Anatomie d’une chute (Anatomie eines Falles):
Hat mir sehr gut gefallen!
Ich bin sowieso ein Fan von solchen Krimis, solchen Fällen wo du die Einzelteile kriegst und dann vor Gericht die Puzzlestücke nach und nach zusammen geführt werden.
„Anatomie d’une chute“ ist ein solcher Film in Reinform. Man sieht eine kurze Anfangsphase bis hin zum Todesfall eines Charakter und danach werden nach und nach einzelne Stücke für den Zuschauer ausgelegt, welche mit der Zeit zu einem Bild zusammen kommen… welches Bild ist aber lange nicht klar.
Zu Beginn geht es in dem Film lange um die substantiellen, expliziten Fakten des Falles, und darum was genau denn jetzt passiert ist. Aber je länger der Film geht, desto mehr bekommt es dieses Personendrama. Die Story dreht sich zwar weiterhin um die Frage, was denn jetzt genau passiert ist, aber der Film geht Schritt für Schritt von den Faktischen Daten weg und der Frage, was wir WIRKLICH wissen, mehr hin zu der Frage, was wir denn nun am wahrscheinlichsten finden… und macht dies plötzlich mehr davon abhängig, was wir über die Protagonisten und deren Beziehungen denken… was so ungemütlich, wie auch absolut realistisch wirkt.
Ich glaube, der narrative Höhepunkt kommt, als man zum ersten Mal die Aufnahme hört, die in dem Film seit dem ersten Akt angeteast, aber nie wirklich genau erklärt wurde. Diese Szene ist absolut brilliant, wie sie geschrieben ist, wie sie gespielt ist, wie sie gedreht und präsentiert wurde, wo man sich entschieden hat zu schneiden und was zu zeigen oder eben nicht zu zeigen…
Womit ich bei dem Film etwas Mühe habe ist das Ende. Der Film ist so realistisch, wirkt so authentisch, dass ich ein Ende erwartete, welches dazu passte. Nur… so ganz kommt das nicht zusammen. In der Realität ist es wahrscheinlicher, dass ein Fall wie dieser schlussendlich nicht diesen Moment in der Vergangenheit des Kindes hat, wo er sich plötzlich an einen expliziten Monolog des Vaters erinnert, der alles klar macht… Das wirkte dann doch ein bisschen sehr aufgesetzt und beisst sich ein bisschen mit dem Rest des Filmes.
Allerdings ist das Ende kein Problem das mir den Film irgendwie ruinieren würde. Die Geschichte ist sehr toll erzählt, das Drehbuch sehr stark geschrieben und die Umsetzung ist wirklich genial, ein Film der weiss wie man „Show, don’t tell“ richtig macht.
Und vor allem loben muss man all die Schauspieler. Sandra Hüller spielt einen extrem komplexen, extrem vielschichtigen und komplizierten Charakter fantastisch. Sie bringt in mir extrem viel Emotionen raus, von Sympathie und Mitleid, hin zu Misstrauen und in gewissen Momenten ziemlichen Ekel und Antipathien. Milo Machado Graner zeigt für seine jungen Jahre eine unglaubliche Reife und Talent für seine Rolle.
Ach, und auch als eine Nebenrolle die mir sehr gefallen hat will ich noch Antoine Reinartz erwähnen, welcher den unausstehlichen und giftigen Staatsanwalt spielt, den man gleich von Anfang an nicht mag… der aber auch einige Momente hat er durch einige gute, subtile Entscheidungen dem Charakter mehr Nuance gibt als man erst denken würde.
Mir hat der Film einfach sehr gut gefallen, und auch wenn er weit über zwei Stunden geht, so war ich dennoch die ganze Zeit extrem gut unterhalten und fasziniert.
Fazit: Wirklich toller Film mit super Schauspielern, Regie und Skript!
PS: Ach, und, ein Oscar-Snub hier! Der Hund sollte auch eine Nomination erhalten haben! Wer den Film gesehen hat weiss wieso! Frage mich echt, wie man das gemacht hat!