Na, ich glaube, du unterschätzt da ganz gewaltig die Naivität vieler Politiker.
Nicht, dass es mit der ersten abgefeuerten Kugel nicht auch schon so gewesen wäre, aber eine andere Formulierung als „Putins Krieg“ würde die Verantwortlichkeiten auch endlich mal auf alle Ebenen verteilen. Es kann keinem russischen Soldat abgenommen werden sich zw. Moral/Menschenrechten und Befehlsverweigerung entscheiden zu müssen. Genauso wie jeder stillschweigend zusehende Russe eine Teilschuld trägt. Mal ganz zu schweigen vom Apparat um Putin.
Auch wenn es schrecklich zynisch ist, dass mit der Exitstrategie stimmt schon. Sieht man ja schon am Rumgemurkse um Bidens Aussagen über Putins Zukunft und dem Zurückrudern vom Weißen Haus.
Okay, da magst du vielleicht auch wieder Recht haben
Aber im Endeffekt muss man es halt wirklich so sehen. Welche Möglichkeiten gibt es zu einem Ende des Krieges zu kommen und danach irgendwie weiter zu machen. Und dafür steht dieses Framing als Putins Krieg. Damit nimmt man die Bevölkerung aus der Verantwortung und eröffnet Möglichkeiten einer späteren Kooperation. Das hat erstaunlich viele Parallelen dazu, wie man hier von Hitler und den Nazis im zweiten Weltkrieg redet, aber nicht von den Deutschen o.ä…
Die Diskussion der Verantwortung fand ich schon damals ziemlich schwierig, als ich noch in der SJ auf Seminaren solche Themen ausdiskutieren konnte. So hatten wir mal eine mehrere Tage andauernde Diskussion über die Schuld oder Nichtschuld einzelner Wehrmachtssoldaten im 2.WK usw. Bis heute gibts da für mich keine eindeutige Antwort.
Klar trägt da die russische Bevölkerung eine Verantwortung in dem Konflikt. Die in der Zwischenzeit schon 2 Jahrzehnte andauernde Herrschaft und die daraus resultierenden Machtstrukturen inklusive stark ausgeweiteter Propaganda darf man da allerdings auch nicht unterschätzen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dort sehr viele davon überzeugt sind, das richtige zu tun und sich moralisch auf der richtigen Seite wähnen. Und dann gibts sicher noch die, die selbst im System unterdrückt sind und Angst haben müssen, dass sie Opfer ebenjenes Systems werden und daher mitspielen.
Ist halt alles andere als einfach.
Zudem:
Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters soll zudem die Einfuhr von Holz, Zement, Gummi, Chemikalien und Luxuslebensmitteln wie Kaviar und Spirituosen wie Wodka verboten werden. Dies umfasse ein Gesamtvolumen von fünf Milliarden Euro jährlich. Russische Lastwagen und Schiffe sollten zudem nicht mehr in die EU dürfen. Auch solle demnach der Export von Halbleitern, Hightech-Maschinen, bestimmter Flüssiggastechnik und anderer Ausrüstung verboten werden. Das Exportverbot habe ein Volumen von zehn Milliarden Euro.
In einigen Monaten wird dann wahrscheinlich auch ein Ölembargo folgen. Beim Gas haben wir uns leider selbst in die Scheiße geritten und können da nicht reagieren.
Ich stimme dir in allen Punkten zu. Aber ich denke, wir können uns darauf vorbereiten, dass selbst wenn Putin irgendwie gestürzt wird und es einen Frieden welcher Art auch gibt, dass man sehr schnell mit aktuellen Personen aus dem Machtapparat Russlands kooperieren wird.
Und auch da kann man sich dann drüber streiten zu welchem Grad das falsch ist.
Absolut und selbst wenn man nicht mit solchen Personen zusammenarbeiten muss, wer sollt den Putin beerben? Nawalny, der ist selbst schon eine schwierige Persönlichkeit. Da müsste wirklich die komplette Riege um Putin und seinen Handlangern verschwinden und dafür bräuchte es mMn einen Volksaufstand. Was dann allerdings kommt, kann man mit nem Würfelwurf gleichsetzen.
Ich muss zugeben, dass ich mich in der russischen Opposition überhaupt nicht auskenne. Es kann schon sein, dass es da irgendwen gibt, Michail Chodorkowski würde mir jetzt in den Sinn kommen, aber ob der irgendwie Rückhalt bekommen würde und ob er im Endeffekt eine bessere Option als irgendwer anders ist weiß ich nicht.
Ich denke, dass ein großartiger Regimechange nicht möglich sein wird. Die Möglichkeit gab es damals in Deutschland, hat man aber nicht in letzter Konsequenz durchgezogen, weil man was anderes vor hatte.
Jetzt wird man gucken müssen, dass man das Minimum hinbekommt, dass möglichst viel Integrität der Ukraine erhält (wobei ich keine Ahnung hab, wie das funktionieren soll) und Russland soweit kriegt, einem entsprechenden Frieden einzuwilligen.
Hat doch nach dem Zweiten Weltkrieg auch keinen gestört.
Bis sich der Russische Staat wieder komplett von Putin gereinigt hat, wird es Jahrzehnte brauchen, das geht nicht so einfach. Man kann einen Staat nicht einfach von Grund auf neu aufbauen.
War es nicht so das Russland das grosse Geld durch Öl & Kohle macht und nicht durch Gas?
Naja nicht von Grund auf, aber man kann schon viel machen.
Aber dazu müsste man teilweise eben viele Exilrussen zb zurückholen so wie es in Deutschland damals geschah.
Nur funktioniert sowas nur wenn man gleichzeitig das Land besetzt und langsam freiheiten wiedergibt.
Schaut man sich aber an wie viele Alliierte Soldaten damals in Westdeutschland waren nach 1945 und rechnet das im Verhältnis auf Russland um, soviel truppen würde keiner aufbieten wollen.
Das ist nicht nur ein Problem in der Energiewirtschaft. Etwa 80% der Eiche kommt aus Russland. Auf Luxuslebensmittel kann man sicherlich verzichten, andere Dinge werden da schon schwieriger.
Eben da liegt ja der Unterschied. Ich hoffe niemand kommt auf die Idee, Russland besetzen zu wollen.
In Deutschland wurde ja ein Regimechange durchgeführt, nur halt nicht in letzter Konsequenz. Ein Gehlen und ein Glopke wurden ja trotzdem einfach wieder in hohe Ämter gehievt, auch wenn sie sich unglaublich schuldig gemacht haben. Aber im Kern in die BRD ein komplett neues politisches System gewesen
Das waren nicht viele. Ich rede nicht von der Führung, da waren es ein paar.
Hmm, Volksaufstand. Wie etwa der in Belarus, der innerhalb kurzer Zeit zernichtet wurde?
Ich fands schon nahezu blamabel wie die hiesigen Medien vor ein paar Wochen regelrecht über den „Aufstand“ der russischen Bevölkerung berichtet haben. Knapp Tausend sollen es gewesen sein… und jetzt schaut man sich mal die Einwohnerzahl Russlands an. In Belarus waren es sogar, wenn ich mich recht erinnere, über 100k und dennoch hat es nicht gereicht.
Heute hab ich mitbekommen, dass Putins Zustimmungswerte in Russland bei fast 80% liegen sollen und das sei nicht irgendeine Kreml-gesteuerte Umfrage gewesen, sondern eine vom „Lewada-Zentrum“. Der Reporter hat während der Schalte dann noch gemeint, dass er schon fast vom Glauben abfällt, wenn er sich mit den Leuten vor Ort unterhält.
Das wäre aber dann eine andere Situation, wenn das in St.Petersburg, Moskau und den anderen großen Städten gleichzeitig passieren würde, während Truppen in der Ukraine gebunden sind.
Ja, das war wirklich nur ein Tropfen am heißen Stein. Da bräucht es schon eher Zustände wie bei Februar- und Oktoberrevolution, also auch einer Beteiligung zumindest eines Teils des Militärs auf Seiten der Bevölkerung. Halte ich das für realistisch, nicht wirklich. Aber ich seh nicht wirklich eine Alternative, da Putin und seine Bagage ausm Kreml zu entfernen, ohne jetzt an einen Krieg größeren Ausmaßes denken zu müssen.
Das meiste Geld, machen sie tatsächlich durch Öl, ja.
Die Zustimmungswerte können ordentlich fallen, wenn die Menschen dauerhaft in Not sind. Die Sowjet Union zerbrach ja auch während eines friedlichen Volksaufstands. Was Belarus angeht, da hatte Lukaschenko sowohl seine eigenen treuen Soldaten, als auch die Rückendeckung von Putins Russland.
Putin müsste aber schauen, wer ihm Rückendeckung gibt. Vielleicht würde China helfen, ist aber auch nicht so wahrscheinlich. Die Chinesen sind jetzt nicht so involviert dort und haben mehr ein Zweckbündnis, welches sie auch mit einem Folgeherrscher haben könnten. Belarus und andere kleinere Staaten haben genug eigene Probleme und wären eh nicht so stark, einem Giganten wie Russland so viel Hilfe anbieten zu können.
Ist schon ein gefährliches Spiel, aber so ein Volksaufstand kann schon funktionieren. Es klappte ohne zutun von außen in der Sowjet Union, in Tunesien, in Ägypten (auch wenn die folgenden Machthaber auch nicht so toll waren bisher) der Ukraine 2004 nach der Orangenen Revolution (obwohl auch da Putin versucht hat das zu unterbinden) und in einigen anderen Staaten der Geschichte.
Demgegenüber brauchten z.B. Staaten wie Belarus oder Syrien Hilfe von Putin, für ihren Machterhalt. Wer es hätte schaffen können seine Macht zu erhalten, wäre Gaddafi gewesen. Er hatte ja keine äußerische Hilfe, allerdings bekamen hier die Aufständischen internationale Hilfe in Form einer Flugverbotszone.
Man kann also nicht vorher sagen, was mal wird in Russland. Möglich wäre ein Zusammenbruch. Wenn es jahrelang dort bergab geht, kann die Bevölkerung entsprechend Wut entwickeln, dazu ist noch eine Gefahr für Putin drin. Vielleicht geht ihm mal das Geld aus, um seine Vertrauten und sein Militär vernünftig zu bezahlen. Dollar und Euro kann man in Russland dank der Sanktionen nicht mehr verwenden. Das wird bei einer möglichen Hyperinflation ein Problem, dann würden seine Truppen keine Rubel mehr wollen und Hyperinflationen passieren tatsächlich auch sehr oft, dank kriegen.
Ist beispielsweise dem Diktator Idi Amin Dada passiert, er konnte irgendwann seine Truppen nicht mehr bezahlen, weil die Wirtschaft kollabiert ist in Uganda. Daher bröckelte die Zustimmung, er versuchte sich noch mit einem riskanten Manöver zu halten, als er in Tansania einfiel und seinen Truppen in Aussicht stellte, alles behalten zu dürfen, was sie erbeuteten. Aber Tansania wusste sich zu wehren und seine Truppen hatte ohne Lohn dann auch genug von ihm, keiner unterstützte ihn mehr.
Ist übrigens egal, ob nur die Staatskassen leer sind oder einfach das Geld wertlos ist, in beiden Fällen ist es so, als wenn du deine Leute nicht mehr bezahlen kannst. Dann wird es für jede nDiktator eng, ob der nächste Regent aber ein Demokrat wird, steht dabei auf einem anderen Blatt.
Am Kohleembargo arbeitet man übrigens jetzt schon.
Natürlich schade, dass man noch nicht Gas- und Ölimporte streicht, aber immerhin der nächste Schlag gegen Putin.