puh, nee, keine Ahnung. Ich hol selbst noch einiges von den alten Folgen nach
Ich kann auf jeden Fall so ziemlich alle empfehlen mit dem Drinnie des Monats. Ist immer die letzte Folge des jeweiligen Monats.
Dafür widerrum müsste man ja eine fremde Person anquatschen
Also auf die Idee käme ich niemals Gibt es wirklich nennenswert viele Menschen, die das machen?
Stimmt. Aber bei Menschen die meiner Auffassung nach in einer Notlage stecken fällt es mir zumindest leichter als wenn ich selbst Hilfe brauche.
Mehr als du denkst.
Einfach machen
Was denn genau?
Das hier, siehe oben. Es wird schließlich nicht einfacher, wenn man in seiner Komfortzone bleibt.
Du weißt schon, was eine Phobie ist, oder?
Wenn das für jeden so einfach wäre, würde es diesen Thread ja nicht brauchen.
Das ist hier der Sozialphobiker-Thread. Selbst wenn hier nicht jeder eine solche Phobie diagnostiziert hat, sind doch einige bei, denen es ähnlich schwer fällt wie einem diagnostizierten Phobiker
„Einfach machen“ ist ein sehr schlechter, ja sogar kontraproduktiver Rat.
So wie es einer depressiven Person nicht hilft, wenn man ihr sagt „Einfach lächeln! Einfach nicht traurig sein! Reiß dich zusammen!“. Es hilft nicht, sondern macht es schlimmer.
Puh, ja, weißt du…
…es ist für Sozialphobiker nicht mal eben „einfach zu machen“.
Verschieben löst das Problem natürlich auch nicht.
Es ist schwer zu erklären, wieso uns scheinbar einfache Dinge (s.o.) so unendlich schwer fallen…
…das hat viel mit frühkindlicher Prägung und/oder Traumata zu tun.
Zum Austausch unter Betroffenen habe ich diesen Thread eröffnet…
…ein Ort, an dem wir uns austauschen können, ohne uns für unsere Ängste rechtfertigen zu müssen.
Daher auch die vielen Geschichten über panische soziale Situationen.
Und du wirst beim Lesen merken: am Ende haben wir es doch meist „gemacht“.
Nur „einfach“, einfach war es nicht.
Der Tipp „einfach machen, ohne die Situation zu zergrübeln“ kann schon sinnvoll sein. Das kommt immer auf die jeweilige Person, die Situation und die aktuelle Stimmung an.
Das erinnert mich an die Theorie von Alfred Adler.
Ein ganz interessantes Buch. Hast du das vielleicht gelesen? Da geht es genau um das Thema, was du gerade mit deinem Post ansprichst. Ganz spannend und ich muss sagen, dass ich geteilter Meinung bin. Denn die Welt ist zu komplex für Schwarz- Weißdenken. Außerdem finde ich die Theorien von Siegmund Freund sehr interessant.
Dennoch komme ich zu dem Fazit: einfach machen.
Wenn denn exakt das geschrieben worden wäre.
Du fügst eine Erläuterung in deinem Nebensatz hinzu. Das ist eine Differenzierung.
Das ist etwas völlig anderes als eine Aufforderung ohne weiteres wie „einfach machen“.
So eine Aufforderung ist mindestens unsensibel und negiert alle bisher geschilderten Umstände der Betroffenen.
Zumal wir wissen, dass es irrational ist, dass uns solche Dinge schwerfallen und es eigentlich so einfach ist. Wir ärgern uns oft selbst über unsere eigene Unfähigkeit, weil sie uns ja oft genug behindert.
Wir wollen uns gar nicht in Selbstmitleid suhlen, nur austauschen, damit andere sehen, dass sie nicht allein sind. Wir wollen aber auch kein „Mach doch einfach“ von jemandem, der es einfach machen kann ohne zu wissen, was in unseren Köpfen vor sich geht.
Viele von uns sind oder waren deswegen in Therapie. Wenn die uns nicht mal eben „heilt“, dann auch kein „Mach doch einfach mal“
Der funktioniert halt nur überhaupt nicht, wenn man Probleme dieser Art, in welcher Ausprägung und Stärke auch immer hat. Und genau deswegen sorgt der „Tipp“ dann nur für noch mehr Stress im Kopf.
Schon, aber es gibt Dinge bei denen es für manche nie funktioniert. Da bringt, wie gesagt, auch der beste „Tipp“ nichts.