Über Religion

Ist nicht irrelevant.
Du vergleichst hier etwas das legal ist und einfach von beiden Seiten ausgenutzt wird mit etwas, das explizit illegal ist und wofür deshalb beide Seiten belangt werden müssten.
Der Vergleich hinkt also durchaus.

Gut. Dann sehen wir es ja gleich.
Aber solange es nunmal legal ist, sollte es für alle gleich legal sein. Da ist nichts „erbärmlich“ daran, wenn es von allen gleich gebraucht wird.

Da es mir aber nicht um die rechtliche Bewertung geht, schon gar nicht anhand der bestehenden Gesetze, ist es eben doch irrelevant. Oder siehst du im Argument irgendwo eine Forderung, wer wofür belangt wird?

Es geht ums Prinzip, dass nicht alle Trittbrett fahren können. Irgendwer muss für die Extrawürste aufkommen.

Erbärmlich wäre in dem Sinne, die Extrawürste fröhlich in Anspruch zu nehmen, keine Ansprüche auf deren Abschaffung zu stellen, dann aber auch noch einen von Protest zu erzählen und es hinzustellen, dass man ja mit seiner Extrawurst im Grunde die Interessen der Wurstlosen vertrete und das deshalb was ganz Anderes sei als die schnöden Extrawürste für den Kult der großen Himmelswurst.

Das ist ja gerade auch in den meisten Bereichen der Fall. Ich wiederhole mich gerne:

Deswegen ist „Atheist*innen(verbände) sollten die gleichen Rechte und Pflichten bekommen wie Kirchen“ meistens zu kurz gedacht. Da muss man dann halt differenzieren. Geht es um den Status der Kirche als Körperschaft öffentlichen Rechts, weshalb sie z. B. Beiträge erheben darf? Dann musst du halt konsequenterweise sagen: „Atheist*innen(verbände) sollten die gleichen Rechte und Pflichten bekommen wie KöR.“ Gleiches gilt für gesondertes Arbeitsrecht - das Streikverbot gilt ja z. B. auch für Beamte und ist deswegen möglich, weil Beamte für KöR arbeiten. Und das ist schon ein wenig schwieriger zu bewerkstelligen, nicht jede Religionsgemeinschaft bekommt einfach mal so KöR-Status verliehen. Geht es um den ehemaligen Status der Kirche als Großgrundbesitzer, der nach dem Wiener Kongress zu den Staatsleistungen führt? Die kann man ja durchaus und mit mehr als einleuchtenden Gründen kritisieren, aber die Argumentation „Dann Atheist*innen auch!“ ist da ziemlich schwierig.

@Niklas_Schier da du die säkularisierung und die kirchensteuer ansprichst. Denkst du es gibt ein datum wo man sagen kann dass die Übertragung lange genug zurück liegt und genug Geld geflossen ist sodass aus diesem Grund die staatlichen Privilegien nicht mehr haltbar sind. Also in 2000 Jahren ist da das noch so relevant das man immer noch zahlen muss?

Naja, da muss man unterscheiden zwischen Kirchensteuern und Staatsleistungen an die Kirchen.

Zur Kirchensteuer: Auch wenn die Abschaffung der Kirchensteuer immer wieder gefordert wird, glaube ich nicht, dass das auf absehbare Zeit passiert (keine Ahnung, was in 2000 Jahren passiert, aber bis Anfang des Jahres dachte ich auch noch, dass so etwas wie der Überfall auf die Ukraine niemals passieren würde). Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Kirche kann das eben machen, weil sie eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist (genau wie z. B. eine Schule oder ein Finanzamt) und da einiges in Bewegung kommen müsste, damit sie diesen Status verliert. Zum anderen hat der Staat auch nicht wirklich ein Interesse daran, die Kirchensteuer abzuschaffen, weil der Staat diese Steuern für die Kirche eintreibt (wird ja über die Umsatzsteuer abgerechnet) und daran auch verdient. Das schließt zwar nicht aus, dass dieses System gelegentlich mal reformiert werden kann, eine grundsätzliche Abschaffung sehe ich aber eher nicht, da ich nicht sehe, wer aus politischer Sicht da ein Interesse dran haben könnte.

Mit den Staatsleistungen ist das auch so eine Sache. Die Entschädigungszahlungen nach dem Wiener Kongress waren im Prinzip schon im Kaiserreich eine Altlast und haben trotzdem danach auch noch die Weimarer Republik, Hitler-Deutschland und die BRD bis heute schadlos überstanden. Deswegen bin ich auch da eher zögerlich mit konkreten Aussagen. Grundsätzlich gibt es jedoch immer mehr Bewusstsein für dieses Thema, die Relevanz der Kirchen ist in stetigem Sinkflug und in Deutschland müssen letztlich alle dafür zahlen, obwohl inzwischen mehr als die Hälfte kein Mitglied christlicher Kirchen mehr ist. Und dass ich kein Freund dieser Staatsleistungen bin, habe ich ja auch schon gesagt (auch, wenn ich damit ein bisschen an dem Ast säge, auf dem ich sitze :simonhahaa: ) und meines Erachtens muss man da politisch auch mal dringend ran. Aktuell sehe ich aber auch nicht, wer das anpacken will. Vonseiten der Kirchen wird man sich vermutlich nicht hinstellen und sagen „Gebt uns weniger Geld“ und politisch ist in den letzten Jahren den Kirchen eigentlich auch niemand wirklich auf die Pelle gerückt. Es ist eben zu sehr „normal“, um etwas dagegen zu tun. Aber dass die Staatsleistungen irgendwann kippen, sehe ich zumindest als realistischer an als die Abschaffung der Kirchensteuer.

Na aber denkst du dass das in Zukunft noch Sinn macht aus diesem Grund die ganzen Sachen zu machen. Warum entschädigt man die Kirche auf die Unendlichkeit das macht doch wenig Sinn. Bei Enteignungen vom Adel hat man auch nur eine Einmalzahlung getätigt

Von „Sinn machen“ hat man sich schon lange verabschiedet. Es fehlt halt „nur“ daran, dass das mal jemand anpackt.

Ich wollte dich aber als Sinnbeauftragter eben genau danach fragen ob du es so für sinnvoll hälst oder lieber auch eine weniger veraltete Regelung für eine moderne Kirche geeigneter.

Die Staatsleistungen halte ich für überholt. Abschlagszahlung vereinbaren und die Kirchen damit CO2-neutral machen halte ich für am sinnvollsten.

Das Kirchensteuersystem hat für eine Kirche, die dann doch in die Fläche geht, einige Vorteile, die aber immer mehr wegbröckeln. Im aktuellen System zahlst du quasi deine Kirchensteuer in einen riesigen Topf ein und es ist nicht wirklich transparent, wo deine Kirchensteuer nun genau hingeht. Das ist meist auch recht schwer vermittelbar - geht das Geld jetzt in unser marodes Kirchendach oder auf das Konto eines 100km entfernt wohnenden Pfarrers, den ich noch nie im Leben gesehen habe? Schwierige Kiste. Ich glaube, dass man da mit einer Zweckbindung mehr rausholen könnte: die Gottesdienst-Band braucht einen Verstärker? Setzen wir doch einfach die Kirchensteuer der Gemeinde zweckgebunden dafür ein. Hab ich ja im Prinzip auch vor: Einen Twitch-Stream, den man aktiv mit der eigenen Kirchensteuer unterstützen kann.

Das System hat allerdings den Vorteil, dass du als Kirche so halt auch den ländlichen Raum und soziale Brennpunkte bespielen kannst. Wo die Leute nicht so viel verdienen bzw. einfach nicht so zahlreich da sind, kannst du an und für sich nicht einfach eine Kirche (plus Pfarrstelle, Gemeindesekretariat, Kirchenmusik, Jugendarbeit…) unterhalten. Aber gerade da ist kirchliches Handeln meines Erachtens deutlich geboten - und dann bin ich wieder ganz froh drum, dass man nicht einfach 100 Pfarrstellen im Frankfurter Bankenviertel einrichtet, wo man sich das sicher locker leisten könnte.

Es ist für mich da ziemlich schwierig, eine allgemeine Aussage zu treffen, was da nun richtig ist und was nicht, da es je nach Ort unterschiedliche Anforderungen gibt.

Ok gut danke verstehe ich

Deshalb mache ich hierhin einfach mal einen Querverweis darauf

2 „Gefällt mir“

Wie ich es hasse, wenn man wegen religiösen Leuten, die sich beleidigt fühlen einknickt. Mimimimi das wird aber nicht so dargestellt, wie wir das wollen. Tja, Pech gehabt. Vielleicht einfach mal künstlerische Freiheit und so nachschlagen.

8 „Gefällt mir“

Neulich noch dieses total nette Lob gelesen. Heute könnte ich aber schon wieder vor Wut ein Loch in die Wand hauen. Mit Priestern.

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-06/katholische-kirche-sexueller-missbrauch-muenster-gutachten

Es ist so ein ganz ekelhaftes Gefühlsgemisch zwischen Wut, Verzweiflung und nochmal Wut und Verzweiflung darüber, dass es mich eigentlich gar nicht mehr überrascht.

Übrigens (ich glaube, ich sollte so was auch öfter posten): Wer von sexuellem Missbrauch betroffen ist (bzw. im näheren Umfeld damit konfrontiert ist) und nach Ansprechpersonen außerhalb der Kirche sucht, kann sich z. B. hier Hilfe holen.
Ansonsten stehe ich halt auch immer gerne als Ansprechpartner und Seelsorger für alles Mögliche zur Verfügung, vermittle aber auch gerne weiter, wenn sich jemand z. B. einer Frau gegenüber besser öffnen kann.

6 „Gefällt mir“

Ich habe jetzt nur eine Erfahrung aus meiner Arbeits-Bubble, aber die muss ich mal hier teilen:

Es gab ja einen Aufruf in der „Kirche+Leben“, der Zeitung der katholischen Kirche im Bistum Münster (oder gibt es die auch in anderen Bistümern?).
Auf jeden Fall wurden in sehr komplexen Deutsch Fragen zur Kirche gestellt, man will ja den synodalen Weg gehen und Feedback einholen von den Kirchgängern und Gläubigen. Wie geschrieben waren die Fragen sehr komplex, lang und selbst für mich und einen Kollegen, der seelsorgerisch tätig ist, unverständlich. Schon mal ein toller Start!

Wir arbeiten in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung und haben den Fragenkatalog als Anlass genommen, einen Gesprächskreis anzubieten, um mal ganz allgemein über die Kirche zu sprechen, was toll ist, was nicht, was verbessert werden muss/sollte.

Ich könnte das Protokoll hier reinstellen, mir geht es jetzt aber erstmal um die Missbrauchsfälle in der Kirche.
Der Tenor in der Runde (neben meinem Kollegen und mir ausschließlich Frauen, die meisten mit psychischen Erkrankungen, 50+ und von kleinauf gläubig): schrecklich, was dort passiert ist, aber irgendwann müsse man ja auch den Tätern verzeihen, es sind auch nur Menschen, Jesus hat ja auch allem und jedem verziehen.

Da ich nur Moderator war und keinerlei Einfluss nehmen wollte, musste ich mich schon arg zusammenreißen, das nicht weiter zu kommentieren, gedacht habe ich mir später, als ich diesen Part des Verzeihens nicht ins Protokoll aufgenommen habe: also wenn viele Leute so denken, kann die Kirche ja auch einfach auf die Vergangenheit einen feuchten Dreck geben und einfach weitermachen.

Habt ihr solche Aussagen auch schon gehört?

2 „Gefällt mir“

Das ist nach meiner Erfahrung übrigens nicht nur ein „kirchliches“ Problem, sondern oft wollen auch irgendwelche Unis gerne Daten erheben, aufklären, auswerten etc. und machen dann Aushänge im breitesten Akademikerdeutsch, wo ich auch häufig Probleme habe, durchzusteigen. Die Ziele und Absichten mögen ja ganz famos sein, die Verpackung liest sich aber meistens eher wie die an ein oberes Bildungsbürgertum. Du musst nicht beeinträchtigt sein, um davon nicht angesprochen zu werden.

Zum Verständnis: Sind das Menschen, die selbst von Missbrauch betroffen sind? Wenn ja, ist das u. U. sogar gar nicht mal schlecht für die eigene Psychohygiene. Wenn ich nicht die ganze Zeit Hass gegen Pastor Arschkrampe mit mir herumtrage und mich nicht daraus resultierend mit Ängsten etc. herumschlagen muss, kann das etwas Positives sein. Aber (und deshalb meine Nachfrage): Niemals kann sich jemand hinstellen und von außen ein Verzeihen verlangen. Ich hau dir ja auch nicht in die Fresse und fordere dich auf, mir zu verzeihen. Nur in dem Fall hätte ich dir vielleicht höchstens ne blutige Nase verpasst (bei einem Lappen wie mir auch eher unwahrscheinlich) und wir reden hier über ein zerstörtes Leben.

Das „katholische“ Problem bei dieser ganzen Missbrauchsgeschichte ist eben, dass die Opfer durchaus auch positive Anknüpfungspunkte beim Thema Religion haben; deswegen ist ein Kirchenaustritt o. ä. bei diesen Menschen auch nicht immer auf dem Radar und sie wünschen auch häufig eine innerkirchliche Herangehensweise an diese Dinge. Und die katholische Kirche geriert sich eben selbst als heilig: Außerhalb der (katholischen Amts-) Kirche gibt es kein Heil, deswegen ist das, was die Kirche sagt, in der eigenen Darstellung per se richtig und heilsnotwendig. Und für einen Menschen, der daran glaubt, ist es eben doppelt schwer, dann wirklich gegen den Missbrauch laut zu werden (weshalb diese ganzen Skandale auch eher tröpfchenweise ans Tageslicht kommen).

1 „Gefällt mir“

Danke für deine Sicht der Dinge!

Für den Kontext: von den Teilnehmerinnen hat keine eine Aussage dazu gemacht, Missbrauch innerhalb der Kirche erlebt zu haben, es ist diesbezüglich nichts bekannt. Aufgrund der Offenheit, die im Gesprächskreis und auch außerhalb herrscht, würde ich es auch nicht vermuten, 100% sicher kann ich aber natürlich nicht sein.
Sehe es sonst wie du: wenn es dem verarbeiten hilft, ist diese Art der Psychohygiene voll in Ordnung. Wenn so eine Aussage allgemein kommt, mit Bezug zu Jesus, finde ich es schon wieder problematisch - in dieser hochkomplexen Welt mit all den machtgeilen, narzisstischen, allgemein bösen Menschen taugt Jesus nur bedingt als Vorbild, gerade wenn es um Nachsicht geht.

Zunächst sollte der Täter seine Taten reuen und Buße tun. Dann kann man über Vergebung reden. Es stimmt: Als Christen sind wir dazu aufgerufen, zu verzeihen (Mt 18, 21-35 zum Beispiel). Aber Vergebung ist nichts billiges. Daran sollten wir denken, wenn wir Jesus am Kreuz betrachten.