Soda, hab mir mal den von dir geposteten Text durchgelesen und hier mal meine Gedanken dazu. Ich hab die Einteilung vom Text zwecks Übersichtlichkeit übernommen.
Der Begriff „westplaining“ war mir ehrlich gesagt neu. Die Analogie zu „mainsplaining“ kann ich grundsätzlich ja nachvollziehen. Allerdings - und das spricht auch der von dir gepostete Artikel an - spielen sich die zwei Phänomene auf ganz anderen Ebenen ab. Bin mir daher nicht so sicher, ob diese Begrifflichkeit da wirklich die sinnvollste ist. Aber da bewegen wir uns in einem semantisch schwierigen Bereich, den ich jetzt nicht groß aufmachen will. Ist nur ein Gedanke, der mir gekommen ist, den man auch getrost ignorieren kann.
Im Niemandsland
Also ich habe tatsächlich Larry Wolffs Buch gelesen (war im Zuge meines Studiums Teil einer Literaturliste) und finde da die Einbettung schon ziemlich arg verkürzt, zumal es nicht gerade das aktuellste Werk zur Osteuropaforschung ist. Immerhin stammt es afaik aus dem Jahr 1994.
Soll etwa das Opfer schuld sein?
Das Beispiel mit dem fiktiven Land Zubrowka seh ich als komische Argumentation ein, als ob es keine fiktiven „westlich“ anmutenden Länder in Film und Literatur gäbe.
Die im Text angesprochene Objektmachung Osteuropas würde ich persönlich auch weniger in fiktiven Werken sondern eher in den Mechanismen der Epoche der späten Neuzeit (z.B. Teilung Polens) suchen.
Dass der Text gegen Ende des Abschnitts dann Noam Chomskys Aussagen zum Ukrainekrieg wieder extrem verkürzt und ins absurde verzerrt (was insbesondere im nächsten Abschnitt der Fall ist), passt dann wieder zu dem, was der Text mit Wolffs Werk gemacht hat.
Die unausrottbare Faszination
Um mal etwas positives über den Text zu sagen: Ich stimme dem Autor zu, dass man Russland in der Zwischenzeit als faschistisch oder faschistoide Diktatur bezeichnen kann.
Ansonsten ist dieses Kapitel wieder von ziemlich krasser Verkürzung und Polemik geprägt.
Westliche Lust an der Exotik
Hier spricht er den „westeuropäischen Intellektuellen“ und allen möglichen anderen Leuten jegliche Expertise und Fachwissen ab, was ich recht absurd finde, da seine gesamte Argumentation auf Verkürzung und Verzerrung von Aussagen beruht, ehe er sich dann in ziemlich kriegstreiberischer Rhetorik verliert.
Russland kann man nicht trauen
Puh, dieser Absatz ist besonders schwierig, insbesondere das Ende, wo er sich für Russland einen Morgenthau-Plan wünscht, was ich persönlich für äußerst fragwürdig halte.
Alles in allem ein ziemlich reißerischer und polemischer Text, der sehr stark verkürzt, um die eigene Argumentation durchbringen zu können und weder nachhaltig die Problematik „westlicher Intellektueller“ aufzeigen konnte, noch Lösungsansätze bieten konnte.
Man kann von der aktuellen Situation in der Ukraine halten, was man will, aber der Text bringt uns sicherlich auch nicht nach vorne.