Ich hab im Straßenverkehr häufig Panik. Daher hab ich auch nie einen Autoführerschein gemacht (falls jemand nach dem Grund fragt: natürlich nur weil ich ihn nicht brauche und ich mir das Geld so sparen kann).
Tatsächlich finde ich Straßenverkehr furchtbar. Ich fahre daher auch seit Jahren kein Fahrrad mehr. Ganz konkret mag ich die Aufmerksamkeit in Kombination mit „richtigem“ Verhalten nicht. Es gibt klare Regeln (rechts vor links, rote Ampeln, etc.), aber für mich fühlt sich jede Kreuzung trotzdem wie eine Abschlussprüfung an.
Ich stehe links, der andere rechts.
Also muss ich warten.
Warum fährt er nicht?
Muss doch ich fahren?
Ach Mist, da war ein Vorfahrtsschild für mich.
Klingt banal. Und vor allem nach etwas, das mit ein wenig Übung besser wird. Aber bei jeder Kreuzung steht zusätzlich noch mein Leben auf dem Spiel und im Straßenverkehr gibt’s so viele negative Emotionen. Wann freut sich schonmal jemand über den Fahrstil eines anderen? Faktisch ist es immer ein wild fluchen, sich aufregen, den anderen beleidigen. Klar, derjenige bekommt es selten mit, aber mental sehe ich in jedem Auto jemanden sitzen, der sich über mich ärgert. Wenn ich mal angehupt werde, steh ich kurz vorm Nervenzusammenbruch.
Straßenverkehr ist nicht meine Welt. Aber ich fahre wahnsinnig gerne im Auto mit und vor allem auf dem Motorrad. Dann treffe ja nicht ich die Entscheidungen und werde nicht Zielscheibe der Aggressionen.
Ich gehöre auch der Kategorie an, die unglaubliche Probleme mit offiziellen Telefonaten für Termine hat.
Bekomme jedes Mal Herzklopfen, wenn ich einen Termin beim Arzt ausmachen will und leg mir dann alle Worte im Kopf zurecht, nur damit das zurechtgelegte Gespräch bei der ersten Nachfrage am Telefon auseinanderfällt.
Auch „außergewöhnliche“ Gespräche mit Mitarbeitern in Läden machen mich sehr nervös, sei es den Mitarbeiter im Eletronikmarkt zu fragen, wo ich xy find oder beim Metzger etwas zu erfragen, was nicht direkt in der Auslage liegt. Also eben alles, was nicht in der Gewohnheit drin ist. Kasse am Supermarkt ist zum Beispiel in den meisten Fällen kein Problem, denn das ist nur ein „mit Karte, danke, Ihnen auch noch einen schönen Tag“.
Telefon empfinde ich generell als schlimmer, weil ich das Gegenüber nicht sehe und mir dann noch dümmer vorkomme, wenn das Gespräch nicht reibungslos verläuft und ich die Reaktion darauf halt auch nicht sehen kann.
Bis auf diese Situationen würde ich mich aber nicht als wirklich Sozialphobisch ansehen, die anderen Aspekte schiebe ich dann eher auf meine tendenzielle Introvertiertheit. Große Parties sind einfach nicht meins und auch wenn ich mich gerne mit Freunden treffe, ist es dann nach einer gewissen Zeit auch wieder genug und dann müssen halt die Batterien wieder aufgeladen werden.
Das letzte Mal, wo so ein Treffen meine physischen Grenzen überschritten hat, war noch vor Corona. Ein größerer Geburtstag gemeinsam in einem Lokal. Alles recht entspannt, gemeinsam essen und quatschen. Viele Leute hab ich da das erste Mal in Person getroffen und alles war sehr positiv aufregend und schön. Über den Nachmittag mit den ersten Gästen noch beim Geburtstagskind daheim rumgesessen, dann eben ins Lokal gegangen. Und als dieses dann kurz vor Mitternacht geschlossen hatte sind wir noch in eine Bar weitergezogen.
Da hab ich dann gemerkt, wie ich schon recht müde und erschöpft war, aber da ich bei einer Person übernachtet hab, konnte ich mich nicht früher absetzen.
Und in dieser Bar war es so laut. Bin halt so schon recht Lautstärkeempfindlich und wenn ich erschöpft bin verstärkt sich das Gefühl nochmal immens. Saß dann so ein wenig wie in Schockstarre da und hab versucht mich irgendwie zusammenzureißen und mich nicht von der Reizüberflutung überwältigen zu lassen. War da kurz davor mit den Rauchern rauszugehen, um dem zu entkommen. Irgendwann wurde ich dann wieder in ein Gespräch reingezogen und dann konnte ich mich auch wieder etwas besser ablenken.
Aber das werde ich nächstes Mal definitiv nicht wieder so durchziehen, hätte halt einfach rausgehen sollen, als mir alles zu viel geworden ist.
Was auch ganz übel ist: An der Kasse die Ware schnell in den Einkaufskorb schmeißen oder schnell das Wechselgeld in die Geldbörse legen, damit man der hinteren Person nicht für paar Sekunden im Weg steht.
Da hasse ich aber Leute die die Ruhe weg haben. In dieser Reihenfolge: zuschauen wie die Kassiererin fertig kassiert, fragen wie es den Kindern geht, den Geldbeutel aus der Handtasche suchen, das Geld suchen, Wechselgeld verstauen und jetzt langsam das Zeug vom Band nehmen. Bloß nichts davon tun während man ansteht.
In solchen Momenten bin ich froh über die strengen Waffengesetze hier.
Bei meinem letzten Telefonat beim Arzt, meinte ich dass ich Schmerzen an Stelle x hab und deswegen vom Arzt gerne untersucht werden würde. Und dann fragt mich die Assistentin was denn untersucht werden soll. Ich hab Schmerzen und sie sind das medizinische Personal, warum soll ich denn jetzt eine Diagnose stellen, was mein Problem ist.
Da ich etwas hypochondrisch ist, hatte ich ne Vermutung, die ich dann auch geäußert hab, die sich dann übrigens später als falsch herausgestellt hat. Aber keine Ahnung, ob sie mich dann weggeschickt hätte ohne Vermutung, denn anscheinend sind ungewöhnliche starke Schmerzen an ungewöhnlichen Stellen kein Grund mehr für eine Untersuchung.
Dieses „vor dem Telefonat ein Script schreiben“ ist offenbar verbreiteter, als ich dachte. Ich hab das auch schon ganz oft gemacht. Früher mehr, als heute.
Es bringt leider nur selten was, weil die wenigsten Telefonate so linear verlaufen…
…aber so Stichpunkte, was ich unbedingt im Gespräch sagen muss (wichtige inhaltliche Punkte), notiere ich mir auch jetzt noch manchmal.
Was mich mal interessieren würde (natürlich anonym), ob ihr (die betroffen seid) eine ärztliche Diagnose dazu bekommen habt, oder ob ihr es (aus Gründen) nicht habt und es daher vermutet/davon ausgeht, dass ihr eine soziale Phobie oder ein ähnliches Problem habt ?
Das ist bei mir ganz genau so. Ich habe vor zwei Jahren sehr zufällig rausgefunden, dass ich hochsensibel bin. Vorher ging ich immer davon aus, dass mit mir irgendwas anders ist, und zwar schon seit früher Kindheit. Auslöser dafür dass ich mich näher damit beschäftigt habe war, dass ich zu der Zeit in nem Familienbetrieb gearbeitet habe wo laute Unterhaltungen im Büro, Stress und auch Streitigkeiten an der Tagesordnung waren und man eigentlich nie „in Ruhe“ arbeiten konnte. Ich habe komplett versagt da Bin dann drauf gebracht worden dass es sowas wie HSP gibt habe nen Test gemacht und bin punktemäßig durch die Decke geschossen. Ich war sehr geflasht weil ich mich plötzlich so verstanden gefühlt habe.
Seitdem habe ich gelernt, mit verschiedenen Dingen besser umzugehen und das hilft mir immens. Das mit dem „auf Kredit fahren“ mache ich auch so (früher unbewusst). Wenn ich weiß, dass z.B. am Wochenende ne Feier ansteht wo ich erwartet werde dann brauche ich entweder davor oder danach zwingend nen Tag, an dem ich ganz allein bin. Da habe ich aber inzwischen kein schlechtes Gewissen mehr dabei.
Sind ja teils richtig heftige Erzählungen hier und sehr spannend zu lesen, dass man nicht der Einzige mit Tendenzen in diese Richtung ist. Bei mir ist das auch nur schwach ausgeprägt aber insbesondere in Bezug aufs telefonieren kenne ich es auch. Allerdings ist das da bei mir zweigeteilt: Wenn ich beruflich irgendwo anrufen muss, mache ich das zwar nicht gerne, aber bringe es immer hinter mich, auch wenn E-Mail die deutlich bevorzugtere Variante ist. Was mir da aber auch hilft, insbesondere beim angerufen werden ist es mich einfach quasi „hinter dem Job“ zu verstecken. Die Leute wollen ja nicht explizit mit mir sprechen sondern nur mit jemandem der eben gerade auf diesem Posten ist und wenn ich das bin, ist es eben so, dann spreche „nicht ich“ sondern nur „meine Stelle“.
Privat habe ich größere Probleme, denn da kann ich mich eben nicht hinter irgendetwas verstecken, da bin es nunmal wirklich ich selbst der etwas will oder mit dem das Gegenüber sprechen möchte. Hier ist es etwas einfacher wenn ich der Anrufer bin, dann weiß ich zumindest was ich möchte und mit dem hier schon angesprochenen „Skript“ funktioniert das dann, wenn auch meist nach langem prokastinieren und der Suche nach anderen Möglichkeiten.
Werde ich hingegen angerufen gehe ich quasi erstmal nie ran, sofern ich die Nummer nicht kenne und google dann erstmal wer das wohl war und überlege dann was der Zweck des Anrufs gewesen sein könnte. Finde ich das heraus bzw. kann es herleiten gehe ich dann auch beim nächsten Anruf dieser Nummer ran, dann habe ich eben schon mein grobes Skript im Kopf, auch wenn es natürlich nicht so „einfach“ ist wie als aktiver Anrufer.
Glücklicherweise ist aber das Telfonieren so ziemlich das einzige wo sich bei mir diese „Phobie“ (sofern man bei meiner schwachen Ausprägung überhaupt davon sprechen kann, daher die Anführungszeichen) zeigt. Sonst bin ich zwar auch eher ein ziemlich schüchterner und zurückhaltender Typ, aber durchaus gesellig und in Gesellschaft von Freunden habe ich auch kein Problem mit Fremden zu interagieren, auch wenn ich alleine wohl nie auf diese zugehen würde.
PS: Was mir übrigens tatsächlich sehr geholfen hat das alles zu verbessern ist das podcasten. Da spreche ich zwar, nachdem wir uns alle hier kennengelernt haben, nicht mit Fremden, aber die Situation ist einem Telefonat vom Prinzip her nicht so unähnlich und da hilft es zu lernen „ohne Skript“ sondern spontan zu quatschen, kann daher jedem nur empfehlen evtl. mal Discord oder TS auszuprobieren, die Leute sind da alle i.d.R. sehr nett und wenn es doch nichts für einen ist geht man eben wieder ohne was gesagt zu haben
Ja das mit der Lautstärke scheint hier auch (bei mir ebenfalls) ein Problem bei einigen zu sein. Und dann Reden so viele und irgendwie kommt man dann nicht so richtig rein. Dann sitze ich da , versuch irgendwie zuzuhören ohne das ich es schaffe, mich in einem Gespräch „einzuhaken“ und irgendwann kommt die Frage von jemanden: „Warum bist du so still“ „Warum sagst du nix“…und alle gucken dich an und wirst zum Mittelpunkt des ganzen. Ich hasse das. Auch wenn es nett gemeint ist.
Redelautstärke ist bei mir häufig gar nicht soo das Problem (kann aber natürlich zur Reizüberflutung beitragen). Ich gehöre auch zur Kategorie Mensch, der manchmal selbst nicht auffällt, wie laut ich eigentlich bin.
Aber in der Bar lief halt ziemlich laut Musik. Und laute Musik auf einen generellen Geräuschpegel obendrauf wird mir dann super schnell zu viel. Könnte glaub auch auf kein Konzert gehen, weil mir das viel zu laut wäre. Bin früher an Silvester auch nur mit Ohrenstöpseln raus oder gleich drin geblieben. Inzwischen halte ich das etwas besser aus.