Jerry Maguire (Rewatch)
Dieser Film von Regisseur Cameron Crowe bewegt sich irgendwo zwischen „nett inszenierte Geschichte rund um Tom Cruise, der sich schauspielerisch echt Mühe gibt“ und „oh Mann, ist das ein fürchterlicher Kitsch ohne Pointe“.
Obwohl die Handlung durchaus Potenzial für Tiefe und Tragik hat, schwimmt Cameron Crowe auf einer sehr oberflächlichen Welle und traut sich nicht, am Ende irgendwelche schwerwiegenden Konsequenzen zu ziehen und die Charaktere den Weg gehen zu lassen, der eigentlich ehrlich und realistisch gewesen wäre. Stattdessen verpasst er allem ein Happy End und streut eine Menge Puderzucker über das Märchen. Dabei gibt es in der Mitte durchaus Momente, die Herrn Crowe wunderbar gelingen, wenn er Intimität, Unsicherheit oder Reue inszeniert. Hier und da fehlt nur noch ein Schritt, um eine konsequente Charakterentwicklung aufzuzeigen, doch genau da macht dieser Film kehrt und sagt „Na na, wir wollen ja nicht zu ernst werden. Der Zuschauer soll lieber mit einem guten Gefühl zurückgelassen werden.“
Dadurch ergibt sich in meinen Augen keine glaubhafte Geschichte und an manch einer Stelle wird es sogar schwierig, wenn man reflektiert, was dieser Film gerade zu sagen versucht. Tom Cruise spielt hier einen Menschen, der durch und durch egoistisch, narzisstisch, ignorant, oberflächlich und perfide ist. Die obligatorische Katharsis wirkt höchst aufgezwungen und beinahe lächerlich umgesetzt. Hauptsache Jerry Maguire bekommt am Ende das, was er haben will.
Die weiblichen Charaktere in diesem Film sind ebenfalls höchst fragwürdig geschrieben. Renée Zellweger spielt eine 26-jährige alleinerziehende Mutter, die sich in jeder Szene wie die treudoofe Unschuld vom Lande gibt und Jerry Maguire begeistert an den Lippen hängt. Er könnte sie zehnmal betrügen und sie würde ihn dennoch mit Kusshand nehmen, weil er ja so gutaussehend und ein so toller Vater für ihren Sohn ist. Ihre Schwester ist die desillusionierte Frau, die allen Männern prinzipiell skeptisch begegnet. Praktischerweise hat sie auch den Club der anonymen geschiedenen Frauen im Wohnzimmer, die sich im Selbstmitleid und Zorn suhlen, Jerry Maguire aber mit funkelnden Augen anstarren, sobald er durch die Tür kommt. Die Ex-Geliebte von Jerry ist dabei ebenso eindimensional - wie im Grunde alle Frauen in diesem Film. Heutzutage könnte man das so nicht mehr drehen und ernst meinen, aber „Jerry Maguire“ ist eben von A bis Z ein Werk der 90er. Dieser Film strotzt nur so vor 90er-Jahre-Tropes.
Ach, und dann gibt es da noch Cuba Gooding junior, der mal unterhaltsam, mal unendlich nervig daherkommt und irgendwie viel zu viel Screen Time bekommt. Auf der Haben-Seite bleibt also die unterhaltsame Inszenierung, das gute Pacing in der ersten Filmhälfte, die schauspielerische Leistung von Tom Cruise und ein paar schön eingefangene emotionale Momente in der Mitte. Durch die fragwürdige Ideologie und die inkonsequente Geschichte kommt „Jerry Maguire“ über das Mittelmaß aber nicht hinaus und bleibt klar hinter Cameron Crowes „Vanilla Sky“ - ebenfalls mit Tom Cruise in der Hauptrolle - zurück.