Pokémon: Detective Pikachu
Pokémon-Filme sind keine Rarität. Seit dem Jahr 2000 erscheinen sie fast durchgehend im Jahrestakt und bieten inzwischen nur noch selten etwas Aufregendes oder Originelles. Was kann also Rob Lettermans „Pokémon: Detective Pikachu“, was ihn sich von all den Vorgängerfilmen abheben lässt? Ganz einfach: es ist der erste Pokémon-Realfilm.
Im Mittelpunkt steht der noch recht junge Versicherungsvertreter Tim Goodman (gespielt von Justice Smith), den eines Tages die Nachricht erreicht, dass sein Vater bei einem Autounfall gestorben ist. Tim macht sich auf den Weg nach Ryme City, wo sein Vater gelebt und gearbeitet hat. Bekannt ist die Stadt vor allem für das Zusammenleben von Pokémon und Mensch sowie für zahlreiche futuristische Technologien. Eigentlich kann Tim mit Pokémon nicht mehr viel anfangen, dennoch freut er sich, Ryme City mit den eigenen Augen zu sehen. Dort angekommen stellt Tim aber schnell fest, dass der Abschied von seinem Vater überhaupt nicht so wird, wie er es sich vorgestellt hat. Ihm läuft eine seltsame Reporterin (gespielt von Kathryn Newton) über den Weg und in der Wohnung seines Vaters trifft er auf ein sprechendes Pikachu. Von da an artet alles in Chaos aus.
„Detective Pikachu“ ist ein klassischer Abenteuerfilm mit klaren Zielen und oberflächlichen Charakteren. Wirklich schlimm ist das hier aber nicht, denn die Stars des Films sind ohne Frage die Pokémon. Ryme City platzt nur so vor Entons, Machomeis, Griffels, Gluraks, Gengars, Pummeluffs, Bisasams usw. Die Optik, für die man sich hier entschieden hat, geht einen Mittelweg aus Videospiel/Anime-Vorlage und realistischen Tieranlehnungen. Viele Pokémon haben ein Fell, Schuppen, Krallen, eine bestimmte Hautstruktur, sichtbare Muskeln und Adern - etwas, das man in diesem Detailgrad weder im Anime noch in den Videospielen sehen kann. Das Resultat schwankt zwischen beeindruckend und unheimlich. So sieht ein Pikachu oder ein Bisasam niedlich aus, ein Glurak wirkt aber wie ein Drache auf Steroiden. Insgesamt hat mir die visuelle Seite des Films trotzdem gut gefallen, da sie unverbraucht und originell daherkommt.
Wer nach dem Wort „Pokémon“ googelt und dabei schnell feststellt, dass es von ihnen fast 900 Stück gibt, wird diesem Film eventuell skeptisch begegnen und einen Overkill erwarten. Hier kann man aber eine eindeutige Entwarnung geben, denn „Detective Pikachu“ schnappt sich nur ca. 50 der beliebten Wesen und integriert sie in den Alltag von Ryme City. Manche Hardcore-Fans könnten sogar enttäuscht sein, dass ihr Lieblingspokémon nicht auftaucht und man auf legendäre Pokémon größtenteils verzichtet. „Detective Pikachu“ versteht sich viel mehr als ein Familienfilm und will jene, die noch nie ein Pokémon-Spiel gespielt haben, nicht überfordern. Aus meiner Sicht die richtige Entscheidung.
Schauspielerisch reißt dieser Film leider keine Bäume aus. Justice Smith macht einen größtenteils soliden Job, wirkt jedoch etwas hölzern, wenn es um emotionale Szenen geht. So auch Kathryn Newton, die stets peppig und energisch auftritt, mir die Gefahrensituation aber nicht ernst genug nimmt und etwas zu schnell ihr Lächeln aufsetzt, obwohl man noch jede Sekunde erschlagen oder zersprengt werden könnte.
Alles in allem tut „Detective Pikachu“ aber keinem weh und entwickelt sich nach einem faden Anfang zu einem netten Abenteuerfilm. Nichts, das man gesehen haben muss, aber vor allem die Pokémon-Fans werden damit angenehme 1,5 Stunden haben. Für den Nachfolger wünsche ich mir, dass man gerne noch mehr Fan-Momente einbaut und sich traut, eine Geschichte zu erzählen, die nicht auf das altbekannte Gut-gegen-Böse-Prinzip setzt.
A Sun
Chung Mong-hongs „A Sun“ ist ein wunderbares taiwanisches Drama, das momentan auf Netflix zu unrecht unter ferner liefen läuft. Klar, es gibt derzeit keine Vertonung auf Deutsch oder Englisch, aber immerhin gibt es deutsche Untertitel, sodass man sich dieses Werk auf jeden Fall ansehen sollte, wenn man atmosphärische Filme mit starken Geschichten rund um Familien mag.
Inmitten der Handlung steht der Oberstufenschüler A-Ho (gespielt von Wu Chien-ho), der eines Tages zusammen mit seinem Freund Radish (Liu Kuan-ting) einen Mitschüler angreift und schwer verletzt. Dieser Aktion ging der Diebstahl eines Motorrads voraus und beide waren auch noch mit Messern bewaffnet. Für die lokale Justiz ist dies ein klarer Fall und beide Schüler werden für die nächsten Jahre ins Jugendgefängnis gesteckt. A-Ho macht die ganze Sache wütend, denn er schiebt die Schuld auf Radish, der ihn zu der Tat angestiftet haben soll. Hinzu kommt, dass seine Eltern schwer enttäuscht von ihm sind und vor allem sein Vater bricht jeglichen Kontakt ab. Während A-Ho im Gefängnis alles andere als ein einfaches Leben hat, will die Misere nicht aufhören, denn eines Tages besucht ihn seine Mutter und hat für ihn eine Nachricht, die sein Lebel zusätzlich auf den Kopf stellt.
„A Sun“ ist mit ca. 150 Minuten ein sehr langer Film, der es aber mit Bravour schafft, einen mit jeder weiteren Minute in seinen Bann zu ziehen. Man erlebt hier keine actiongeladene Splatter-Geschichte mit Rache-Motiv, wie wir sie aus dem asiatischen Raum des Öfteren schon gesehen haben. Nein, „A Sun“ bleibt stets ruhig, düster und konzentriert sich auf das Leben der einzelnen Familienmitglieder. Atmosphäre, Licht, Kamera und Ton gehen dabei Hand in Hand und fangen die Geschichte intensiv und emotional ein. Handwerklich ist das hier eine bärenstarke Leistung. Doch auch schauspielerisch ist „A Sun“ durch die Bank weg super. Insbesondere A-Hos Vater spielt dermaßen stolz und verzweifelt, dass man nicht selten staunt.
Obwohl „A Sun“ allem voran ein Familiendrama ist, gibt es trotzdem einige spannende Situation und nervenaufreibende Momente, in denen sich der Film für kurze Zeit zu einem Thriller entwickelt. All das sorgt dafür, dass Chung Mong-hongs Werk eine hypnotische Wirkung entfaltet und einen über die lange Laufzeit gut unterhält. Große Empfehlung - nicht nur für Fans von Asia-Kino!