Ok, kleiner Scherz.
So einen Beitrag liest man wahrscheinlich sehr häufig im Internet. Aber nichts davon stimmt so tatsächlich und entwickelte sich zu einem Mythos der Wissenschaft/Ernährung/Fun Facts.
Aber der Mythos ist ein Mythos. Ich habe mal versucht nachzugehen wie viel man dazu herausfinden kann
Aber ganz von Anfang an.
Den Grundbaustein des ganzen Wirrwarr bildet ein Artikel vom Wissenschaftler (Immunhämatologie, Krebsforschung) T.J. Hamblin, der im Dezember 1981 im British Medical Journal veröffentlicht wurde. Ironischerweise hieß der Artikel damals „Fake“ und klärte über Fehler in der Wissenschaft auf.
Hamblin:
„In dem Jahr, in dem Popeye wieder ein großer Filmstar wurde, ist es heilsam daran zu erinnern, dass seine Behauptungen über Spinat falsch sind. Popeye verdanke seine übermenschlichen Kräfte für seine Heldentaten dem Verzehr einer Dose Spinat. Die Entdeckung, dass Spinat eine ebenso wertvolle Eisenquelle ist wie rotes Fleisch, wurde in den 1890er Jahren gemacht und erwies sich als nützliche Propagandawaffe in den fleischlosen Tagen des Zweiten Weltkriegs.
Eine Statue von Popeye in Crystal City, Texas, erinnert daran, dass er im Alleingang den Verbrauch von Spinat um 33 % erhöht hat. Amerika war „stark bis zum Schluss, weil sie ihren Spinat aßen“ und besiegte die Hunnen. [gemeint sind wir Deutschen im WWII] Leider war die Propaganda betrügerisch; deutsche Chemiker, die den Eisengehalt von Spinat erneut untersuchten, hatten in den 1930er Jahren festgestellt, dass die ursprünglichen Wissenschaftler das Komma an die falsche Stelle gesetzt und den Wert um das Zehnfache überschätzt hatten. Spinat ist nicht besser für Sie als Kohl, Rosenkohl oder Brokkoli. Um eine bessere Eisenquelle zu finden, hätte Popeye besser die Dosen gekaut.
Betrug, Schwindel, Fälschungen und weit verbreitete Irrtümer ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von Wissenschaft und Medizin.“
(das ist übrigens auch der gesamte Abschnitt zum Spinat, danach geht es um andere wissenschaftliche Bereiche)
Hamblin zeichnet hier aber auch so die gesamte Story auf, die in den darauffolgenden, mittlerweile über 40, Jahren immer wieder aufgegriffen wurde. Die Story ist also:
- Irgendwann in den 1890er Jahren hatten deutsche Wissenschaftler den Eisengehalt von Spinat gemessen und festgestellt dass Spinat unfassbar viel Eisen enthält, sogar fast so viel wie Fleisch, was enorm viel Eisen enthält.
- Aber in den 1930er Jahren hätten andere deutsche Wissenschaftler nochmal nachgemessen und den Betrug aufgedeckt, den 1890er Wissenschaftlern ist das Komma verrutscht und die Eisenmenge war nur ein Zehntel dessen.
(Deutschland war wohl das Mekka der Spinat-Eisenforschung im letzten und vorletzten Jahrhundert ) - Dies wurde in USA aber nicht aufgeklärt/verschwiegen/nicht bemerkt so dass der Spinatfehler auch beim Popeye-Zeichner zu der Fehlannahme führte.
Noch 2009 schrieben selbst Fachbücher („Food the Chemistry of its components“) dass es damals diesen Kommafehler gab, wobei da auch eine andere Version aufkam. dass die deutschen Wissenschaftler getrockneten statt frischen Spinat maßen.
Food the Chemistry of its components:
„Es gibt mindestens zwei Versionen, wie dieser Fehler entstanden ist. Die eine besagt, dass 1890 ein deutscher Wissenschaftler, Gustav von Bunge, den Eisengehalt von Spinat auf 35 mg pro 100 g feststellte. Dabei wurde jedoch übersehen, dass er getrockneten Spinat in Pulverform analysiert hatte, und diese Zahl wurde irrtümlich mit dem frischen Gemüse in Verbindung gebracht. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass ein anderer Wissenschaftler, Dr. E. von Wolf, etwa 20 Jahre zuvor eine ähnliche Analyse durchgeführt hatte - aber das Komma in seinem Ergebnis falsch gesetzt hatte. Wo auch immer die Wahrheit liegt, der Fehler wurde erst 1937 entdeckt und der Mythos hat die folgenden 70 Jahre überlebt.“
Und in vielen „normalen“ Quellen findet sich die ganze falsche Story auch noch heute
Spinat: So gesund ist er wirklich - Mein schöner Garten
Spinat Nährwerte und Inhaltsstoffe | iglo
Aber nun zur Aufklärung.
Es gab wohl nie einen Kommafehler
Vor 13 Jahren ging Mike Sutton, ein Kriminologe, dem Ganzen auf die Spur. Er schrieb Hamblin an und fragte ihn wo der Kommafehler zu finden sei oder wo er das gelesen hatte. Hamblin konnte sich nicht mehr erinnern. Aber er beteuerte, dass er das nicht erfunden hätte. Sutton fand nach Studie wirklich vieler Quellen gar keinen Beweis für den Kommafehler. Der Kommafehler selbst war ein Mythos.
Stattdessen konnte er schlüssige Nachweise finden wie es wahrscheinlich wirklich ablief. 1871 hatte wohl tatsächlich ein deutscher Wissenschaftler Namens „von Wolff“ den Eisengehalt von Spinat falsch ermittelt. Aber einfach weil es schlechte wissenschaftliche Methoden waren. ( Und auch die Annahme dass die Falschmessungen alle getrockneten statt frischen Spinat maßen, ist wohl nicht so zutreffend) 1892 hatte „von Bunge“ schon den richtigen Eisengehalt gemessen. (Ein Franzose sogar wohl schon 1872) Und 1907 ging Professor Sherman der ersten falschen Messung auf der Spur und schlussfolgerte was damals bei von Wolff falsch lief „Eisenverunreinigungen durch erhitztes Geschirr und anderer schlechter Wissenschaft“.
Danach wurde in der Wissenschaft immer mal wieder kreuz und quer mal der richtige Eisengehalt oder auch mal der falsche zitiert/gemessen, einfach weil auch die Messmethoden damals nicht gut waren, Viele Wissenschaftler maßen das damals als zu hoch, sie alle hätten ja dann den selben Kommafehler gemacht haben müssen, was wenig schlüssig ist.
Wie viel Eisengehalt hat Spinat denn nun.
Frischer Spinat hat 2,75 mg Eisen pro 100 Gramm Spinat (USDA). Das ist für Gemüse ganz schön viel. (hier eine PDF-Liste) Nicht viele andere Gemüse kommen da dran.
Und in getrockneter Form hat Spinat tatsächlich nochmal viel mehr Eisen pro 100 Gramm (~45 mg).
Das große Problem ist. Spinat hat auch Oxalsäure. Oxalsäure erschwert Eisenaufnahme. Das heißt, es ist egal ob Spinat viel oder wenig Eisen hat Aus einer 380 Gramm Dose kann der Mensch nur ungefähr 1 mg Eisen auf einmal verwerten, so Sutton in einer Rechnung zu der Menge die Popeye immer aus den Dosen isst.
Kurz nachdem Sutton diese ganze Story aufgedeckt und herausgebracht hatte bekam er eine Zuschrift. Es war ja immer noch ungelöst woher Hamblin den Kommafehler herhatte, das ist ja schon etwas spezifisches was einem nicht einfach so in den Sinn kommt.
Die Zuschrift behauptete, dass Hamblin die Kommastory wohl in den 70er Jahren gelesen oder gehört hätte von einem Uni-Professor Namens Bender (wie passend!), der das 1972 in die Welt gesetzt hatte. Auch dieser Bender lieferte damals keinen Beweis. Und als ob es nicht genug wäre, behauptete der Sohn des verstorbenen Bender, dass auch sein Vater das von irgendeinem Niederländer aufgeschnappt hätte, der auch schon lange nicht mehr lebt.
Vor nicht langer Zeit, 2019, veröffentlichten zwei Wissenschaftler Mielewczik und Moll (irgendwie ist der Spinat-Eisen-Mythos sehr beliebt) nochmal einen Artikel, dass die Sage vom Kommafehler bereits in irgendwelchen deutschen Büchern in den 60er Jahren ihren Ursprung nahm, damals noch ohne Kommafehler sondern einfach als Aussage dass die Eisenmenge irgendwie um das 10 fache im 19. Jahrhundert falsch gemessen wurde. Aus 10 fach wurde schlicht Komma. Wobei Mielewczik und Moll nicht sehr spezifisch darauf eingehen.
Aber es bleibt weiter dabei, dass der Kommafehler wohl eher einfach erfunden wurde. Die Wissenschaft als Gerüchteküche.
Und was ist mit Popeye
Das ganze ist ein Untermythos von Mythos. Popeye hat nie ursprünglich Spinat wegen des Eisengehalts gegessen. Auch die Behauptung von Hamblin, dass Popeye als Propaganda in den 1930er Jahren genutzt wurde, ist Humbug. Dass Popeye Spinat aufgrund des Eisens aß, kam erst viel später durch Medien auf. (die da was durcheinander brachten, wann unbekannt, weil Popeye sich den Spitznamen Iron Man gab, aber einfach weil er stark war.) In den ersten Jahren der Comics hatte man nur an die korrekte Version des Zeichners geglaubt. Popeye aß seit dem Ersterscheinen 1929 erst mal gar kein Spinat, sondern Fleisch. Erst 2 Jahre danach wechselte der Zeichner von Fleisch auf Spinat (vielleicht weil Fleisch damals Mangelware war). Und die Begründung für den Spinat war eine ganz andere.
Nämlich, dass er Spinat aufgrund des Vitamin A Gehalts aß.
Und das ist mal tatsächlich wahr. Spinat hat viel Beta-Carotin, dass im Körper zu Vitamin A umgewandelt wird. (Karotten aber auch) (Den Spinatmehrverkauf von 33% in den Pre-WKII Zeiten in der USA gab es aber tatsächlich, aber aus anderen Gründen; wahrscheinlich weil die Bauern Subventionen vom Staat erhielten und nicht wegen Popeye.)
Eine andere witzige Theorie ist, dass der Spinat eigentlich eh nur Cannabis symbolisieren soll. Zu den Zeiten vom Popeye-Zeichner Segar war Spinat ein umgangssprachliche Bezeichnung für Cannabis. Und Cannabis wurden einige „magische“ Kräfte zugeordnet (u.a. Kugelsicher), dass wäre also der wahre Grund für Popeyes Stärke. Und Popeye konsumierte das Cannabis mit der Pfeife. Das ist ja schon komisch. Wobei auch diese Theorie daran hinkt, dass Popeye ja eben nicht zu seinem Ersterscheinen Spinat aß, und er war auch schon vorher stark. Diese Eigenschaft passt also nicht dazu. Möglicherweise hat der Zeichner das später einfach aufgegriffen. Daher weiß ich nicht wie viel an dieser Theorie wiederum dran ist.
Spinat selbst ist tatsächlich auch ohne Unmengen Eisen gesund und kann schmackhaft zubereitet werden.
Daher zum Schluss ein Rezept was ich kenne. Frischer Spinat (ohne in irgendeinem Gericht Bestandteil zu sein.)
Sautierter Spinat mit Knoblauch: (ich hatte einmal noch Pinien hinzugefügt)
Quellen
[Hamblin; Fachartikel 1981]
[Sutton1; PDF 2010]
[Sutton2; 2012] - lässt sich nur noch mit dem WebArchive aufrufen
[Paper- Academic Urban Legends, 2014]
[Spinach in Blunderland: How the myth that spinach is rich in iron became an urban academic legend.; 2019]