Dead Man
1995; Regie: Jim Jarmusch; Darsteller: Johnny Depp, Gabriel Byrne, John Hurt; Genre: Western
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Zu Zeiten des Wilden Westens fährt der Buchhalter William Blake in die Stadt Machine, um dort bei einer Maschinenfabrik zu arbeiten. Das klappt aber nicht ganz und er verursacht einen Zwischenfall bei dem zwei Menschen - eine davon die Tochter des Besitzers der Fabrik - getötet werden. Er wird schwer verletzt, kann aber fliehen und trifft auf einen Native, der ihn wieder aufpäppelt. Fortan ziehen sie durchs Land auf der Flucht vor den auf Blake angesetzten Kopfgeldjägern.
Nach dem für meinen Geschmack eher durchschnittlichen „Paterson“ versuche ich mich mal an meinem zweiten Jim Jarmusch. Und der hat mir geringfügig besser gefallen. „Dead Man“ ist natürlich wie alle seine Werke bewusst gegen Sehgewohnheiten gebürstet und es gibt viele skurrile Situationen, die oft Selbstzweckhaft wirken und eigentlich keinen tieferen Sinn haben, außer einen schmunzeln zu lassen. Es fallen Sätze, die eine Skala von tiefsinnig über prätentiös bis fast schon dadaistisch abdecken. Dennoch entsteht durch das satte Schwarz-Weiß und die krachenden E-Gitarren-Klänge von Neil Young, der hier die Musik gemacht hat, eine Sogwirkung. Johnny Depp mal zurückhaltend und eher wortkarg zu erleben, ist auch sehr sehenswert.
3,5 von 5 Sternen
The Assistant
2019; Regie: Kitty Green; Darsteller: Julia Garner; Genre: Drama
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Jane arbeitet erst relativ kurz bei einer Filmproduktionsfirma als Büroassistentin. Nach und nach bemerkt sie, dass ihr Chef offenbar seine Machtposition gegenüber Frauen ausnutzt. Als sie darauf aufmerksam machen will, läuft sie gegen eine Wand.
Kommt Euch das bekannt vor? Ja, das ist wohl der erste Harvey Weinstein/#MeToo-Film. Sein Name fällt nie. Es bleibt im Dunkeln, ob es einen direkten Bezug gibt und es konkret um den Fall geht oder ob es lediglich ein fiktives und universelles Beispiel ist. Dem Täter wird im Film kein Gesicht gegeben, sodass man selbst äußerlichen Vergleichen aus dem Weg gehen kann. Ebenso vage ist der Film in seiner Darstellung: Alles ist sehr zurückgefahren, ruhig, subtil mit feinsten Beobachtungen; vieles läuft über Gesichtsausdrücke und Blicke ab. Es gibt wahnsinnig starke Szenen, wie z.B. als Jane sich letztendlich offiziell beschweren will. Selten habe ich sowas unangenehmes gesehen und es macht einfach in knapp 5 Minuten klar, warum es so schwer ist, solchen Missbrauch auffliegen zu lassen.
Jemand der sich nicht für das Kapitel Weinstein interessiert und diesen Film damit nicht verbinden kann, wird allerdings kaum verstehen, was das soll. Für Augen, die nicht ständig im Hinterkopf haben, um was es hier geht und jede Andeutung sofort zuordnen können, wird hier bis zum letzten Viertel einfach nur ein Büroalltag abgebildet.
Davon zeugen zumindest die sehr vielen 1-Sterne-Bewertungen auf Amazon, die den Film zumeist für sehr langweilig erklären.
Vielleicht muss man so behutsam an so ein Thema gehen, aber mir war es in letzter Konsequenz dann doch etwas zu abstrakt. Ich finde man sollte den Finger ruhig deutlicher in die Wunde legen. Dennoch ein sehr lohnenswerter Film.
3,5 von 5 Sternen
Boy Erased
2018; Regie: Joel Edgerton; Darsteller: Lucas Hedges, Russell Crowe, Nichole Kidman; Genre: Drama
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Jared wächst in einer streng gläubigen Pastorenfamilie auf und ist… schwul. Als das ans Licht kommt gerät die Welt seines Vaters und seiner Mutter ins Wanken und sie schicken ihn zu einer Konversionstherapie. Dort soll ihm das Schwulsein ausgetrieben werden.
Ein Film bei dem man sich als halbwegs aufgeklärter und progressiver Mensch natürlich erwartbar aufregt. Wenn man versucht mit einem guten Schuss toxischer Maskulinität und Baseball die Homosexualität auszutreiben, Jugendlichen Schuldgefühle einredet und sie sogar mit der Bibel verprügelt… nun, was bleibt da als sich durchgehend an die Stirn zu klatschen; in dem Wissen natürlich, dass es das leider wirklich gibt. Der Film funktioniert auf der Ebene sich zu empören wunderbar… leider bleibt es aber dabei.
Mein größtes Problem ist der Hauptcharakter Jared. Seine Homosexualität bleibt reine Behauptung. Er sagt zwar er sei schwul, aber das konnte ich nicht nachvollziehen. Im Film wird das nur zweimal dargestellt: Einmal wird er fast von einem Mitstudenten vergewaltigt (was ein Vorurteil der Hardcorechristen ja bestätigt) und einmal legt er sich zu einem anderen ins Bett, aber es wird betont, dass da nichts passiert sei. Intimität oder auch nur einen Kuss sieht man nicht. So kann ich nicht richtig greifen, was er denn zu verlieren hat und wie sehr das gegen seine Natur geht.
Auch andere Charaktere sind Klischees und reine Plot Devices: Der fanatische Prediger, der harte Vater, die zweifelnde Mutter, der Junge in der Therapie der irgendwann bricht, die Mitläufer, kennt man alles. Und somit ist die Handlung auch vorhersehbar. Ebenso hat der Film wie viele seiner Art aus den USA keinen Mut auch mal das Glaubensgerüst auf dem das alles basiert in seinen Grundfesten zu hinterfragen. Es gibt weder handfeste Kirchen- noch Religionskritik und man betrachtet dieses Konstrukt der Konversionstherapie als isoliertes Problem.
Gespielt ist das Ganze dennoch großartig und das Thema ist einfach immer wieder wichtig und hat hohes Gewicht.
3 von 5 Sternen
Cleopatra
1963: Regie: Joseph L. Mankiewicz; Darsteller: Elizabeth Taylor, Richard Burton; Genre: Historienepos
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Julius Cäsar wird nach Ägypten gerufen, weil Cleopatra von ihrem Bruder, mit dem sie eigentlich gemeinsam regieren muss, aus der Stadt Alexandria verbannt wurde. Cäsar verliebt sich jedoch in Cleopatra und hilft ihr die alleinige Herrschaft zu erlangen. Er kann jedoch sein Reich nicht von Ägypten aus führen, was Konflikte ins Rollen bringt und Markus Antonius - den zweiten Mann im Römischen Reich - auf den Plan ruft.
Und daraus entspinnt sich dann ein sehr unterhaltsames Epos um Liebe, Macht und Intrigen. Der Film lässt sich angreifen: Er ist pathetisch und stellenweise kitschig, aber sowas erwarte ich einfach von so einem Epos. Einer historischen Überprüfung hält der Film kaum stand und aus heutiger Sicht wäre da natürlich das Whitewashing. Es gibt ja gerade entsprechende Debatten um die Neuverfilmung.
Aber als Film selbst hat er mich wirklich begeistert. Er ist großartig gespielt, allen voran von Richard Burton, der die Zerrissenheit von Marcus Antonius zwischen seiner Liebe zu Cleopatra und seiner Machtgeilheit sehr gut transportiert. Elizabeth Taylor war wirklich ein heißer Feger und durfte das hier für einen Film aus den 60er Jahren erstaunlich offenherzig darstellen. Und ebenso überrascht es, dass sie das auch sehr emanzipiert einsetzen darf um zu manipulieren.
Aber dann kommen wir zu den Juwelen, an denen ich mich auch in den wahnwitzigen 253 Minuten Laufzeit nicht satt sehen konnte: Die Kostüme, die Ausstattung und allen voran die Kulissen. Der Film hat ein FANTASTISCHES Szenenbild und sieht auch heute noch unfassbar gut aus. Und das wurde alles wirklich gebaut, weil man damals natürlich kein CGI zur Verfügung hatte. Noch heute ist Cleopatra mit inflationsbereinigten 300 Millionen Dollar einer der teuersten Filme aller Zeiten.
Und letztlich interessiere ich mich einfach für die Antike.
4 von 5 Sternen
Upgrade
2018; Regie: Leigh Whannel; Darsteller: Logan Marshall-Green; Genre: Science Fiction
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In der Zukunft: Der Autoschrauber Grey wird mit seiner Frau zusammen nach einem Unfall überfallen. Seine Frau wird erschossen und er bleibt querschnittsgelähmt zurück. Ein Kunde von ihm pflanzt ihm einen Chip ein, der ihn wieder gehen lässt. Er macht sich auf die Suche nach den Mördern seiner Frau und entdeckt, dass die KI des Chips noch mehr kann, nämlich mit ihm reden und ihn wie eine Maschine kämpfen lassen.
Der Film hat mich wirklich sehr positiv überrascht. Zunächst einmal spielt das Marshall-Green hervorragend, denn er schafft es bewusst ein Uncanny Valley zu erzeugen: Wenn er normal läuft, läuft er eben nicht ganz normal. Man merkt, dass er in einem gewissen Maße gesteuert wird. Die Story ist zwar vorhersehbar, aber die Schlusspointe hat mich doch etwas überrascht. Erzählt wird das Ganze sehr flott und mit einigem Witz, kurzweilig und konsequent. Besonders das Zusammenspiel von Grey und der KI ist fast eine Art Buddy-Movie, nur dass sich alles in einem Körper abspielt. Die Kampfszenen sind zwar rar, hauen aber gut rein und diese roboterartigen Close Combat Keilereien hab ich so auch noch nie gesehen.
Die philosophischen Fragen, die eh nicht neu sind und schon oft genug verhandelt wurden, werden erfrischend ausgeblendet. Kleine Perle.
4 von 5 Sternen
The Favourite
2018; Regie: Giorgos Lanthimos; Dasteller: Olivia Coleman, Emma Stone, Rachel Weisz; Genre: Kostümdrama/Tragikomödie
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Zum Beginn des 18. Jahrhunderts: Die einst adlige Abigail kommt als Dienerin an den Hof von Queen Anne. Diese ist gerade dabei mit ihrer einflussreichen Freundin - der Countess of Marlborough - mit dem Unterhaus zusammen England durch den Krieg gegen Frankreich zu bringen. Abigail möchte wieder ihre vorherige gesellschaftliche Stellung erlangen und dafür ist ihr am Hofe jedes Mittel recht.
Weniger skurril und weniger als Farce inszeniert als seine Vorgängerfilme traut sich der griechische Regisseur an englische Geschichte; dies aber mit erfrischend wenig Respekt und mit einigen Witz. Emma Stone, Rachel Weisz und vor allen Dingen die oscarprämierte Olivia Coleman spielen unfassbar gut. Letztere schafft es die Tragik einer oft unleidlichen Figur offenzulegen und somit Mitleid zu erwecken. Die Kamera mit ihren Fischaugen, Winkeln und Schwenks ist immer verspielt, das Szenenbild opulent - obwohl 90% des Film in einem Palast spielen- , die Kostüme sind wunderschön, die Dialoge messerscharf. Trotz sehr viel Ego und Intrige ist er zu allen Figuren fair und am Ende findet der Film seine Ernsthaftigkeit genau an der richtigen Stelle.
Weniger eigensinnig als Lanthimos’ Vorgänger, aber dennoch alles andere als gewöhnlich.
4 von 5 Sternen
Spider-Man: A New Universe
2018; Regisseur: u.A. Peter Ramsey; Darsteller(Sprecher): Shameik Moore, Mahershala Ali, Chris Pine, Nicholas Cage; Genre: Animation
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Miles Morales ist Sohn eines Polizisten, geht auf eine Privatschule und ist Fan von Spider-Man, der in seiner Welt wirklich existiert. Als er mit seinem „coolen“ Onkel in einem Tunnel ein Graffity sprüht wird er von einer Spinne gebissen. Er entdeckt, dass er die gleichen Kräfte wie sein großes Vorbild entwickelt. Spider-Man selbst stirbt aber im Kampf gegen den Kingpin, wobei jedoch Dimensionstore geöffnet werden und mehrere Inkarnationen von Spider-Man in Miles’ Welt kommen. Miles, der gerade erst seine Kräfte entdeckt muss nun zusammen mit ihnen Kingpin daran hindern weitere Experimente durchzuführen.
Eine absolute Kreativitätsexplosion, die für manchen zu hyperaktiv und bunt sein dürfte. Selten war man so geneigt zu empfehlen einen Film mit psychoaktiven Drogen zu schauen. Es könnte der Trip des Lebens werden.
Ich hatte auch ohne diese „Unterstützung“ großen Spaß. Der Film sieht einfach absolut fantastisch aus und ist bahnbrechend gut animiert. er ist witzig, actionreich, hat sympathische Charaktere, hat ein großartiges Pacing und hat einfach das Herz am rechten Fleck.
Allerdings - auch wenn er es selbst reflektiert und Witze auf Kosten dessen macht - der Film krankt an vielen der gleichen Tropes einer Origin-Story, die man zu oft gesehen hat und einem schwachen Bösewicht, wie so viele Comicverfilmungen. Und es war dann die ein oder andere Spidy-Inkarnationen zu viel, denn die werden nur oberflächlich behandelt. Dennoch einer der besten Vertreter seines Genres.
https://letterboxd.com/film/spider-man-into-the-spider-verse/
4 von 5 Sternen
Ghibli der Woche
Only Yesterday - Tränen der Erinnerung
1991; Regie: Isaho Takahata; Darsteller (Sprecher): Miki Imai, Youko Honna; Genre: Anime
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Taeko ist Büroangestellte in Tokio und möchte ihren Urlaub auf dem Land verbringen und dort auf einem Bauernhof arbeiten. Auf dem Weg dorthin und dort angekommen erinnert sie sich immer wieder an ihre Kindheit zurück.
Das eher für seine fantastischen Welten und Wesen bekannte Studio Ghibli hat hier einen in der Realität verorteten Film geschaffen; er vermischt einen Selbstfindungstrip mit Coming of Age und zeigt uns so wie wir durch Reflexion unserer Vergangenheit unsere Gegenwart und Zukunft maßgeblich beeinflussen können und uns so selbst verwirklichen können. Das ist witzig und gefühlvoll dargestellt. „Only Yesterday“ springt zwischen den Zeiten und ich fand zunächst den Coming of Age Part wesentlich stärker, weil er erfrischend ehrlich ist. Ein großes Thema spiel u.A. z.B, die Periode und wie dadurch Scham entsteht und die Dynamik zwischen Jungs und Mädchen an der Schule durcheinander gerät. Der Part auf dem Land ist anfangs etwas zäh und zu plump in seiner Botschaft, dass es dort doch viel schöner ist als in der Stadt. Am Ende greift aber alles sehr schön ineinander und die letzte Szene hat Gänsehaut erzeugt.
4 von 5 Sternen