CALM BEFORE CHAOS
(Das Prequel zu „Quest for Chaos“)
Der Wind trieb einige Dornenbüsche über den sandigen Boden, ansonsten war es komplett still. Die vier Brüder kauerten hinter dem Wrack eines ausgebrannten Autos und lauschten angestrengt auf verräterische Geräusche – wobei Brontus, der Größte von ihnen, leicht über das Auto hinausragte.
„Hey Großer, siehst du irgendwas?“, fragte Olaf und stieß ihm einen öligen Ellbogen in die Seite.
„Nein. Da ist nichts. Aber Karl Ender sagt immer: Auch im Verborgenen lauern oftmals Gefahren!“
Bordo, der langsam immer ungeduldiger wurde, rief: „Werft mich! Werft mich! Na los!“
„Das wäre viel zu laut!“, sagte Olaf bestimmt und klopfte sacht gegen den Helm seines Bruders, der aus einem alten Wok geformt wurde.
Die Brüder hockten jetzt schon eine ganze Weile hinter dem Autowrack und berieten sich, was am besten zu tun sei, um die improvisierte Mauer möglichst unauffällig zu überqueren. Auf der anderen Seite begann das Territorium der Kinder des Chaos und ihr Weg führte sie genau dort hinein. Oleg, der bisher geschwiegen und seinen Brüdern zugehört hatte, schüttelte den Kopf. „Блять! Das war so eine dumme Idee!“, schimpfte er. Dann schwieg er wieder.
Vor etwa zwei Tagen hatten die Brüder den dubiosen Auftrag angenommen, Schmugglerwaren zu transportieren und an einem bestimmten Ort abzuladen. Dass dieser Ort aber mitten im Reich der Kinder des Chaos liegt, hatte ihnen der Auftraggeber verschwiegen. Was er ihnen allerdings hoch und heilig versichert hatte: Nach ihrer erfolgreichen Rückkehr, sollten sie für diese gefährliche Mission fürstlich belohnt werden.
„Ich sehe uns schon im Geld baden, weil wir für diese gefährliche Mission fürstlich belohnt werden!“, träumte Bordo vor sich hin.
„Reiß dich zusammen und konzentriere dich!“, ermahnte ihn Olaf, der sich wieder einmal als Ersatzvater seiner Brüder beweisen musste. „Ich sage euch, was wir tun werden! Wir klettern in dieses Auto, heben es gemeinsam an und halten es wie einen Schildkrötenpanzer über uns. Dann bewegen wir uns langsam in Richtung des Zauns. Aus der Ferne wird niemand erkennen können, wer sich da annähert. Vielleicht finden wir ein Loch im Zaun oder nutzen das Wrack, um daraufzuklettern.“
„Tolle Idee!“, lobte Bordo seinen Bruder. „Also los. Los, los!“
„Karl Ender sagt immer: Gut Ding will Weile haben!“
„Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Das ist der beste Plan, den wir haben!“, sagte Olaf bestimmt.
„Und der einzige Plan!“, brummte Oleg.
Die vier Brüder kletterten in das Wrack des ausgebrannten Autos und hoben es mit Leichtigkeit an. Bordo, der kleinste der Vier, hing dabei fast in der Luft und wurde von seinen größeren Brüdern mehr mitgetragen und mitgeschleift. Langsam setzte sich das seltsame Gefährt in Bewegung und glitt auf dem sandigen Boden in Richtung der Mauer.
„Ich wüsste zu gerne, was wir hier transportieren – und ob es diese gefährliche Reise überhaupt wert ist.“, überlegte Bordo.
„Es geht uns nichts an und wir haben unser Wort gegeben, die Kiste nicht zu öffnen.“, erinnerte ihn Olaf bestimmt.
„Es riecht komisch!“, brummte Oleg und deutete auf die kleine hölzerne Kiste, die sich Brontus mit einem Lederriemen über die Schulter gehängt hatte. Der Mann, von dem sie den Auftrag bekommen haben, hatte ihnen praktisch gar nichts über die mysteriöse Kiste verraten. Er wollte weder Fragen über den Empfänger noch über den Inhalt verraten. In verblichenen Lettern stand B. Green auf der Kiste, ein Name, den die Brüder noch nie zuvor gehört hatten und in der Kiste schienen kleinen Schachteln umherzurutschen, wenn man sie sacht bewegte. Die mysteriöse Fracht blieb ihnen ein Rätsel.
Mit vereinten Kräften gelang es ihnen schließlich, sich der Mauer unbemerkt zu nähern. Beim Näherkommen wurde den Brüdern klar, dass es sich mehr um einen Zaun, als eine richtige Mauer handelte. Einige alte Metallstäbe waren in den Boden getrieben und mit Wellblech beschlagen. Stellenweise waren alte Reifen aufgetürmt und mit Draht umwickelt und an wieder anderen Stellen war Holz in den Zaun eingearbeitet. Alles in allem keine wirklich solide Konstruktion, da auch immer wieder Löcher im Zaun klafften. Besonders sorgsam hatten die Kinder des Chaos ihre Grenze nicht befestigt.
„Da vorne. Da vorne könnten wir durch passen!“, rief Bordo aufgeregt und deutete auf ein besonders breites Loch im Zaun.
„Karl Ender sagt immer: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“
Gerade als sie sich auf das Loch zubewegten, gab es plötzlich einen dumpfen Schlag, Staub stieg auf wie bei einer Explosion und die vier Brüder verloren das Bewusstsein. Als sie wieder zu sich kamen, fanden sie sich angekettet und in improvisierte Käfige gesperrt wieder.
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