zunächst einmal können wir uns ja mal darauf einigen, dass es den menschengemachten klimawandel gibt, der in eine klimakatastrophe führen wird (mit all ihren folgen wie dürren, wasserknappheit, hungersnöte, extremwetterereignisse, anstieg des meeresspiegels etc.), wenn wir unsere lebens- und v.a. wirtschaftsart nicht ändern.
zudem kommen noch der raubbau an der natur, umweltzerstörung, zerstörung der biodiversität - kurz, wir (und mit „wir“ meine ich in erster linie die industriell entwickelten länder und unsere vorgängergenerationen) zerstören den lebensraum erde für den größten teil der ca. 8 milliarden menschen und er zukünftig lebenden menschen inkl. unserer kinder und enkel.
das bedeutet, es ist lange nicht mehr kurz vor zwölf sondern schon nach 12, da die ökokatastrophe bereits begonnen hat.
um noch einigermaßen handhabbare verhältnisse zu erreichen, muss bis mitte des jahrhunderts bezüglich des CO2-ausstosses komplett auf die bremse getreten werden (vgl. IPCC bericht, der auch schon lobbymäßig geschönt wurde).
ich weiß, ist laaaaangweeeeiiiliiiig und alles schon gehört. aber man muss ja mal bei einem gemeinsamen nenner anfangen.
jetzt ist die sache die, und das ist unstrittig und wissenschaftlicher konsens, dass die in unserer demokratie beschlossenen ziele mit den bisherigen und den geplanten maßnahmen der regierung nicht zu erreichen sind.
und weil es für den erhalt des lebensraums erde, von demokratien, von frieden, für die abwehr von hungerkatastrophen und und und notwendig ist, jetzt sofort zu handeln, das aber von gewählten regierungen nicht geschieht, haben sich einige menschen entschieden, aktiv zu protestieren.
so weit, so klar.
nun ist die frage, was sind da angemessene protestformen?
ich finde, wenn man sagt, klimaaktivisten nehmen bei ihren aktionen zu selten die unteren sozialen schichten und die boomer-generation ab, dann hat man durchaus einen punkt. denn die FFF und LG etc. rekrutiert sich afaik v.a. aus jungen akademiker-familien und da gibt es wenig identifikationsfläche für die unteren sozialen schichten und ü60er. die denken sich eher „die sollen mal meine probleme haben, ich versuche hier gerade zu überleben“.
Aaaber: ist denn das überzeugen der gesamt-bevölkerung von der dringlichkeit des handelns bzgl. klima- und umweltschutz unter sozialer gerechtigkeit überhaupt die aufgabe von klimaaktivisten?
das möchte ich bezweifeln.
das ist mMn aufgabe der medien und der politischen elite des landes.
die versagen hierbei allerdings weitestgehend.
aufgabe des aktivismus ist deshalb mMn in erster linie, v.a. mediale und politische aufmerksamkeit und druck zu erzeugen.
wenn sich klimaaktivisten auf die straße kleben, dann erzeugen sie aufmerksamkeit und auch politischen druck, wie man an den medialen und politischen reaktionen erkennen kann.
für verständnis bei der wahl der mittel erzeugen sie aber bei einem (großen?) teil der bevölkerung gerade nicht. was mMn v.a. an der fehlenden identifikation mit der bewegung lieg kann. denn die allerwenigsten, die als gegenargument „die behindern den verkehr für die rewe-kassiererin, die ihr kind von der kita holen will“ bringen, werden selbst jemals aufgrund einer dieser aktionen selbst im stau gestanden haben.
auch können sich wohl die wenigsten mit dem bespritzen von panzerverglasten alten schinken mit sauce identifizieren, weil die meisten wohl museen und co. nicht so wichtig sind.
was ich damit sagen will:
ich finde das argument „die letzte generation soll alle menschen mitnehmen/überzeugen“ für fragwürdig. das kann gar nicht ziel der aktionen sein und wäre auch nicht fair, daran ihre wirkung zu messen - medien und politische elite sind da weitaus wirkmächtiger.
deshalb zielen die aktionen ja auch auf mediale und politische aufmerksamkeit als adressaten, damit diese themen dort mehr platz bekommen.
ziel kann auch nicht sein, die mehrheiten für sich zu gewinnen. auch das ist überhaupt nicht zu leisten. man wird nicht 40 millionen deutsche zum demonstrieren auf die straße bekommen. und früherer aktivismus hat gezeigt, dass es oft nur kleinere gruppen braucht, um veränderungen in einer gesellschaft zu erreichen, keine revolution. es muss ‚nur‘ genügend druck erzeugt werden.
ich finde auch das argument „wir stehen deshalb im stau“ als solches unangemessen, da die meisten, die das argument bringen, wie gesagt, vermutlich selbst nie von solchen staus betroffen waren.
was mMn durchaus ein berechtigter punkt ist, ist die (in teilen der bevölkerung) fehlende identifikation mit den gruppen FFF und LG - nicht zwingend mit der sache, um die es geht - klimaschutz - aber mit den aktivistischen personen und der maßnahmen. sei es aufgrund der unterschiedlichen sozialen schichten oder der ansprache oder dass man sich eher mit den im stau stehenden autosfahrern identifizieren kann (und sogar z.T. mit deren aggressives verhalten) oder oder oder. und über diese anschluss- und identifikationsfähigkeit kann man mMn als aktivisten schon mal drüber nachdenken, wenn man akzeptanz und toleranz möchte, was allerdings nicht die allerersten ziele sind (s.o.)
aber wenn man den aktivismus aus den o.g. gründen ablehnt, und zudem selbst nichts tut, um die katastrophe abzuwenden, um einen strukturwandel zu ermöglichen, um den druck auf medien, politische und ökonomische eliten zu erhöhen, wenn man sich wegduckt und einfach weitermacht wie bisher, wenn man so tut als ginge einem das alles nichts an, wenn man aktivisten als ‚vollpfosten‘ oder ‚idioten‘ abtut, wenn man jedes mal die diskussion über klimaaktivismus auf das in den allermeisten fällen noch nicht einmal selbst erlebte im stau stehen reduziert und allein darauf verkürzt, dann macht man sich mitverantwortlich am systemerhalt und an der zementierung des status quo, unter dem fast alle lebenden menschen und alle zukünftigen menschen zu leiden haben werden.
wir alle sind mitwisser und mitverantwortlich.
aber anstatt die leute unter druck zu setzen, die macht haben und strukturänderungen ermöglichen könnten, erschiessen wir lieber die boten der schlechten nachrichten.
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