The Chaser (2008)
Es gibt so einige südkoreanische Rache-Thriller und in der Regel ist der Ablauf ähnlich: der Antiheld erleidet einen schweren Verlust bzw. Schicksalsschlag und verfolgt im Alleingang einen wahnsinnigen Mörder. „The Chaser“ von Na Hong-jin ist nicht ganz frei von seinen Genre-Tropes, geht hier und da aber eine andere Route und präsentiert sich viel mehr als ein unheimlich spannendes Drama.
Joong-ho (gespielt von Kim Yoon-seok) ist ein erfolgloser Zuhälter, den nur eins interessiert: Geld. Ob seine Prostituierten dabei körperliche oder psychische Schaden erleiden, ist ihm mehr oder weniger egal, denn das Geschäft muss laufen und das Leben im teuren Seoul finanziert werden. Eines Abends platzt Joong-ho aber der Kragen, denn sein „Mädchen“ Mi-jin (gespielt von Seo Yeong-hee) ist von ihrem Auftrag nicht zurückgekommen. Joong-ho geht davon aus, dass irgendein Kunde mehrere seiner Prostituierten entführt und verkauft hat. Also macht er sich auf den Weg zu dem Unbekannten (gespielt von Ha Jung-woo), um diesen zu konfrontieren und entweder Geld oder seine Prostituierten zurückzufordern. Doch der Zuhälter ahnt nicht, was für ein Chaos ihn erwartet.
„The Chaser“ ist das, was dabei herauskommt, wenn Bong Joon-hos „Memories of Murder“ auf Park Chan-wooks „Oldboy“ trifft. Er vereint nicht nur die Qualitäten dieser beiden wunderbaren Filme, sondern verleiht dem Thriller-Part einen kreativen Twist, indem er auf einen höchst ungewöhnlichen Mörder und auf einen Protagonisten, der einem gleichzeitig unsympathisch und doch nahbar erscheint, setzt. Dieser Film entwickelt sich während der ca. 120 Minuten allem voran zu einem nachdenklichen Drama, das einem im letzten Drittel immer wieder in die Magengrube tritt. Man leidet mit Mi-jin, verflucht abwechselnd Joong-ho und den Mörder und drückt dem Zuhälter doch die Daumen, damit der ganze Irrsinn ein Ende nimmt.
Besonders interessant wird „The Chaser“ dadurch, dass er von Regisseur Na Hong-jin noch eine zweite Ebene mit eigenen Mini-Episoden bekommt. Es geht um Seouls Politik, um die lokale Polizei, die dem Chaos eine Polizeiuniform überstülpt, um die oberflächliche Gesellschaft, um Lobbyismus und die Frage nach der Gerechtigkeit. Dabei werden die einzelnen Themen miteinander so grandios verwoben, dass die Inszenierung nur als fantastisch bezeichnet werden kann.
Auch schauspielerisch und audiovisuell leistet sich „The Chaser“ keine Patzer. Alle Beteiligten machen einen sehr guten Job und sorgen dafür, dass die Laufzeit nur so verfliegt. Man sollte aber wissen, dass dieser Film durchaus ein bis zwei üble Szenen hat und all jene, die südkoreanische Thriller nicht gewohnt sind, kalt erwischen könnte.
Nach all dem vielen Lob folgen nun aber auch ein paar kleine Kritikpunkte. Vor allem gegen Ende des Films gibt es die eine oder andere etwas zu willkürliche Szene, die ich in Anbetracht all dessen, das sich in den 30 Minuten davor abgespielt hat, nicht nachvollziehen konnte. „The Chaser“ drückt dabei zu doll auf den Chaos-Knopf und endet in einem Showdown, der leider doch ganz aus der Genre-Tropes-Schublade gegriffen ist. Schade, aber kein Beinbruch. Nicht ganz überzeugt hat mich außerdem der Abschluss der zweiten Handlungsebene, die im Mittelteil des Films eine große Rolle einnimmt, gegen Ende aber in einem großen Nichts verpufft, weil man die Bühne einzig dem Hauptprotagonisten überlässt. Das hätte man schöner auserzählen können, ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten.
Unter’m Strich ist „The Chaser“ aber ein starker Film. Düster, trist, brutal und spannend. Nicht frei von Mängeln, aber definitiv ein Film, der den Genregrößen in nichts nachsteht.