Ad Astra
Es ist nicht ganz leicht, “Ad Astra” in Worte zu fassen, da es ein sehr eigentümlicher und vom Mainstream-Kino stark abweichender Film geworden ist. Vielleicht hat sich das Marketing-Team von James Grays neuestem Regiewerk gerade deswegen dazu entschieden, “Ad Astra” fälschlicherweise als einen epischen, actiongeladenen Science-Fiction-Thriller zu verkaufen. Schließlich will man lieber in die Erfolgsspuren eines “Interstellar” oder “Gravity” treten als am Ticketschalter schulterzuckend dazustehen. Und so entsteht eben eine Fehlleitung, die den einen oder anderen Zuschauer mit anderen Erwartungen in diese 123-minütige Odyssee schickt.
Doch worum geht es denn nun? In mehr oder weniger naher Zukunft hat die Menschheit mehrere Planeten unseres Sonnensystems besetzt und versucht, stets weiter und weiter in den Weltall vorzudringen. Der Zuschauer verfolgt dabei den Ingenieur Roy McBride (Brad Pitt), der für die Weltraumbehörde SpaceCom arbeitet und sich als abgebrühter, immerzu rational denkender Mann präsentiert. Roy ist zudem ein Astronaut, denn er bestreitet den Karriereweg seines Vaters (Tommy Lee Jones), der als Leiter des Lima-Projekts (und dadurch als ein Weltraum-Pionier) in die Geschichte eingegangen ist. Schließlich war es sein Ziel, weiter zu reisen als alle Menschen vor ihm, um in den Tiefen des Alls nach intelligentem Leben zu suchen. Doch vor 16 Jahren verschwand sein Raumschiff spurlos. Eines Tages wird Roy allerdings etwas Verblüffendes mitgeteilt. Die Weltraumbehörde informiert ihn darüber, dass sein Vater am Leben sein könnte.
“Ad Astra” ist ein Sci-Fi-Erlebnis der anderen Art. Es ist ein über weite Strecken ruhiger, grübelnder und surrealer Sci-Fi-Trip, der eine dramatische Vater-Sohn-Beziehung auf der größten Bühne überhaupt präsentiert. James Gray reduziert die Handlung auf etwas, das wir eigentlich schon in vielen anderen Formen gesehen, gehört oder gelesen haben. Der Clou hierbei ist aber das Fremdartige des Weltraums und die Isolation, mit der Vater und Sohn gleichermaßen konfrontiert werden.
Audiovisuell ist “Ad Astra” eine Wucht. Kameramann Hoyte van Hoytema fängt wirklich einzigartige Bilder ein, die hypnotisch und rätselhaft zugleich wirken. Es gibt so einige faszinierende Szenen, die einen in sich hineinziehen und fesseln wollen. Untermalt wird das Ganze von Max Richters melancholisch-verträumten Klängen, die mir größtenteils gut gefallen haben. Man muss wirklich ein Chapeau dafür aussprechen, wie großartig dieser Film sein Budget von 80-100 Millionen Dollar genutzt hat. Wobei ich es schon letztes Jahr verblüffend fand, dass Damien Chazelle seinen “First Man” für 60-70 Millionen Dollar drehen konnte.
Apropos - ich lese aktuell öfters, dass “Ad Astra” mit Klassikern wie “2001: Odyssee im Weltraum”, “Solaris” oder “Apocalypse Now” verglichen wird. Diese Vergleiche sind sicherlich nicht falsch, jedoch hat mich das Werk von James Gray viel mehr an die beiden “Blade Runner”-Filme erinnert. So zum Beispiel die sich langsam entfaltende Geschichte, die einen psychologisch-philosophischen Ansatz verfolgt, auf einen stoisch-unterkühlten Protagonisten setzt und ihn in einer Welt wandeln lässt, die bedrohlich sowie faszinierend zugleich ist.
In den ersten 45 Minuten habe ich gebannt auf die Leinwand geschaut und war äußerst positiv überrascht darüber, ein prominent besetztes Sci-Fi-Drama zu sehen, das sich wie ein cineastisches Kammerspiel inszeniert. Den einen oder anderen Zuschauer wird es sicherlich abstoßen, dass James Gray auch auf zwei-drei Actionszenen zurückgreift, um der Monotonie dieses Streifens entgegenzuwirken. Ich kann verstehen, wenn manche sie als Fremdkörper empfinden werden, finde jedoch, dass sie dieser speziellen Zukunftsvorstellung am Ende des Tages mehr Verständnis und Brad Pitts Charakter mehr Tiefe verleihen. Denn genau da liegt der Hase im Pfeffer.
Brad Pitts Schauspiel ist wirklich - sagen wir - minimalistisch. Er hat fast den ganzen Film über einen oder zwei verschiedene Gesichtsausdrücke und das hat mich eher stutzig gemacht. Ryan Gosling konnte für mich in “First Man” diese fragile stoische Fassade des Neil Armstrong wunderbar transportieren, während ich bei Brad Pitt das Gefühl hatte, unter der kühlen Oberfläche würde keinerlei Feuer brodeln. Ich hatte Probleme damit, mich mit ihm zu identifizieren, was darin resultierte, dass mich die Vater-Sohn-Momente relativ nüchtern zurückgelassen haben. Vielleicht muss ich mir “Ad Astra” ein weiteres Mal anschauen, um eine zweite Ebene entdecken zu können. So aber fand ich Brad Pitts schauspielerische Leistung recht oberflächlich.
Leider nimmt die Misere dieses Films hier aber erst ihren Lauf. Das weitere große Problem, das ich mit “Ad Astra” hatte, ist das schwächelnde Drehbuch. Die Vater-Sohn-Geschichte ist sicherlich ein guter Nährboden für eine tragische Weltraum-Odyssee, doch leider kommt James Gray auf die abstruse Idee, immer wieder bedeutungsschwangere Monologe aus dem Off einzustreuen. Für mich bleibt es ein Rätsel, warum dermaßen monumentale Kameraaufnahmen mit teilweise solch prätentiösen Kommentaren gespickt werden mussten. Als hätte James Gray zu viel Angst gehabt, einen Film zu drehen, der ohne viele Worte auskommt. Doch genau das hätte “Ad Astra” wunderbar tun können.
So bleibt zu sagen, dass dies ein faszinierender, wenn auch nicht fehlerfreier Film geworden ist. Meiner Ansicht nach sind alleine die Bilder und der Soundtrack es wert, dass man sich “Ad Astra” (am besten im Kino) anschaut. Es ist eine willkommene Abwechslung, im Herbst einen Sci-Fi-Blockbuster zu bekommen, der keiner ist. Gleichzeitig finde ich es bedauerlich, dass Brad Pitt bei seinem Schauspiel keinen richtigen Halt findet und James Gray dem Zuschauer aus dem Off immer wieder predigt, was Einsamkeit ist und wie die Menschen so sind. Ein starker Sci-Fi-Streifen also mit harten Abzügen in der B-Note.