Hab sie vor ein paar Jahren mal live gesehen. War nicht so meins. Ich mag sie total gerne, aber so True Crime Content in so nem Live-Setting hat für mich nicht so gematcht.
Ausserdem hat sie ein Tempo drauf beim Reden, da klingeln einem die Ohren. Hat sie fairerweise aber zu Beginn der Veranstaltung auch selbst angemerkt.
Ich mag und schätze an ihr sehr, dass sie sich mit ihrer diferenzierten und unaufgeregten Art vom klassischen True crime, welches sehr auf Effekt und Schock setzt, distanziert.
Was du beschreibst, hab ich schon in ein paar Rezensionen zu ihren Vorträgen gelesen.
Gestern waren um die 300 Gäste da und mein Freund, der sonst gar nichts mit true crime anfangen und sie bisher fälschlicherweise dort verordnet hat, war begeistert von ihrer Art des Vortrags. Sie bringt für mich auch eine wissenschaftliche Seriosität in das Thema mit, welche längst überfällig im True Crime Segment ist Mmn. Da läuft so vieles schief und auf Rücken der Opfer. Aufgefallen ist mir das aber auch erst im Laufe des letzten Jahres, als ich klassische True crime Formate nicht mehr ansehen konnte, weil mir immer mehr die Frage aufkam wie ich das selber finden würde, wenn ich gefühlt keine Medien konsumieren könnte aus Angst Retraumatisiert zu werden, weil - überspitzt formuliert - Nadine und Pascal sich unbedingt darüber „in humoristischer Form als Form des Selbstschutzes und der besseren Verarbeitung der schrecklichen Geschehnisse“ in einem von 20 bereits ähnlich existierenden Podcasts austauschen müssen.
Was da derzeit auf den Rücken der Hinterbliebenen der Opfer Dahmers passiert ist einfach nur abartig. Und um das zu checken musste mir selber erst bewusst werden wie schlimm es ist ständig erinnert zu werden. Daher verstehe ich immer noch diese Faszination für das Genre True crime, aber umso wichtiger sehe ich dann Experten wie Lydia, die Nuancen in die Thematik bringen, die helfen zukünftig sensibler mit solchen Themen umzugehen.
Ja, so fair muss man schon sein, dass sie daraus keine Show macht. Sie erzählt halt viel aus ihrem eigenen Arbeitsalltag, umreisst psychologische Hintergründe etc. Wirklich mehr ne Vorlesung als irgendwas, was irgendeiner Unterhaltungsform nahekommt.
Aber eben das funktioniert für mich grundsätzlich nicht so, weil das Drumherum (Publikum, Location, Merch, Alkohol, Fastfood) halt diese Ebene eines Unterhaltungsproduktes hat. Ginge mir bei anderen Themen aber wahrscheinlich genauso, ist jetzt nicht speziell auf sie bezogen.
Ich glaub, ich verstehe was du meinst.
Da bräuchte es eventuell mehr oder überhaupt Fanliebe, um über diese Unterhaltungssachen hinwegsehen oder sie hinnehmen zu können.
Manche Themen funktionieren in so einem Rahmen nicht für einen.
Mir geht es da ähnlich mit Poetry Slams. Ich finde die Texte meistens klasse und ich hab selber mal ähnliche geschrieben, aber in dem Moment wo es darum geht diese „auf der Bühne zu performen“ bin ich raus - sowohl als Teilnehmer als auch als Gast. Hab das schon so oft versucht mich dafür zu begeistern mir das anzuhören und zu sehen, aber irgendwie will es bei mir nicht so zünden wie es soll.
Irgendwas daran fühlt sich für mich „falsch“ an.
Das ist richtig.
Ich hab nur nach einem Beispiel gesucht, für ein Thema, das für mich nicht in einem Show-Rahmen funktioniert und bin deswegen auf Poetry Slams gekommen.
Das kann ich von Zeit zu Zeit immer besser nachvollziehen.
Ich kann dir nur von mir berichten, dass True Crime Formate eine ganze Zeit lang meines Lebens rückblickend betrachtet meine Therapie ersetzt haben oder präziser erklärt ich dort versucht habe Orientierung und Antworten dafür zu finden, was in meiner eigenen Familie passiert ist.
Ich dachte bisher, dass ich der einzige bin der so denkt. Ich verstehe gar nicht wie man sich, nur zur Unterhaltung, so sehr mit realer Kriminalität auseinandersetzen kann.
Interesse und Faszination für menschliche Abgründe?
Also über die Inszenierung lässt sich sicherlich oft streiten, aber grundsätzlich würde ich erstmal niemandem vorwerfen, sich von ernsten und schlimmen Themen faszinieren zu lassen. Ist sicherlich für viele Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten und forschen, ein starker Antrieb.
Einzige Ausnahme sind ein Podcast, der historische Verbrechen beleuchtet. Das find ich ganz spannend, weil es ja auch einfach ewig lange her ist. Da habe ich mal einen zu Caspar Hauser gehört, den fand ich gut.
Ich fand das allerdings bisher immer aus ganz persönlicher Präferenz einfach nicht spannend. In der ganzen Kontroverse um Dahmer ist mir überhaupt zum ersten Mal bewusst geworden, wie schrecklich das für die Hinterbliebenen sein muss, wenn deren Erfahrung Medienwirksam ausgeschlachtet werden.
Ja und, wenn man es ganz genau betrachtet, passiert das ja nicht erst seit der Dahmer Serie.
In den letzten Jahren wurden immer wieder Formate gedreht oder aufgenommen, ohne dabei Rücksicht auf Hinterbliebene und Opfer zu nehmen. Oder Personenkulte, die Aufwind bekommen haben wie um Ted Bundy - da frag ich mich auch : braucht es wirklich noch die 3. Verfilmung davon?
Edit:
Zur medialen Ausschlachtung: Es ist zwar nett oder - aus heutiger Sicht würde ich eher sagen Das mindeste ein paar nette Worte oder Triggerwarnungen auszusprechen (an die Hinterbliebenen), aber was nützt das einem persönlich als Hinterbliebene oder Opfer, wenn du gefühlt keine Medien konsumieren kannst, ohne getriggert zu werden, weil „überall“ deine Geschichte neu aufgerollt wird.
Edit edit : sorry für die vielen nachträglichen Edits. Ich klinke mich erstmal aus Vorsicht raus und lese höchstens still mit. Das Thema geht mir nahe und daher muss ich mich da erstmal noch sortieren, ehe ich dazu was schreibe.