Kurz vor Torschluss (oder doch nicht? Ich hab was von Verlängerung gehört) hab ich es doch noch geschafft, mir zumindest eine Film des Festivals zu gönnen. Man unterstützt dieser Tage, wo man kann, und da habe ich mir gedacht: besser einen als gar keinen!
Meine Wahl fiel auf SPREE, und meine Güte, den Film hätte ich wirklich ungern verpasst. Klar, im Vorfeld vielleicht einer der gehyptesten Filme des Festivals (soweit ich das mitbekommen habe), und gesellschafts- bzw. Social-Media-kritisch steht bei mir auch immer hoch im Kurs, aber dieser Film hat wirklich abgeliefert.
Das startet mit dem Cast des Films, Joe Keery liefert hier wirklich eine großartige Leistung ab und schafft es (zumindest zu Beginn noch) den klaren Anti-Helden doch noch als den eigentlich sympathischsten der Charaktere wirken zu lassen… anfangs. Auch die Art und Weise, wie Joe Keery uns durch die Entwicklung des Protagonisten Kurt führt, ist großartig. In meiner Wahrnehmung hat Kurt mehrere Verwandlungen durchgemacht, vom einzelgängerischen Sonderling zum bemittleidenswerten Loser, dann weiter zum ausgetickten Irren bis schließlich zum psychopathischen Killer.
Die Charaktere, die Kurt unterwegs begegnen, sind natürlich allesamt überzeichnet (hoffe ich mal) und auch durchweg äußerst unsympathisch dargestellt, aber meiner Meinung nach ist das eben der Spiegel, den der Film uns vorhalten möchte: Wer sind wir nach außen, wenn wir Leute beeindrucken wollen, und wer sind wir, wenn uns das gegenüber nicht die Bohne interessiert oder wir den Lakai am Steuer kaum als menschliches Wesen wahrnehmen. Ist schmerzhaft, tut weh, aber hält halt auch voll den Finger in die Wunde.
Als Szene, die ich als besonders hervorheben möchte, ohne Anspruch darauf, ob es die besonderste oder beste Szene des Film ist, möchte ich das Real-Life-Aufeinandertreffen von Kurt und seinem zwischenzeitlichen Vorbild Bobby nennen. Genauer, der Moment wenn Bobby die Tür öffnet und als nächstes seine ganze Wesenveränderung kurz darauf, wenn er live geht. Ein richtig starker Moment (von starken Schauspielern getragen), der zeigt, wie sich Online- und Offline-Persönlichkeit ein und derselben Person unterscheiden.
Mich hat der Film zwischenzeitlich aus den Socken gehauen, und daher bin ich echt froh, dass das „der Eine“ dieses Festivals für mich geworden ist.
Bewertung: 4 von 5 Sternen